Seit Erstellung dieses Artikels hat der Gesetzgeber - in manchmal umfassender Weise - Vorschriften geändert, die für das hier behandelte Thema relevant sind. Dies betrifft vor allem Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), des Pflichtversicherungsgesetzes (PflVG) sowie den Ersatz von Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungsverordnung (StVZO) durch solche der Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV). - Beispiel: Ersatz des § 29c StVZO durch § 25 FZV.
Die Benutzung eines der Pflichtversicherung unterliegenden unversicherten Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr, aber auch das Zulassen des öffentlichen Gebrauchs durch einen anderen Fahrzeugführer ist eine strafbare Handlung.
Jedoch ist es im jeweiligen Einzelfall nicht immer einfach, die Feststellung zu treffen, ob eine wirksame Haftpflichtversicherung bestand. So können z. B. Fahrten zur Zulassungsstelle mit einem nichtversicherten Fahrzeug Probleme aufwerfen; auch die missbräuchliche Verwendung roter Kennzeichen bzw. von Kurzkennzeichen kann strafrechtliche Konsequenzen haben. Insbesondere die Übung der Haftpflichtversicherer, Mahnungen und Kündigungsschreiben mit einfachem Brief anstatt mit Einschreiben zu versenden, führt in der Praxis regelmäßig zu Schwierigkeiten, das Nichtbestehen des Versicherungsschutzes überhaupt und erst recht die Kenntnis des Betroffenen davon im Ermittlungsverfahren zu beweisen.
BGH v. 03.11.1983:
Wer ein Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen gebraucht oder den Gebrauch gestattet, obwohl der für das Fahrzeug abgeschlossene Haftpflichtversicherungsvertrag nach VVG § 39 Abs 3 S 1 wirksam fristlos gekündigt worden ist, ist auch dann nach PflVG § 6 strafbar, wenn die Wirkungen der Kündigung gemäß VVG § 39 Abs 3 S 3 durch nachgeholte Prämienzahlung wieder weggefallen sind.
BGH v. 16.04.1985:
Wer auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ein Fahrzeug gebraucht oder den Gebrauch gestattet, für welches Haftpflichtversicherungsschutz auf Grund einer vorläufigen Deckungszusage besteht, macht sich nicht nach PflVG § 6 strafbar, wenn die vorläufige Deckung später infolge Nichteinlösung des Versicherungsscheins rückwirkend wegfällt oder wenn der Versicherer vom Vertrag gemäß VVG § 38 zurücktritt.
BayObLG v. 21.05.1993:
Wer auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ein vorläufig stillgelegtes Fahrzeug gebraucht, für welches ein Haftpflichtversicherungsschutz auf Grund einer Ruheversicherung nach AKB § 5 Abs 1 S 2, Abs 2 bis 6 besteht, macht sich nicht nach PflVG § 6 strafbar.
KG Berlin v. 26.11.2001:
Eine Verurteilung wegen (fahrlässigen) Fahrens ohne Haftpflichtversicherungsschutz setzt die Beendigung des Versicherungsvertrages voraus; der Nachweis des Zugangs des Mahn- und des Kündigungsschreibens kann nur durch positive Beweisanzeichen festgestellt werden. Hierfür reicht allein der Nachweis der Aufgabe zur Post nicht aus.
BayObLG v. 07.11.2002:
Ein Kraftfahrzeug ist mit roten Kennzeichen auch dann im Sinne der Sonderbedingung zur Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk "versehen", wenn die Kennzeichen im Fahrzeuginnern so angebracht sind, daß sie von Außen abgelesen werden können. Ein Verstoß gegen § 6 PflVersG scheidet bei ordnungsgemäß ausgegebenen roten Kennzeichen in einem derartigen Fall aus.
OLG Hamm v. 18.12.2006:
Die Tatsache, dass mit einem mit einem roten Versicherungskennzeichen versehenen Fahrzeug entgegen § 29g StVZO keine Probe- oder Überführungsfahrt, sondern eine Einkaufsfahrt durchgeführt wird, führt für sich allein angesichts der Tatsache, dass trotz der Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers die Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers im Außenverhältnis zu geschädigten Dritten bestehen bleibt, nicht zur Strafbarkeit wegen eines Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz.
