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Landgericht Oldenburg Urteil vom 08.09.1989 - Ns 319 Js 4188/89 - Zum Beweisgrenzwert für absolute Fahruntauglichkeit und zur Entziehung der Fahrerlaubnis beim alkoholisierten Führen eines Leichtmofa

LG Oldenburg v. 08.09.1989: Zum Beweisgrenzwert für absolute Fahruntauglichkeit und zur Entziehung der Fahrerlaubnis beim alkoholisierten Führen eines Leichtmofas




Das Landgericht Oldenburg (Urteil vom 08.09.1989 - Ns 319 Js 4188/89) hat entschieden:

  1.  Für Leicht-Mofa-Fahrer beginnt wie für Radfahrer die absolute Fahruntüchtigkeit mit 1,7 Promille.

  2.  Aus dem Führen eines Leichtmofas in fahruntüchtigem Zustand kann nicht generell auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kfz geschlossen werden; es muss vielmehr auch bei der sogenannten Regelnorm des § 69 Abs. 2 StGB zusätzlich noch Tathergang und insbesondere Täterpersönlichkeit eingehend geprüft werden, ob der Täter nach den Gesamtumständen als ungeeignet zum Führen von Kfz anzusehen ist.


Siehe auch
Alkohol - Grenzwerte für die absolute Fahruntauglichkeit
und
Stichwörter zum Thema Alkohol

Zum Sachverhalt:


Der Angeklagte befuhr mit seinem Leichtmofa unter Zuhilfenahme des Motors gegen 2.00 Uhr in D. öffentliche Straßen, u.a. den rechten Radweg auf der M.-Straße. Er hatte zuvor auf einer Weihnachtsfeier Alkohol zu sich genommen und nach kurzem Schlaf die Weihnachtspost erledigt, die er zur Post zu bringen beabsichtigte. Vor Fahrtantritt hatte der Angekl. dann noch ein Mixgetränk zu sich genommen, das in erheblichem Umfange Alkohol enthielt. Die dem Angekl. um 2.31 Uhr entnommene Blutprobe ergab für die Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von 1,58 ‰.

Den auf Streife befindlichen Polizeibeamten war der Angekl. durch seine unsichere Fahrweise aufgefallen. Sie beobachteten ihn und stellten fest, dass der Angekl. auf einer Länge von mehr als 20 m in erheblichen Schlangenlinien fuhr und dazu die gesamte Breite des Radweges beanspruchte. Auch machte der Angekl. heftige, durch die Verkehrssituation oder den Straßenzustand nicht bedingte Lenkbewegungen, die sich nach dem ordnungsgemäßen Anhalten an einer Lichtzeichenanlage fortsetzten, so dass eine schaukelnde Fahrweise eintrat.

Das AG hat den Angekl. wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 50 DM verurteilt. Ferner wurde dem Angekl. für die Dauer von drei Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, mit der sie die Aufhebung des Urteils und Entziehung der Fahrerlaubnis, Einziehung des Führerscheins und eine Sperrfrist erstrebte.

Das Rechtsmittel der StA blieb erfolglos.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Angekl. hat sich wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr gemäß § 316 Abs. 1 und 2 StGB strafbar und schuldig gemacht. Die festgestellte Blutalkoholkonzentration liegt zwar über 1,3%o. Die auf den Alkoholgenuss zurückzuführende Fahrunsicherheit ergibt sich jedoch aus den von den Zeugen festgestellten und bekundeten Ausfallerscheinungen, die auf eine Trunkenheit erheblichen Ausmaßes schließen lassen (relative Fahruntüchtigkeit).

Absolute Fahruntüchtigkeit des Angekl. konnte nicht festgestellt werden, weil die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit für Leichtmofas wie bei Fahrrädern mit 1,7%o anzusetzen ist. Die für Kraftfahrzeuge einschließlich Motorräder und Mofas geltende Grenze von 1,3%o kann auf das vom Angekl. geführte Leichtmofa nicht übertragen werden. Das Leichtmofa steht wegen seiner technischen Ausstattung gemäß der Leichtmofa-Verordnung vom 26.2. 1987 seiner Antriebsstärke von 0,5 KW (Mofa: 1 KW); seines Hubraumes von 30 ccm (Mofa zwischen 45 und 49 ccm), seiner Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h (Mofa: 25 km/ h), seines Gewichts von höchstens 30 kg (Mofa: 60 bis 80 kg) und seiner Leistungsanforderungen an den Fahrer (Bedienung und Bremsen) sowie des Umstandes, dass diese Leichtmofa ohne Helm gefahren werden kann, dem Fahrrad wesentlich näher als dem sogenannten Mofa 25. Es kommt weiter hinzu, dass der Motor des Leichtmofas sich bei einer Geschwindigkeit zwischen 20 und 24 km/h selbständig auskuppelt und dieses Fahrzeug dann nur noch Fahrrad ist.


