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OLG Saarbrücken Urteil vom 19.12.2006 - 4 U 318/06 - Zur Eigentumsvermutung des Fahrzeugbesitzers und zum Beweismaß an den Nachweis eines "gestellten" Verkehrsunfallereignisses

OLG Saarbrücken v. 19.12.2006: Zum Beweis der Aktivlegitimation auf Grund der Eigentumsvermutung des Fahrzeugbesitzers und zum Beweismaß an den Nachweis eines "gestellten" Verkehrsunfallereignisses




Das Saarländische Oberlandesgericht Saarbrücken (Urteil vom 19.12.2006 - 4 U 318/06) hat entschieden:

  1.  Ist jemand zum Zeitpunkt der Beschädigung eines Fahrzeugs dessen Besitzer, so hat er auf Grund der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB sein Eigentum bewiesen. Es ist dann Sache der Gegenpartei, die Vermutung gemäß § 292 ZPO durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen. Dieser ist nach dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Lebenssachverhalts und Einbeziehung des Ergebnisses einer eventuellen Beweisaufnahme zu führen.

  2.  Zum Beweismaß an den Nachweis eines "gestellten" Verkehrsunfallereignisses.


Zum Sachverhalt:


Die Klägerin begehrte Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Wohnmobils. Die Beklagte war zum behaupteten Unfalltag, dem 20.12.2004, Haftpflichtversicherer des LKW der Marke Mercedes Benz mit dem Kennzeichen, dessen Halter der Zeuge R. F. war.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei Eigentümerin des Wohnmobils mit dem amtlichen Kennzeichen gewesen. Dieses Wohnmobil sei über ein zinsloses Darlehen ihres Sohnes J. R. finanziert worden.

Mit diesem Fahrzeug sei sie am 20.12.2004 zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem Zeugen J. L., im A.-Markt in ... einkaufen gewesen. Während sie sich im Einkaufsmarkt aufgehalten habe, habe der Zeuge R. F. mit seinem Lkw beim Wenden das Wohnmobil der Klägerin beschädigt.

Die Beklagten wandten außer der fehlenden Aktivlegitimation ein, dass es sich bei dem Schadensereignis nicht um einen unfreiwilligen Unfall gehandelt habe.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme auf Grund seiner Auffassung nach eineinader widersprechender Zeugenaussagen wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte Erfolg.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Klägerin stehen aus dem Unfallereignis vom 20.12.2004 Schadensersatzansprüche in der beantragten Höhe zu, da die Aktivlegitimation der Klägerin im zweiten Rechtszug nachgewiesen worden ist (1.) und diese den ihr obliegenden Beweis für das schadensursächliche Unfallereignis führen konnte (2.). Demgegenüber steht nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht mit einer allen vernünftigen Zweifeln Einhalt gebietenden Sicherheit fest, dass es sich bei dem Verkehrsunfall um ein so genanntes vorgetäuschtes Unfallereignis handelte, für dessen Folgen die Beklagte nicht einzustehen hätte (3.).

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts unterliegt die Klage nicht bereits deshalb der Abweisung, weil die Klägerin ihre Aktivlegitimation, die erstinstanzlich lediglich aus ihrer eigenen Eigentümerstellung hergeleitet worden ist, nicht nachgewiesen hat. Das Landgericht hat die Tragweite der gesetzlichen Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB verkannt:

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Beschädigung des Fahrzeugs Besitzerin des Wohnmobils war. Damit sind die tatsächlichen Grundlagen für die gesetzliche Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB bewiesen (vgl. MünchKomm(BGB)/Medicus, 4. Aufl., § 1006 Rdnr. 10; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, § 1006 Rdnr. 1). Es war nunmehr Sache der Beklagten, die Vermutung gemäß § 292 ZPO durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen. Dieser ist nach dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Lebenssachverhalts und Einbeziehung des Ergebnisses einer eventuellen Beweisaufnahme zu führen (vgl. BGH, Urt. vom 4.2.2002 - II ZR 37/00, NJW 2002, 2101 , 2102).

