Das Verkehrslexikon

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Absolute Fahruntauglichkeit ist bei einem Radfahrer ab 1,6 oder 1,7 Promille gegeben

Rechtsprechung: Absolute Fahruntauglichkeit ist bei einem Radfahrer ab 1,6 oder 1,7 Promille gegeben





Der Grenzwert für die Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit liegt für Radfahrer bei 1,7 Prom., vgl. BGH (Beschluss vom 17.07.1986 - 4 StR 543/85):

   “Nach den Untersuchungsergebnissen des Gießener Instituts wird die Leistungsfähigkeit und die Gesamtpersönlichkeit durch eine derartige Alkoholkonzentration bei allen Radfahrern so beeinträchtigt, dass sie nicht mehr in der Lage sind, ein Fahrrad im Straßenverkehr sicher zu lenken. Bei sämtlichen 150 Versuchspersonen ist es nämlich bei Alkoholwerten von 1,5 %o zu deutlichen Leistungseinbußen gegenüber der Nüchternleistung und zu erheblichen Fahrfehlern gekommen (Blutalkohol 1984, 97, 108). Die statistische Bedeutung dieses Ergebnisses wird noch dadurch verstärkt, dass - abweichend vom Durchschnitt der üblicherweise mit dem Fahrrad am Straßenverkehr Teilnehmenden - nur gesunde, ausgeruhte und verhältnismäßig junge Personen zwischen 18 und 44 Jahren (Durchschnittsalter 25/26 Jahre) herangezogen worden sind, die durch die Versuchssituation besonders motiviert und keinerlei Überraschungen auf den ihnen bekannten Versuchsstrecken beim Fahren mit einfach zu handhabenden Damenfahrrädern ausgesetzt waren (Blutalkohol 1984, 97, 108; vgl. auch Blutalkohol 1980, 298, 300). Die mangelnde Beherrschung des eigenen Fahrzeugs - hier des Fahrrades (vgl. BGHSt 30, 251, 255) - steht damit bei einem Blutalkoholgehalt von 1,5 %o als gesichert fest.

b) Die Beeinträchtigung der Fahrsicherheit eines Radfahrers bedeutet auch eine erhebliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Dabei ist nicht nur zu berücksichtigen, dass nicht fahrsichere Radfahrer durch Anfahren von Personen oder Sachen Schäden verursachen können. Von erheblich größerer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass alkoholisierte Radfahrer wegen ihrer Gleichgewichtsbeeinträchtigung durch plötzliche, unkontrollierte Lenkbewegungen andere, erheblich schneller fahrende Verkehrsteilnehmer zu Ausweichmanövern veranlassen können, die nicht nur für die ausweichenden, sondern vor allem auch für die entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer in hohem Maße gefährlich sind.

3. Zu dem Wert von 1,5 %o ist jedoch ein Sicherheitszuschlag von 0,2 %o hinzuzurechnen.

In seiner Entscheidung aus dem Jahre 1981 hat der Senat die Frage des Sicherheitszuschlages zwar nicht ausdrücklich angesprochen (vgl. Mollenkott in NJW 1985, 666, 667). Er hat aber die Fahrer führerscheinfreier Fahrräder mit Hilfsmotor den anderen motorisierten Kraftfahrern gleichgestellt, weil ihre Fahrtüchtigkeit "wie eines jeden anderen Kraftfahrers bereits bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 %o nicht mehr gewährleistet ist" (BGHSt 30, 251, 254). Damit hat der Senat auch auf die Zusammensetzung des Grenzwertes von 1,3 %o (1,1 %o + 0,2 %o Sicherheitszuschlag - vgl. BGHSt 21, 157, 164 ff; 25, 360, 361/362) Bezug genommen. Nach einer Auskunft des Bundesgesundheitsamtes aus dem Jahre 1984 ist ein Sicherheitszuschlag in Größe der dreifachen Standardabweichung von Messabweichungen, die bei der Bestimmung der Blutalkoholkonzentration vorhanden sind, auch weiterhin geboten:

   "Die verbesserte Analysentechnik führt auch heute nicht zu vernachlässigbar kleinen Messabweichungen. Über die heutige Situation geben z.B. die Ergebnisse der Ringversuche, die von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie auch für BAK-Bestimmungen durchgeführt werden, eindeutigen Aufschluss. Die Untersuchungen, die vom Bundesgesundheitsamt für eine Stellungnahme in Zusammenhang mit der Atemalkoholanalyse vorgenommen wurden (veröffentlicht als Soz-Ep-Bericht 8/1981), haben gezeigt, dass die Standardabweichung bei gleichzeitiger Anwendung der ADH-Methode und der Gaschromatographie bei routinemäßig durchgeführten BAK-Messungen im Bereich von ñ 0,05 bis ñ 0,07 g% liegen. Auch diese auf eigenen Erfahrungen beruhenden Ergebnisse sprechen eindeutig für die Beibehaltung eines Sicherheitszuschlages in der gegenwärtig festgelegten Höhe."

4. Danach ist der Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit (§ 316 StGB) bei Radfahrern mit 1,7 %o festzusetzen.”

Da auf Grund der neueren Rechtsprechung der Sicherheitszuschlag lediglich noch mit 0,1 Prom. bemessen wird, müsste demzufolge eigentlich der Grenzwert für Radfahrer nurmehr 1,6 Prom. betragen (so OLG Hamburg NZV 1990, 198; OLG Celle NJW 1992, 2169; OLG Zweibrücken NZV 1992, 372; LG Hildesheim NZV 1992, 44).

Andererseits hat der BGH aber in seiner Entscheidung BGHSt 37, 89 = NJW 1990, 2393 = NZV 1990, 357 nur den neuen Grenzwert für Kraftfahrzeuge erörtert und Radfahrer (ausdrücklich?) nicht erwähnt, so dass anzunehmen ist, dass der BGH den bisherigen Grenzwert für Radfahrer von 1,7 Prom. nicht antasten wollte (so Jagusch / Hentschel, StraßenverkR, 32. Aufl., § 316 StGB Rdnr. 18).

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