Das Verkehrslexikon
Landgericht Koblenz Beschluss vom 25.04.2016 - 5 O 72/16 - Zur angemessenen Regulierungsfrist in Verkehrsunfallsachen von 4 bis 6 Wochen
LG Koblenz v. 25.04.2016: Zur angemessenen Regulierungsfrist in Verkehrsunfallsachen von 4 bis 6 Wochen
Das Landgericht Koblenz (Beschluss vom 25.04.2016 - 5 O 72/16) hat entschieden:
Werden Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gegenüber einem Haftpflichtversicherungsunternehmen bzw. unmittelbar gegen die vergleichbar einem solchen Unternehmen agierende Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht, tritt Verzug erst ein, sobald eine dem Versicherungsunternehmen in durchschnittlichen Angelegenheiten zuzubilligende Prüfungsfrist von vier bis sechs Wochen abgelaufen ist, die mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens beginnt (Anschluss OLG Frankfurt, 2. Dezember 2014, 7 W 64/14, VersR 2015, 1373 und OLG Rostock, 9. Januar 2001, 1 W 338/98, MDR 2001, 935). - Hat die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung diese Prüfungsfrist nicht eingehalten, sind ihr im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses im Schadensersatzprozess die Kosten aufzuerlegen.
Siehe auch Erledigungserklärung und Kostenentscheidung und Dauer der Schadenregulierung - angemessene Regulierungsfrist
Gründe:
I.
Unter dem 10 Dezember 2015 befuhr der Kläger mit einem in seinem Eigentum stehenden Fahrzeug BMW Typ Mini die ...-Brücke in ... . An einer rat oder gelb zeigenden Ampelanlage hielt er sein Fahrzeug an, als ihm ein im Eigentum der Beklagten stehendes Bundeswehrfahrzeug von hinten auffuhr.
Im weiteren Verlauf beauftragte der Kläger mit der Regulierung seines Sachschadens einen Rechtsanwalt, den hiesigen Prozessbevollmächtigten, der den dem Kläger entstandenen Sachschaden unter dem 12. Januar 2016 schriftsätzlich bezifferte und zugleich die Beklagte aufforderte, bis spätestens zum 22. Januar 2016 eine entsprechende Zahlung zu leisten (vgl. Anl. zur Klageschrift, Bl. 34 GA). Die anfallenden Reparaturkosten wurden in besagtem Schriftsatz fiktiv auf Gutachtenbasis berechnet. Im Anschluss ließ der Kläger sein Fahrzeug reparieren, wobei die Werkzeugrechnung unmittelbar der Beklagten übersandt wurde.
Im weiteren Verlauf, Anfang Februar 2016, kam es zwischen den Parteien zu einem Streit über die der Regulierung zugrundeliegende Quote dem Grunde nach. Hierbei vertrat die Beklagte die Auffassung, dass sie zu einer Regulierung nur auf Höhe einer Quote von 2 / 3 zu ihren Lasten verpflichtet sei (vgl. Anl. B3 zum Schriftsatz d. Bekl. v. 14.04.2016, Bl. 50 GA). Hierauf reagierte der Kläger durch eMail seines Prozessbevollmächtigten vom 18. Februar 2016 (Anl. zur Klageschrift, Bl. 30 GA), in der ausgeführt wurde, dass an einer Haftungsquote von 100 % zugunsten des Klägers festgehalten werde. Zugleich wurde der Beklagten eine weitere Schadensregulierungsfrist bis zum 29. Februar 2016 gesetzt und darauf hingewiesen, dass andernfalls eine gerichtliche Auseinandersetzung unvermeidlich sei.
Gut drei Wochen später, unter dem 09. März 2016, hat der Kläger eine das Unfallereignis vom 10. Dezember 2015 betreffende Klage gegen die Beklagten vor dem Landgericht Koblenz anhängig gemacht. Einen Tag später, am 10. März 2016, kündigte die Beklagte die vollständige Regulierung des Unfalls gegenüber dem Kläger nach Maßgabe seiner Kostenaufstellung an. Tatsächlich nahm die Beklagte die angekündigte Regulierung sodann zeitnah vor, woraufhin der Kläger (noch vor ihrer Zustellung) die Klage vollumfänglich zurückgenommen hat.
Der Kläger beantragt,
der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen (§ 269 Abs. 3 Satz 3 BGB).
Die Beklagte beantragt,
die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen.
Sie vertritt die Rechtsauffassung, dass die geleistete Zahlung innerhalb einer ihr zuzubilligenden angemessenen Regulierungsfrist von vier bis sechs Wochen vorgenommen worden sei und die Kosten des Rechtsstreits daher dem Kläger aufzuerlegen seien.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits sind gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 BGB wie tenoriert der Beklagtenseite aufzuerlegen gewesen.
Im Falle des hier einschlägigen § 269 Abs. 3 Satz 3 BGB bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Die Anwendung dieser Grundsätze führt vorliegend zur Auferlegung der Kosten auf die Beklagte.
Werden Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gegenüber einem Haftpflichtversicherungsunternehmen bzw. hier unmittelbar gegen die vergleichbar einem solchen Unternehmen agierende Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht, tritt Verzug erst ein, sobald eine dem Versicherungsunternehmen in durchschnittlichen Angelegenheiten zuzubilligende Prüfungsfrist von (je nach Einzelfall) vier bis sechs Wochen abgelaufen ist, die mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens beginnt (OLG Frankfurt, VersR 2015, 1373; OLG Rostock, MDR 2001, 935).
Besagte Prüfungsfrist wurde vorliegend durch die Beklagte nicht eingehalten. Das klägerseits mit der Klageschrift vorgelegte spezifizierte Anspruchsschreiben datiert auf den 12. Januar 2016 und ging der Beklagten, ausgehend von einer durchschnittlichen Postlaufzeit, Mitte Januar zu. Den Zugang besagten Schriftsatzes hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 14. April 2016 nicht in Abrede gestellt. Die Parteien stritten hiernach zu keiner Zeit um die Höhe des Anspruches, sondern die Beklagte wendete allein ein, dass eine Regulierung lediglich auf Grundlage einer Haftungsquote von 2 / 3 zu ihren Lasten erfolgen solle. Diesem Vorbringen widersprach der Kläger in der Folge und setzte der Beklagten unter dem 18. Februar 2016 eine weitere Regulierungsfrist. Diese Frist ließ die Beklagte verstreichen, ohne Gründe hierfür dem Kläger gegenüber zu kommunizieren. Hiernach wartete der Kläger nochmals mehr als eine Woche zu. Spätestens jetzt, im Zeitpunkt der Klageerhebung am 09. März 2016, befand die Beklagte sich sodann nach der Wertung der Kammer und unter Berücksichtigung der ihr zuzubilligenden angemessenen Regulierungsfrist in Verzug (§ 286 BGB). Bei Lichte besehen liegt der sachliche Grund für die Verzögerung der Regulierung allein darin, dass die Beklagte die klägerseits eingeforderte Haftungsquote zunächst, was so in der Sache mit Blick auf die gegenständliche Unfallkonstellation eines Auffahrunfalls vor einer auf rot schaltenden Ampel wenig naheliegend war, nicht hat akzeptieren wollen. Das Risiko, im Falle einer Klageerhebung zu unterliegen, geht damit billigerweise mit der Beklagten einher. Die Kammer hat nach allem entscheiden müssen wie tenoriert.