Indessen hat das Landgericht offensichtlich die Auffassung vertreten, dass die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB bereits deshalb nicht greife, weil die Klägerin und der vernommene Zeuge zu den maßgeblichen Aspekten des Eigentumserwerbs widersprüchliche Angaben gemacht haben. Dieser rechtliche Schluss ist nicht statthaft. Denn die Vorschrift des § 1006 BGB stellt den Besitzer im Grundsatz nicht nur von der Beweis-, sondern auch von der Darlegungslast frei, dass und auf welcher Grundlage er zugleich mit dem Besitz das Eigentum erworben hat ( BGHZ 156, 310 , 319, NJW 2002, 2102 ; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, § 1006 Rdnr. 3;Palandt/Bassenge, BGB, 66. Aufl., § 1006 Rdnr. 1). Ist der Besitzer jedoch nicht gehalten, Sachvortrag über seinen Eigentumserwerb zu halten, so darf die Verwirklichung der gesetzlichen Vermutung nicht daran scheitern, dass sich der Lebenssachverhalt zum Erwerb des Eigentums vor dem Hintergrund einer zusammenhängenden Würdigung von Zeugenaussagen und Parteivortrag als „verworren“ darstellt.

Der zur Entscheidung stehende Fall zwingt nicht dazu, die Rechtsfrage zu beantworten, ob und unter welchen Voraussetzungen den Besitzer die sekundäre Darlegungslast für einen sich in seiner Sphäre vollzogenen Eigentumserwerb trifft (zum Meinungsstand vgl.: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, 2. Auflage, § 1004 Rndr. 25, 27). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist diese Rechtsfrage bislang nicht entschieden: Der Bundesgerichtshof hat die Frage nach sekundären Darlegungslasten des Eigentümers in dem Urteil vom 4.2.2002 ( NJW 2002, 2102 ) ausdrücklich offen gelassen; in der späteren, für die amtliche Sammlung bestimmten Entscheidung BGHZ, 156, 310 fand der Gedanke keine Erwähnung. Einer Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage bedarf es auch im vorliegenden Fall nicht. Denn die Klägerin hat zu den Umständen des Eigentumserwerbs hinreichend vorgetragen, indem sie dargelegt hat, das Fahrzeug sei ihr von ihrem Sohn geschenkt worden. Aus den Widersprüchen im Sachvortrag der Klägerin dürfen keine nachteiligen prozessualen Schlüsse gezogen werden: Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägervertreters (Bl. 131 d. A.) leidet die Klägerin nach einer Operation unter Erinnerungslücken. Es widerspräche dem Gebot des fairen Verfahrens, Lücken im Sachvortrag, die auf einem gesundheitlichen Defizit beruhen mögen, der betroffenen Partei zum Nachteil anzurechnen.

Letztlich können die Erwägungen zum richtigen Verständnis der Eigentumsvermutung im zweiten Rechtszug dahinstehen. Denn nach Vorlage der Abtretungserklärung vom 31.7.2006 (Bl. 182 d. A.), deren Echtheit die Beklagte nicht bestreitet, steht nunmehr fest, dass der potentiell als Eigentümer in Betracht kommende Sohn der Klägerin, J. R. R., alle ihm etwaig aus dem Verkehrsunfallereignis vom 20.12.2004 bereits entstandenen und möglicherweise noch entstehenden Ansprüche an die Klägerin abgetreten hat. Mithin ist die Aktivlegitimation der Klägerin im zweiten Rechtszug nicht mehr zweifelhaft.

