Das Verkehrslexikon

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BGH Beschluss vom 20.07.1999 - 4 StR 106/99 - Grundsätzlich zur Grenzwertberechnung und zum Sicherheitszuschlag 0,10 Promille

BGH v. 20.07.1999: Zur Grenzwertberechnung und zum Sicherheitszuschlag von 0,10 Promille bei der Beurteilung der alkoholbedingten Fahruntauglichkeit




Der BGH (Beschluss vom 20.07.1999 - 4 StR 106/99) hat ausführlich zur Berechnungsweise bei der strafrechtlichen Bestimmung der Blutalkoholkonzentration Stellung genommen:

   Die Ergebnisse einer Blutalkoholuntersuchung nach dem ADH- und Gaschromatographie- Verfahren rechtfertigen eine Verurteilung nach StGB § 316 (wegen absoluter Fahruntüchtigkeit), wenn bei Blutalkoholkonzentrationen mit einem Mittelwert ab 1,1 Promille die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Einzelwert (Variationsbreite) nicht mehr als zehn Prozent des Mittelwerts beträgt und das untersuchende Institut die erfolgreiche Teilnahme an den Ringversuchen versichert; einer Berechnung der Standardabweichung der Einzelwerte bedarf es nicht.

Siehe auch
Alkohol - Grenzwerte für die absolute Fahruntauglichkeit
und
Stichwörter zum Thema Alkohol

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Zum Sachverhalt:


Das AG hat den Angekl. wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde: Am 20.1.1996 gegen 21.15 Uhr führte der Angeklagte seinen Pkw BMW in C. auf öffentlichen Straßen; über das Fehlverhalten des Angeklagten teilt das Urteil nichts mit. In der C. Z. Straße wurde er im Rahmen einer Verkehrskontrolle von der Polizei angehalten. Die dem Angekl. um 21.55 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine BAK im Mittelwert von 1,1 Promille, den das AG seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt hat. Dieser Mittelwert errechnete sich aus vier Einzelmesswerten, von denen zwei Messungen nach dem ADH-Verfahren Einzelwerte von 1,03 und 1,11 Promille und zwei Messungen nach dem GC-Verfahren Einzelwerte von jeweils 1,13 Promille ergaben. Das Institut, das die Blutuntersuchung durchgeführt hat, nimmt regelmäßig erfolgreich an Ringversuchen der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie e.V. teil. Eine Überprüfung der Standardabweichung (dazu unten 2) hat das AG mit der Begründung für entbehrlich gehalten, sie sei "kein geeignetes Fehlerkriterium bei der Beurteilung einer Blutalkoholanalyse", ihre Ermittlung ,,aus vier einzelnen Werten (lasse) keine zuverlässigen Aussagen über die Genauigkeit der Messung zu".

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angekl. mit seiner frist- und formgerecht eingelegten Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Er macht geltend, die Verurteilung lasse sich nicht auf den errechneten Mittelwert von 1,10 Promille stützen, weil die Standardabweichung mehr als 0,03 Promille betrage. Deshalb hätte hier ein erhöhter Wert von 1,15 Promille als Grenze der (absoluten) Fahruntüchtigkeit der Entscheidung zugrunde gelegt werden müssen.

Das Brandenburgische OLG möchte die Revision als unbegründet verwerfen. Es ist der Ansicht, dass das nach dem ADH- und dem GC-Verfahren gewonnene Ergebnis der Blutalkoholbestimmung bereits dann verwertbar ist, wenn die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Einzelwert nicht mehr als 10 % des Mittelwerts betrage; eine über 0,03 Promille liegende Standardabweichung der Einzelergebnisse stehe der Verwertbarkeit nicht entgegen.

Das vorlegende OLG sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung jedoch durch den Beschluss des Senats vom 25.06.1990 - 4 StR 297/90 - (BGHSt 37, 89) gehindert, den es dahin versteht, dass bei der Kombination von ADH- und GC-Verfahren das Ergebnis der Blutalkoholbestimmung nur dann verwendet werden darf wenn die Standardabweichung nicht mehr als 0,03 Promille beträgt.




