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OVG des Saarlandes in Saarlouis Beschluss vom 03.05.2007 - 1 A 36/07 - Für den Entzug der Fahrerlaubnis muss die Fahrerlaubnisbehörde durch Anordnung von ärztlichen bzw. psychologischen Gutachten bestehende Eignungszweifel aufklären

OVG Saarlouis v. 03.05.2007: Für den Entzug der Fahrerlaubnis muss die Fahrerlaubnisbehörde durch Anordnung von ärztlichen bzw. psychologischen Gutachten bestehende Eignungszweifel aufklären.




Das OVG des Saarlandes in Saarlouis (Beschluss vom 03.05.2007 - 1 A 36/07) hat entschieden:

   Für den Entzug der Fahrerlaubnis muss die Fahrerlaubnisbehörde durch Anordnung von ärztlichen bzw. psychologischen Gutachten bestehende Eignungszweifel aufklären. Ein Schreiben des Gemeindeamtsrats, in dem ihm ein "geröteter bzw. hochroter Kopf” und "eine nicht verwechselbare Alkoholfahne” des Betroffenen aufgefallen ist, stellt keinen hinreichenden Anlass für die Annahme des Bestehens einer ausgeprägten Alkoholproblematik mit erkennbaren Auswirkungen auf die Teilnahme am Straßenverkehr dar.

Siehe auch
Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein
und
Stichwörter zum Thema Alkohol

Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der zulässige Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Verwaltungsentscheidungen (Bescheid des Beklagten vom 16.1.2006 sowie Widerspruchsbescheid vom 8.6.2006), mit denen der Klägerin die Fahrerlaubnis entzogen wurde, zu Recht für rechtswidrig erachtet und aufgehoben. Der Senat macht sich die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Seiten 6 bis 9 des Urteils) in vollem Umfang zu Eigen. Wirklich neue Gesichtspunkte, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründen könnten, ergeben sich aus der Zulassungsbegründung vom 6.3.2007 nicht.




Zusammenfassend ist festzuhalten:

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen, oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Voraussetzung der Entziehung ist, dass die Nichteignung positiv festgestellt wird. Bedenken an der Kraftfahreignung genügen nicht für die Entziehung der Fahrerlaubnis. Wenn allerdings Tatsachen bekannt werden, die Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in den §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 StVG i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV) und je nach Ergebnis der Eignungsuntersuchung in einem zweiten Schritt eine Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen. Wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist.

   vgl. zu alldem u.a. BVerwG, Urteil vom 9.6.2005 - 3 C 25/04 -, NJW 2005, 381 = DVBl. 2005, 1337 = DAR 2005, 581.

Der “Vermerk” des Gemeindeamtsrats Sch. vom 19.9.2005 war, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kein hinreichender Anlass für die Annahme des Bestehens einer ausgeprägten Alkoholproblematik mit erkennbaren Auswirkungen auf die Teilnahme am Straßenverkehr. Die Anforderung einer amtsärztlichen Untersuchung muss sich nämlich auf solche Mängel beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, dass der Betroffene sich als Führer eines Kraftfahrzeuges nicht verkehrsgerecht umsichtig verhalten werde, was auf der anderen Seite ausschließt, jeden Umstand, der auf die entfernt liegende Möglichkeit eines Eignungsmangels hindeutet, als hinreichenden Grund für die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens anzusehen. Die Überprüfung der Fahreignung erfordert mithin insgesamt einen hinreichenden Gefahrenverdacht, der einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lässt. In einer so geprägten Situation, und nur dann, werden Grundrechte des Betroffenen wie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), insbesondere aber auch der verfassungsrechtlich geschützte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt

   vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 24.6.1993 -1 BvR 689/92 -, BVerfGE 89, 69 (85 f.) = NJW 1993, 2365, vom 20.6.2002 - 1 BvR 2062/96 -, NJW 2002, 2378, und vom 8.7.2002 -1 BvR 2428/95 -, NJW 2002, 2381; BVerwG, Urteil vom 5.7.2001 - 3 C 13/01 -, NJW 2002, 78 (79).

Ein in diesem Sinne hinreichender Gefahrenverdacht, der einen Eignungsmangel bei der Klägerin als naheliegend erscheinen ließ und deshalb den Beklagten gemäß den §§ 46 Abs. 3, 13 Nr. 1, 11 Abs. 2 FeV i.V.m. Ziffer 8 der Anlage 4 zur FeV ermächtigte, zur Klärung von Eignungszweifeln mit Blick auf eine bei der Klägerin möglicherweise bestehende ausgeprägte Alkohol- und/oder Drogenproblematik von dieser eine ärztliche Untersuchung beim Gesundheitsamt zu verlangen, war nach den konkreten Umständen, wie sie dem Beklagten - lediglich - aufgrund des Vermerks des Gemeindeamtsrats Sch. vom 19.9.2005 zur Kenntnis gekommen waren, nicht gegeben. Wie im angefochtenen Urteil überzeugend ausgeführt ist, erfüllen die pauschal und nicht näher begründeten “erheblichen Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit (Alkohol- Drogenmissbrauch) gem. § 11 FahrerlaubnisVO “ nicht den Tatbestand eines durch konkrete tatsächliche Anhaltspunkte zu belegenden Anfangsverdachts