2. Die Beklagte haftet gem. § 7 Abs. 1 StVG i. V. m. § 3 Nr. 1 PflVG auf Erstattung der durch das Unfallereignis entstandenen Schäden.

a) Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass das Wohnmobil am fraglichen Tag und am von der Klägerin bezeichneten Ort durch das in Betrieb befindliche Fahrzeug des Zeugen F. beschädigt wurde. Mithin steht die Nämlichkeit des streitgegenständlichen Schadensereignisses fest.

aa) Das Prozessprogramm des Zivilprozesses wird durch den Streitgegenstand definiert, indem der Kläger die von ihm in Anspruch genommene Rechtsfolge aus einem tatsächlichen Geschehen, dem sog. Lebenssachverhalt (Klagegrund) herleitet, dessen Elemente auf der Ebene des Rechts die tatsächlichen Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm ausfüllen (zum sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff vgl. BGHZ 154, 342 , 348; BGHZ 153, 173 , 175; BGHZ 117, 1 , 5; BGH, Urt. v. 7. Dezember 2000 - I ZR 146/98, GRUR 2001, 755 , 756 f. – Telefonkarte).




bb) Im vorliegend zu beurteilenden Fall hat die Klägerin den geltend gemachten Schadensersatzanspruch in tatsächlicher Hinsicht auf die Behauptung gestützt, ihr Wohnmobil sei am 20.12.2004 gegen 19.15 Uhr auf dem Parkplatz des A.-Marktes in im rückwärtigen Teil beschädigt worden, weil der Zeuge F. beim Rückwärtsfahren gegen das Fahrzeug gestoßen sei. Nur dieser Lebenssachverhalt bildet den Streitgegenstand der Klage und wird in die Erkenntnis des Senats gestellt. Mithin hat die Klägerin den ihr obliegenden Beweis für die Nämlichkeit des Schadensereignisse dann erbracht, wenn das Gericht nach Maßgabe des nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Beweismaßes mit allen vernünftigen Zweifeln Einhalt gebietender Gewissheit von der Wahrheit des konkreten Schadensfalles überzeugt ist (zum Beweismaß: BGHZ 53, 245 , 256; 61, 169; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 286 Rdn. 17 ff.). Dazu genügt es nicht, wenn sich nach Durchführung der Beweisaufnahme zwar Zweifel an Ort und Zeit des tatsächlichen Geschehens ergeben, gleichzeitig jedoch Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass beide Fahrzeuge eventuell an anderer Stelle unter nicht dargelegten Umständen miteinander zusammengestoßen sein mögen. Der Lebenssachverhalt des Streitgegenstandes darf sich nicht auf die isolierte Darstellung des Schadenserfolgs beschränken, solange die weiteren tatsächlichen Umstände in örtlicher und zeitlicher Hinsicht nicht zumindest insoweit determiniert sind, dass alle zur Ausfüllung der Haftungsnorm relevanten Tatbestandsmerkmale eindeutig beantwortet werden können.

cc) Im einzelnen beruht die Überzeugung des Senats auf folgenden Erwägungen:

Der Zeuge R. F. hat ausgesagt, er habe zur fraglichen Stunde den A.-Parkplatz aufgesucht, um zu essen. Nachdem er im Lkw gegessen und getrunken gehabt habe, sei er im Bogen rückwärts gefahren und dabei mit dem Fahrzeug der Klägerin zusammengestoßen. Sodann sei er in den A.-Markt zurückgekehrt und habe die Kassiererin gebeten, den Fahrer des Wohnmobils auszurufen. Ein Lehrling habe ihm dabei geholfen, die Scherben aufzukehren. Auf den Aufruf habe sich dann die Klägerin bei ihm vorgestellt.

Wenngleich die Aussage dieses Zeugen nicht uneingeschränkt glaubhaft ist, so richten sich die Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage in erster Linie gegen das Rahmengeschehen des Verkehrsunfalles. Wenig glaubhaft sind die Angaben des Zeugen zum Anlass der Fahrt. Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass sich der Zeuge lediglich mit der vagen Vorstellung, „man könne im Saarland preiswerte Autos kaufen“, von M. mit seinem Lkw auf die Fahrt ins Saarland aufmachte. Die Zweifel an der Wahrhaftigkeit der vom Zeugen geschilderten Motivation werden dadurch verstärkt, dass es dem Zeugen nicht gelungen ist, einen einzigen der von ihm besuchten Autohändler namhaft zu machen. Auch der Versuch des Zeugen, den Gegenstand seiner Suche durch die Angabe zu konkretisieren, er habe nach einem Fiat Ausschau gehalten, mutet konstruiert an: Der Zeuge war nicht dazu in der Lage, den gesuchten Fahrzeugtyp näher zu beschreiben oder gar die Höhe des zu Verfügung stehenden Kaufpreises zu benennen. Letzterem Aspekt kommt eine nicht unerhebliche Bedeutung zu, da der Zeuge nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Beklagten im Jahr 2003 mehrfach die eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgeben musste und offensichtlich bis heute in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebt.