OLG Köln v. 18.06.2013:
Der Begriff "Gestatten des Gebrauchs" i.S.d. § 6 Abs. 1 PflVG erfordert, dass der Gestattende gegenüber dem Gebrauchenden eine übergeordnete Sachherrschaft an dem Fahrzeug hat. Es setzt zumindest stillschweigendes Einverständnis voraus; dass der Gebrauch nur ermöglicht wird, reicht zur Strafbarkeit nicht aus.
OLG Celle v. 08.08.2013:
Besteht eine vorläufige Deckungszusage auch für Zulassungsfahrten nach H.3.1 AKB 2008, so erfüllt eine Fahrt vor der Zulassung des Fahrzeugs zu anderen als Zulassungszwecken nicht den objektiven Tatbestand des § 6 Abs. 1 PflVG, weil hierin lediglich die Verletzung einer Obliegenheitspflicht im Rahmen eines bestehenden Versicherungsverhältnisses zu sehen ist, die nicht den Bestand des Versicherungsvertrages an sich beeinträchtigt.
OLG Düsseldorf v. 27.01.2014:
Das Gestatten des Gebrauchs i.S.d. § 6 Abs. 1 PflVG erfordert, dass der Gestattende gegenüber dem Gebrauchenden ein übergeordnete Sachherrschaft an dem Fahrzeug hat; eine Ermöglichung des Gebrauchs reicht nicht aus.
KG Berlin v. 08.06.2018:
Bei einer Verurteilung wegen eines Vergehens gegen §§ 1, 6 PflVG müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, aufgrund welcher Umstände das Tatgericht von einer zivilrechtlich wirksamen Beendigung des Versicherungsvertrags ausgegangen ist. Es ist entweder darzutun, dass dem Versicherungsnehmer die Kündigung zugegangen ist oder aufgrund welcher tatsächlichen Umstände die Zugangsfiktion des § 13 Abs. 1 VVG zum Tragen gekommen ist.
OLG Karlsruhe v. 17.08.2010:
Bleibt die Aufforderung an den KfZ-Halter, das Fahrzeug abzumelden, unbeantwortet und muss daraufhin die zwangsweise Außerbetriebssetzung veranlasst werden, so darf sich die zuständige Behörde wegen der geringen Erfolgsaussichten nicht damit begnügen, die Fahrzeugdaten in eine Fahndungskartei aufzunehmen. Die zuständige Behörde muss vielmehr eigene Maßnahmen wie die Überprüfung der Wohnungsumgebung oder Nachfragen bei Nachbarn durchführen oder veranlassen. Sie muss letztlich die Einziehung des Fahrzeugscheins und die Entstempelung des Kennzeichens ggf. zwangsweise durchsetzen und dabei den Polizeivollzugsdienst je nach landesrechtlichen Möglichkeiten um Durchführung von Zwangsmaßnahmen ersuchen oder um notwendige Vollzugshilfe bitten.
VG Koblenz v. 18.10.2010:
Die der Gebührenfestsetzung für eine Zwangsstilllegung zugrunde liegende Amtshandlung ist rechtmäßig, da die Zulassungsstelle nach einer Mitteilung durch das Kraftfahrt-Bundesamt gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (FZV) verpflichtet ist, das Fahrzeug unverzüglich außer Betrieb zu setzen. Dieser Pflicht genügt die Behörde mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dadurch, dass sie den Fahrzeughalter auffordert, eine neue Versicherungsbestätigung vorzulegen oder das Fahrzeug still zu legen. Eine Pflicht der Zulassungsstelle, die Mitteilung auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin zu überprüfen, besteht nicht, da dies dem Zweck der Vorschrift – unversicherte Fahrzeuge schnellstmöglich aus dem Verkehr zu entfernen – zuwiderliefe.