Diese Umstände beim Leichtmofa rechtfertigen es, die Leistungsanforderungen an den Leichtmofafahrer nach den Anforderungen zu bemessen, die an Fahrradfahrer gestellt werden. Zumindest rechtfertigt der bisherige Erkenntnisstand zum Fahren mit Leichtmofas nicht den Schluss, dass dieses Kraftfahrzeug gleich einem Mofa zu behandeln ist. Das aber ist zugunsten des Angekl. zu berücksichtigen.

Der Angekl. wusste zwar, dass er Alkohol getrunken hatte, hielt sich aber noch für fahrtüchtig, obwohl er es nach seinem Kenntnisstand und Fähigkeit als langjähriger Kraftfahrer hätte erkennen müssen, dass er es nicht mehr war. Er hat daher fahrlässig gehandelt.

Aufgrund der bisherigen Unbestraftheit des Angekl. kam bei dieser Fahruntüchtigkeit lediglich eine Geldstrafe in Betracht, die angesichts der dem Angekl. nur zur Last zu legenden Fahrlässigkeit mit 15 Tagessätzen tat- und schuldangemessen erschien.

Obwohl der Angekl. mit dem Leichtmofa ein Kraftfahrzeug i.S. des § 69 StGB geführt hat, konnte dennoch weder die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB entzogen noch eine Sperrfrist gemäß § 69a StGB verhängt werden. Aus dem Führen eines Leichtmofas in fahruntüchtigem Zustande kann nicht generell auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden. Das Leichtmofa ist ein Kraftfahrzeug, weil es durch Maschinenkraft bewegt wird (§ 1 Abs. 2 StVG), und zwar unabhängig davon, ob es zum Zeitpunkt der Tat tatsächlich mit Hilfe des Motors oder der Muskelkraft angetrieben wird, denn entscheidend ist die Einsatzfähigkeit des Motors. Allerdings greift bei der Beurteilung der Ungeeignetheit des Kraftfahrzeugführers die für die Anwendung des § 69 StGB im Vordergrund stehende Gefährlichkeit des geführten Kraftfahrzeuges beim Benutzen des Leichtmofas nicht durch, weil dieses dem Fahrrade nähersteht und deswegen das gesetzlich vorgesehene Regelausnahmeverhältnis insoweit außer Funktion gesetzt wird. Es muss bei den Führern solcher Fahrzeuge auch bei der sogenannten Regelnorm des § 69a Abs. 2 StGB zusätzlich noch Tathergang und insbesondere Täterpersönlichkeit eingehend geprüft werden und unter Berücksichtigung der gesetzlich bereits vorgenommenen Prognose festgestellt werden, ob der Täter nach den Gesamtumständen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist.



Bei dieser gebotenen Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters kann der Schluss auf die Ungeeignetheit des Angekl. zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht zwingend geschlossen werden. Die Tat stellt sich für den Angekl. als Ausnahmetat eines seit dem 18. Lebensjahr im Besitze einer Fahrerlaubnis befindlichen Menschen dar, der auch nicht etwa einen Kneipenbummel unternommen hat, sondern nach einer Weihnachtsfeier eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt beging. Unter diesen Umständen liegt kein Fall vor, der die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB rechtfertigt.

Aus diesem Grunde entfällt auch bei diesem Angekl. die Bestimmung einer Sperrfrist gem. § 69a StGB.

Allerdings war bei dem Angekl. wegen des Führens eines Kraftfahrzeuges als Warn- und Besinnungsstrafe gemäß des insoweit anzuwendenden § 44 StGB ein Fahrverbot notwendig, weil er wegen seiner im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangenen Straftat einer Warn- und Besinnungsstrafe bedarf. Das von ihm verwirklichte Delikt und seine Schuld im Zusammenhang mit dem Führen dieses Kraftfahrzeuges machten einen besonderen Denkzettel erforderlich, der allerdings wegen der gemäß § 111a StPO getroffenen Maßnahmen einen bloßen Ausspruch darstellt, da Anrechnung erfolgt. ..."

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