Wenngleich der Senat erhebliche Zweifel daran hegt, ob der Anlass für die Fahrt nach N. tatsächlich in der Hoffnung bestand, einen Autokauf tätigen zu können, wiegen die Zweifel nicht so schwer, als dass sie die Aussage des Zeugen zur Nämlichkeit des Unfallereignisses in Zweifel ziehen. Dagegen spricht zum einen der Umstand, dass der von der Beklagten beauftragte Schadensgutachter in dem von ihm erstellten Schadensgutachten vom 1.10.2005 nach Auswertung aller vorliegenden Informationen und Durchführung von Besichtigungen zu der Einschätzung gelangte, dass die erkennbaren wesentlichen Beschädigungen am rechten Abschnitt des Fahrzeughecks des Wohnmobils durch kollisionäre Kontakte mit dem rechten Abschnitt des Fahrzeughecks des Lkw im Rahmen des angegebenen Ereignisses möglich seien.

Darüber hinaus stimmt die Aussage des Zeugen F. im Kern mit der Aussage des Zeugen L. überein.




Entscheidend ist jedoch folgende Überlegung: Der Zeuge hat dezidiert ausgesagt, er habe die Kassiererin des A.-Marktes darum gebeten, den Halter des Wohnmobils auszurufen. Dies sei auch geschehen. Anschließend habe der Lehrling beim Entfernen der Glasscherben geholfen. Mithin zog der Zeuge nach seinem eigenen Bekunden weitere, nicht im Lager der Klägerin stehende Personen in das Unfallereignis mit ein. Er musste damit rechnen, dass diese Personen, deren Namen auch im Nachhinein durch Einsicht in die entsprechenden Dienstpläne des A.-Marktes unschwer zu ermitteln waren, zeitnah zum Unfallereignis befragt werden würden. Da das Unfallgeschehen und die anschließende Suche nach dem Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs die tägliche Arbeitsroutine der Kassiererin und des Lehrlings verließen, musste der Zeuge F. einkalkulieren, dass diese beiden Mitarbeiter des A.-Marktes das geschilderte Unfallereignis leicht verifizieren würden. Ein solches Risiko geht ein Täter, der in betrügerischer Absicht ein fiktives Unfallereignis „abrechnen“ will, vernünftigerweise nicht ein. Im gleichen Zusammenhang ist anzumerken, dass sich aus der unterlassenen Hinzuziehung der Verkehrspolizei gegen die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage im vorliegenden Fall keine nachteiligen Schlüsse ziehen lassen: Die Haftungsfrage stand nach der Schilderung des Zeugen zwischen den Parteien außer Streit. Da sich der Unfall nicht im Bereich einer Straße, sondern auf einem Parkplatz ereignete, stellte sich auch nicht die Notwendigkeit, zur Sicherung der Unfallstelle verkehrsregelnde Maßnahmen zu ergreifen. In einer solchen Situation war die Hinzuziehung der Verkehrspolizei nicht erforderlich.


2. Demgegenüber hat die Beklagte den ihr obliegenden Nachweis dafür, dass es sich bei dem Unfallereignis um einen so genannten „gestellten Unfall“ gehandelt habe, nicht erbracht.