Das Brandenburgische OLG hat deshalb die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem BGH zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt:

Ist die Verwertbarkeit einer Blutalkoholbestimmung nach dem ADH-Verfahren und dem gaschromatographischen Verfahren davon abhängig, dass

  a)  die Variationsbreite der Einzelmesswerte (Differenz zwischen höchstem und geringstem Wert) nicht größer als der zehnte Teil des arithmetischen Mittels der Einzelmesswerte ist

oder

  b)  die sogenannte Standardabweichung nicht mehr als 0,03 Promille, beträgt?

Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen: Die Verwertbarkeit des Ergebnisses einer Blutalkoholuntersuchung nach dem ADH- und Gaschromatographie-Verfahren erfordert, dass bei Mittelwerten ab 1,0 Promille BAK die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Einzelwert (Variationsbreite) nicht mehr als 10% des Mittelwertes beträgt. Die Überschreitung der Standardabweichung von O,03 Promille steht der Verwertbarkeit nicht entgegen.




Aus den Entscheidungsgründen:


Die Vorlegungsvoraussetzungen sind erfüllt. Das OLG hat eine Sache auch dann dem BGH gemäß § 121 Abs. 2 GVG vorzulegen, wenn es meint, von einer Entscheidung des BGH abzuweichen, weil Zweifel über deren Reichweite bestehen (vgl. BGHSt 34, 94, 97; Hannich in KK-StPO 4. Aufl. GVG § 121 Rdn. 29). Das ist hier der Fall. Die Auffassung des vorlegenden OLG beruht auch auf vertretbaren Erwägungen; sie ist deshalb vom Senat bei der Prüfung der Vorlegungsvoraussetzungen hinzunehmen (BGHSt 19, 242; 22, 385, 386; Kleinknecht / Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. GVG § 121 Rdn. 10).

Die Vorlegungsfrage ist jedoch zu weit gefasst. Sie betrifft über die Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren hinaus (vgl. BGHSt 25, 281, 283; 43, 285, 288 = DAR 1998, 107) nach ihrem Wortlaut auch die Anerkennung des Grenzwerts der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille mit einem Sicherheitszuschlag von 0,1 Promille zum Grundwert von 1,0 Promille, wenn das untersuchende Institut die Anforderungen der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie e.V. für die Blutalkoholbestimmung nicht erfüllt. Zum anderen erstreckt sie sich auf alle BAK, während entscheidungserheblich für die Annahme ,,absoluter Fahruntüchtigkeit" nur diejenigen mit einem Mittelwert von 1,1 Promille und mehr sind. Der Senat formuliert deshalb die Rechtsfrage wie folgt:

Sind die Ergebnisse einer Blutalkoholuntersuchung nach dem ADH- und Gaschromatographie-Verfahren auch dann verwertbar, wenn bei BAK mit einem Mittelwert ab 1,1 Promille die Standardabweichung der Einzelwerte den Wert von 0,03 Promille übersteigt, die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Einzelwert (Variationsbreite) aber nicht mehr als zehn Prozent des Mittelwerts beträgt und das untersuchende Institut die erfolgreiche Teilnahme an den Ringversuchen versichert?

Die Frage ist zu bejahen:


1. Der Senat hat in der Entscheidung BGHSt 37, 89 = DAR 1990, 303, auf die das vorlegende OLG Bezug nimmt, bei der Festlegung des Beweisgrenzwerts der absoluten Fahruntüchtigkeit den Sicherheitszuschlag von 0,1 Promille zum Grundwert von 1,0 Promille nur für diejenigen mit forensischen Blutalkoholanalysen befassten Institute vorübergehend auf 0,15 Promille erhöht, die an den zur Qualitätskontrolle durchzuführenden Ringversuchen noch nicht erfolgreich teilgenommen haben (BGHSt a. a. 0.98). Auf der Grundlage eines vom Bundesgesundheitsamt ausgewerteten neuen Ringversuchs der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie e.V. hatte das Bundesgesundheitsamt 1989 im ,,Gutachten zum Sicherheitszuschlag auf die Blutalkoholbestimmung" (NZV 1990, 104 ff., im folgenden: Gutachten 1989) für sämtliche Kombinationen von Untersuchungsverfahren (ADH, GC und Widmark) ,,unter Berücksichtigung der ermittelten zufälligen (Unterschied zwischen dem einzelnen Messwert und dem Mittelwert) und systematischen Abweichungen" (BGHSt a. a. 0. 97) eine ,,maximale Abweichung im ungünstigsten Fall" von knapp 0,05 Promille ermittelt. Der Senat hat diesen Wert im Anschluss an einen Vorschlag im Gutachten 1989 (a. a. 0. S.106) zur Vermeidung von Unsicherheiten verdoppelt und deshalb den Sicherheitszuschlag auf 0,1 Promille bemessen. Dabei sei - so der Senat - ,,auch gewährleistet, dass die - einseitige - Irrtumswahrscheinlichkeit - d.h. die statistische Wahrscheinlichkeit, dass der im Einzelfall errechnete Mittelwert vom wahren Wert um mehr als 0,10 Promille abweicht, wesentlich geringer als 0,15 % ist (Gutachten 1989 S.109)" (BGHSt a. a. 0.97). Eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,15 Promille hat der Senat aber bereits bei der Festlegung der 1,3 Promille-Grenze als hinnehmbar erachtet (BGHSt 21, 157, 165). Bereits in der zuletzt genannten Entscheidung hatte der Senat, gestützt auf das Gutachten des Bundesgesundheitsamts 1966 (Lundt / Jahn Gutachten des BGA zur Frage Alkohol bei Verkehrsstraftaten <1966>, im folgenden Gutachten 1966), eine Unverwertbarkeit des Untersuchungsergebnisses nur ,,bei Überschreitung einer Variationsbreite von höchstens 10 % des Probemittelwertes" angenommen (BGHSt a. a. O~ 166). Die Überprüfung der Variationsbreite ermöglicht die Aufdeckung möglicherweise vorhandener systematischer Fehler der angewandten - jeweils zwei verschiedenen Untersuchungsverfahren (HeIfer / Brzezinka BA 1991, 108, 114; Hentschel JR 1996, 388, 389); sie ist mithin dafür gedacht, die mit statistischer Sicherheit zu erwartenden ,,Ausreißer" zu eliminieren, nicht aber als Mittel der Verfahrenskontrolle (Beier NZV 1996, 343, 345; Hentschel / Born Trunkenheit im Verkehr, 7. Aufl. (1996) Rdn. 79).

Hieran hat sich durch Herabsetzung des Beweisgrenzwerts für die Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit von 1,3 Promille auf 1,1 Promille durch die Entscheidung BGHSt 37, 89 nichts geändert. Voraussetzung für einen Sicherheitszuschlag von lediglich 0,1 Promille ist allerdings, dass das jeweilige Institut die im Gutachten 1989 geforderte generelle Messpräzision regelmäßig einhält, was durch die Versicherung erfolgreicher Teilnahme an Ringversuchen nachzuweisen ist (BGHSt a. a. 0.98; dazu eingehend LG Göttingen Nds. Rpfl. 1991, 276, 278; weiter gehend Grüner BA 1991, 360, 368). Der Tatrichter darf deshalb unter dieser Voraussetzung den 1,1 Promille oder mehr ergebenden Mittelwert seiner Beurteilung zugrunde legen, wenn die Variationsbreite nicht mehr als 10 % des Probenmittelwerts beträgt. Diese maximale Variationsbreite ist, wie das vorlegende OLG dargelegt hat, im Ausgangsfall eingehalten.