   vgl. in diesem Zusammenhang u.a. Beschlüsse des Senats vom 18.9.2003 - 1 W 24/03 -, NJW 2004, 243 = NZV 2004, 484 = ZfS 2004, 47 = Blutalkohol 41, 367, vom 1.2.2005 - 1 W 44/04 - und vom 29.12.2005 - 1 Y 15/05 -, NJW 2006, 1305 = Blutalkohol 44, 58; siehe auch Beschluss des 9. Senats des OVG Saarlouis vom 18.9.2000 - 9 W 5/00 -, ZfS 2001, 92, sowie VGH Mannheim, Beschluss vom 29.7.2002 - 10 S 1164/02 -, NZV 2002, 582 = ZfS 2002, 555 (betreffend einen Berufskraftfahrer).




Zu Recht hält das Verwaltungsgericht dem Beklagten vor, dass er vor Erlass der ärztlichen Untersuchungsanordnung den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt und insbesondere nicht ermittelt hat, aufgrund welcher Wahrnehmungen und Vorkommnisse der Verdacht einer alkoholbedingten Ungeeignetheit der Klägerin entstanden ist. Beachtliche konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, aus denen berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung der Klägerin hergeleitet werden können, ergeben sich auch nicht aus dem mit der Zulassungsbegründung vom 6.3.2007 vorgelegten Schreiben des Gemeindeamtsrats Sch. vom 5.3.2007. Dieses Schreiben enthält keine datierten Angaben zu den Zeiten - ausgenommen den Vorgang vom 19.9.2005 -, zu denen dem Gemeindeamtsrat Sch., der ab 1997 als (damaliger) Leiter des Sozialamtes der Gemeinde A-Stadt mit der Klägerin persönlichen Kontakt hatte, deren “geröteter bzw. hochroter Kopf” und “eine nicht verwechselbare Alkoholfahne” aufgefallen ist. Die entsprechenden Wahrnehmungen können, selbst wenn ihnen ein hinreichend konkreter Anfangsverdacht bezüglich einer Alkoholabhängigkeit bzw. eines Alkoholmissbrauchs zugesprochen wird, schon so lange Zeit zurückliegen, dass ihnen ein aktueller (zeitnaher) und damit relevanter Bezug zu einer gegenwärtigen Gefahrensituation nicht mehr beigemessen werden kann. Was das Aufsuchen der Wohnung der Klägerin am 19.9.2005 anbelangt, weist Gemeindeamtsrat Sch. nunmehr zusätzlich darauf hin, dass “sie” - gemeint ist damit neben seiner Person der ihn begleitende POK A. vom Polizeiposten A-Stadt - sich nach dem Verlassen der Wohnung einig gewesen seien, dass sie beim Betreten der Wohnung der Klägerin “gegen eine Alkoholwand geprallt sind”. Von dem wenig ergiebigen Aussagewert - auch - dieser Bemerkung abgesehen fällt auf, dass POK A., dem als Polizeibeamter grundsätzlich eine im Vergleich zu Gemeindeamtsrat Sch. größere Erfahrung bei der Einschätzung des Vorliegens einer alkoholischen Beeinflussung zugebilligt werden dürfte, für sich keine Veranlassung gesehen hat, gegenüber der Führerscheinstelle des Landkreises St. Wendel Bedenken hinsichtlich der Kraftfahreignung der Klägerin zu äußern bzw. die von Gemeindeamtsrat Sch. geäußerten Bedenken durch eine persönliche Erklärung zu bestätigen.



Die von der Klägerin ohne rechtliche Verpflichtung ermöglichten Laborbefunde bzw. der von ihr dem Beklagten vorgelegte Laborbefund der Laborgemeinschaft Saar (Blutentnahmezeitpunkt: 28.3.2006) schließen ausweislich der Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes beim Gesundheitsamt St. Wendel vom 1.6.2006 einen chronischen Alkoholmissbrauch zwar nicht aus, können ihn indes auch nicht beweisen, so dass auch hierin, wie im erstinstanzlichen Urteil (Seite 9) zutreffend dargelegt ist, mangels sonstiger Umstände, insbesondere bekannter Vorkommnisse mit Bezug zum Straßenverkehr

   vgl. dazu die bereits erwähnten Entscheidungen des OVG Saarlouis vom 18.9.2003 - 1 W 24/03 -, vom 1.2.2005 - 1 W 44/04 - und vom 18.9.2000 - 9 W 5/00 -, jeweils a.a.O.,

keine hinreichenden Tatsachen erblickt werden können, die Zweifel an der Kraftfahreignung der Klägerin unter Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze rechtfertigen. ..."

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