Auch im Bereich der Gefährdungshaftung ist es anerkannt, dass demjenigen, der in seine Schädigung eingewilligt hat, kein ersatzfähiger Schaden entsteht. Hierbei trägt bei nachgewiesenem äußeren Tatbestand der Rechtsgutverletzung der in Anspruch genommene Halter (Versicherer) die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der den Schadensersatz begehrende Gläubiger mit der Schadensverursachung einverstanden war. Zwar können für die behauptete Einwilligung in die Schädigung Beweisanzeichen – mit Einschränkungen auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises – herangezogen werden (zu alldem: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 7 Rdnr. 48; BGHZ 71, 339 , 340 ff.; aus der Kasuistik: OLGR Koblenz 2006, 386; OLGR Celle 2004, 175; OLG Frankfurt ZfSch 2004, 501 ; OLGR Zweibrücken 2005, 98). Dennoch erreichen die Beweiserleichterungen im vorliegenden Fall nicht aus, um den Senat nach Würdigung der Gesamtumstände des Lebenssachverhalts davon zu überzeugen, dass der Unfall zwischen den Unfallbeteiligten abgesprochen war.

Als Indiz für ein nur vorgetäuschtes Unfallereignis mag zu würdigen sein, dass der unfallbeteiligte Lkw offensichtlich ein sehr altes Fahrzeug war, welches der Zeuge F. nur wenige Monate nach dem Unfallgeschehen als Bastlerfahrzeug zu einem sehr geringen Preisen veräußerte. Nimmt man die finanziellen Schwierigkeiten des Zeugen F. und die ganz erheblichen Reparaturkosten am Wohnmobil der Klägerin hinzu, so zeigt der Schadensfall durchaus Merkmale, in denen sich ein Versicherungsbetrug typischerweise „rechnet“. Dennoch wiegen diese Erwägungen zur Typizität des Rahmengeschehens im vorliegenden Fall nicht allzu schwer. Denn es fehlt ein belastbarer Hinweis dafür, dass sich die Parteien vor dem Schadensfall tatsächlich kannten. Insbesondere können aus dem Ergebnis der detektivischen Untersuchung keine sicheren Schlüsse gezogen werden. Es liegt nicht völlig fern, dass der Zeuge F. seine Angabe, die Klägerin sei eine Bekannte, tatsächlich so verstand, dass ihm die Klägerin vom Unfallereignis her bekannt war.



Zugunsten der Klägerin darf nicht außer Betracht gelassen werden, dass im vorliegenden Fall weitere anerkannte Beweiszeichen für ein vorgetäuschtes Unfallereignis fehlen: Es ist nicht vorgetragen, dass der Zeugen F. oder die Klägerin vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis gehäuft als Unfallbeteiligte in Erscheinung traten.

Auch die unglaubhafte Darstellung der Zeugenaussage in Bezug auf den Anlass der Fahrt nach N. deutet nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit darauf hin, dass sich der Zeuge mit dem Vorsatz zu einem Versicherungsbetrug ins Saarland begab.

Mithin verbleibt als gewichtiges Indiz für die Unfreiwilligkeit des Schadensfalls lediglich die Darstellung des Unfallverlaufs selbst. Es ist dem Beklagtenvertreter zuzugestehen, dass das Maß an Sorgfalt, welches der Zeuge bei der Entstehung des Schadensfalles vermissen ließ, in Anbetracht des erheblichen Gefährdungspotentials, das von dem bei Dunkelheit rückwärts fahrenden LKW ausging, kaum nachvollzogen werden kann. Denn der Zeuge hat ausgesagt, er sei eine nicht unbeträchtliche Strecke gewissermaßen blindlings rückwärts gefahren. Dennoch zeigt die Lebenserfahrung, dass selbst ein an die Grenze des bedingten Schädigungsvorsatzes reichender grober Sorgfaltsverstoß im Straßenverkehr nicht selten angetroffen werden kann. Demgegenüber ist ein Erfahrungssatz, dass ein grobfahrlässiges oder rücksichtsloses Verhalten des Schädigers auf ein Einverständnis der Geschädigten hindeutet, nicht anerkannt...."

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