2. Wird die zulässige Variationsbreite nicht überschritten, so steht der Verwertbarkeit des Mittelwerts nicht entgegen, dass die Standardabweichung, bezogen auf die Einzelwerte, über denjenigen liegt, die im Gutachten 1989 als Obergrenze für die Herabsetzung des Sicherheitszuschlages auf 0,1 Promille zugrunde gelegt ist (BayObLG DAR 1996, 101 JR 1996, 385 mit zust. Anm. Hentschel; Heifer / Brzezinka BA 1996, 106 f Anm. zu BayObLG a.a.O.; Hentschel / Born a. a. 0.; Mühlhaus / Janiszewski StVO 15. Aufl. StGB § 316 Rdn. 12 m.w.N.; Sammler / Sprung / Hilgers BA 1992, 205, 208). Die zufällige oder Standard-Abweichung (Streuung) ist der Unterschied zwischen dem durch die Analyse erhaltenen Messwert und dem Mittelwert (Gutachten 1989 aa0. S. 104); sie dient zur Charakterisierung der Messpräzision (Gutachten 1989 a.a.O. S.105; Beier a.a.O. 343; Grüner aa. 0.362). Ihr maximal zulässiger Wert bei dem vom Senat angenommenen Sicherheitszuschlag von 0,1 Promille ist im Gutachten 1989 für die Kombination von ADH- und GC-Verfahren allerdings mit 0,03 Promille angegeben (Gutachten 1989 aa0. 106). Dass dieser Wert im Ausgangsfall überschritten wird (zur Berechnung Schoknecht DRiZ 1991, 56; krit. dazu u.a. Beier aa0. 343, 346), hindert das vorlegende OLG gleichwohl nicht, die Revision des Angeklagten - wie beabsichtigt, - zu verwerfen. Das AG hat, indem es die Standardabweichung unberücksichtigt gelassen hat, nicht gegen wissenschaftlich gesicherte, den Tatrichter bindende Erfahrungssätze verstoßen. Auch der Zweifelsgrundsatz ist nicht berührt.

Die Entscheidung des Senats BGHSt 37, 89 DAR 1990, 303 besagt nichts anderes. Der darin enthaltene Hinweis, ,,durch die Bekanntgabe der vier bzw. fünf Einzelmesswerte jeder Blutalkoholbestimmung nachzuweisen, dass die sich ergebende Abweichung unter der im Gutachten 1989 (S. 106) angegebenen Maximalwerten liegt" (aa0. 98), bezieht sich allerdings auf die Standardabweichung. Er sollte aber - wie die Berücksichtigung der von Heifer / Brzezinka (NZV 1990, 134) und Grüner / Bilzer (BA 1990, 222, 225) geäußerten Bedenken erkennen lässt - nur verdeutlichen, dass bis zur Verbesserung der Messpräzision durch institutsinterne und - externe Kontrollen innerhalb des neuen Sicherheitszuschlages von 0,1 Promille noch hinreichend Raum zur Berücksichtigung systematischer Fehler bleibt (so zutreffend BayObLG aa0. DAR 1996, 101). Dem hat der Senat dadurch Rechnung getragen, dass er zur Vermeidung jeglicher Benachteiligung den an sich erforderlichen Sicherheitszuschlag in Höhe des Wertes des mittleren Fehlers (Standardabweichung) von (nur noch) 0,05 Promille verdoppelte (vgl. dazu Hentschel aa0. 389). Dagegen war es nicht das Anliegen des Senats, als Korrektiv die Begrenzung der Standardabweichung an die Stelle derjenigen der Variationsbreite zu setzen (a. A. LG Hamburg NZV 1994, 45; LG München I NZV 1996, 378; Schoknecht NZV 1996, 217, 218). Ausdrücklich hat der Senat deshalb die Verringerung des Beweisgrenzwertes der absoluten Fahruntüchtigkeit auf 1,1 Promille allein von der ,,erfolgreichen Teilnahme am Ringversuch" abhängig gemacht, ,,der die Einhaltung der erforderlichen Messgenauigkeit bei den einzelnen Instituten gewährleisten soll" (BGHSt a. a. 0.98).

Davon abgesehen kann der erkennende Senat die überwiegend vertretene Auffassung nicht unberücksichtigt lassen, dass die Einhaltung der im Gutachten 1989 genannten maximalen Standardabweichung der Einzelwerte auch kein geeignetes (zusätzliches) Kontrollmaß für die Messpräzision ist, weil die Laborpräzision durch die Ermittlung der Standardabweichung aus den im konkreten Fall gewonnenen lediglich vier bzw. fünf Einzelwerten nicht nachgewiesen werden kann (BayObLG a. a. 0. 101; LG Göttingen Nds. Rpfl. 1991, 276 ff.; Grüner BA 1991, 360, 368; Rüdell / Rüdell BA 1991, 252, 254; Sammler / Sprung / Hilgers aa0.; Hentschel JR 1996, 388. 390; Hentschel / Born aaO.; selbst Schoknecht, aa0., räumt ein, dass zur ,,exakten Bestimmung von Mittelwert und Standardabweichung theoretisch unendlich viele Messwerte erforderlich" wären). Die im Gutachten 1966 als ,,Hilfsmittel" bestimmte Begrenzung der Variationsbreite auf 10 % des Probenmittelwertes (bzw. bei Probenmittelwerten unter 1,0 Promille auf gleichbleibend 0,10 Promille; Gutachten 1966S. 19,26; dazu Grüner a.a.0. BA 1991,366 f) dient - wie dargelegt - der Aufdeckung möglicherweise vorhandener ,,systematischer Fehler" der jeweils zwei angewandten Untersuchungsmethoden (Heifer / Brzezinka BA 1991 aa0. 114; Hentschel JR 1996, 388, 389). Durch das - zusätzliche - Hilfsmittel der (Begrenzung der) Standardabweichung wurde kein höheres Maß an Sicherheit für die ,,Richtigkeit" des Ergebnisses erreicht (vgl. dazu Grüner aa0. 362 a.E. BGB), zumal da die ,,Richtigkeit" nicht durch die Standard-, sondern durch die systematische Abweichung (Unterschied zwischen dem Mittelwert der Messwerte und dem ,,wahren" Wert; Gutachten 1989 aa0. 104) charakterisiert wird. Schon im Gutachten 1966 war aber anerkannt, dass nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit bei unter gleichen Umständen vorgenommenen Messungen das arithmetische Mittel derjenige Wert ist, der mit großer Wahrscheinlichkeit dem wahren Wert am nächsten kommt (Gutachten 1966 S.32 f Nrn. 6, 8).



Angesichts dessen erscheint es dem Senat weder geboten noch aus anderen Gründen angezeigt, dass der Tatrichter auch die Messpräzision im Einzelfall anhand der Berechnung der Standardabweichung der Einzelwerte überprüft (Beier aa0.344, 346). Eine Überprüfung der Messpräzision durch Berücksichtigung der Standardabweichung, zu der es regelmäßig der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedürfte, würde die Beweisaufnahme unnötig belasten; sie wäre bei den Massenverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr unverhältnismäßig und ist auch kein Gebot der Einzelfallgerechtigkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es - wie in der Rspr. anerkannt ist - selbst auf dem Gebiet der exakten Naturwissenschaften ein absolut sicheres Wissen nicht gibt (BGHSt 41, 206, 214 ff); ebensowenig ist bei Messungen im Bereich von Naturwissenschaften eine absolute Genauigkeit erreichbar (Gutachten 1966 S. 20, 32 zu Nr. 5; Grüner aa0. 361 f). Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die von Schoknecht veröffentlichte Formel zur Berechnung der Standardabweichung (DRiZ 1991, 56) überhaupt vereinbar mit dem Verfahren ist, das im Gutachten 1989 zur Ermittlung der Werte der maximal zulässigen Standard-Abweichung angewandt wurde (verneinend BayObLG aa0.101 f.; Beier aa0.346). Als Maßstab für die Zuverlässigkeit der Blutalkoholuntersuchung durch die Institute, die erfolgreich an den Ringversuchen teilnehmen, genügt vielmehr die Begrenzung der Variationsbreite auf maximal 10 % des Mittelwerts. Diese Vorgabe ist sachgerecht, zweckmäßig und praktikabel (Rüdell / Rüdell aaO. 254, 255; Hentschel aa0.); sie ist auch Bestandteil der Ziffer 3.6 Abs. 3 Satz 1 der von den Bundesländern vereinbarten ,,Richtlinien über die Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und OWi" (abgedruckt in Mühlhaus / Janiszewski aa0. StGB § 316 Rdn. 40).

3. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht nach Auffassung des Senats ein so hohes Maß an Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Probenmittelwert von 1,1 Promille und mehr der maßgebliche Grundwert von 1,0 Promille (BGHSt 37, 89, 95 = DAR 1990, 303) tatsächlich erreicht ist, dass die auf diesen Beweiswert gestützte Überzeugung des Tatrichters von der Fahruntüchtigkeit des Angeklagten somit auch unter Beachtung des Zweifelssatzes auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruht, die auch das Revisionsgericht bindet. Es finden dann die von dem Senat zur Annahme ,,absoluter" Fahruntüchtigkeit entwickelten Beweisgrundsätze Anwendung (BGHSt 13, 278,279; 21, 157, 160; 37 a. a. 0.)."

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