Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Beschluss vom 21.07.2004 - 2 Ss 178/04 - Der Rückschluss von einer hohen BAK auf das Vorliegen von Vorsatz ist unzulässig: im Zweifel ist von Fahrlässigkeit auszugehen

OLG Hamm v. 21.07.2004: Der Rückschluss von einer hohen BAK auf das Vorliegen von Vorsatz ist unzulässig: im Zweifel ist von Fahrlässigkeit auszugehen




Das OLG Hamm (Beschluss vom 21.07.2004 - 2 Ss 178/04) hat entschieden, dass aus einer hohen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit nicht auf vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr geschlossen werden kann:

   Der Rückschluss von einer hohen BAK auf das Vorliegen von Vorsatz ist unzulässig: im Zweifel ist von Fahrlässigkeit auszugehen.

Siehe auch
Schuldform - Vorsatz und Fahrlässigkeit bei Alkoholtaten
und
Stichwörter zum Thema Alkohol

Aus den Entscheidungsgründen:


"... 1. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft tragen die tatsächlichen Feststellungen des AG noch die Verurteilung des Angekl. wegen einer vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 1 StGB. Das LG konnte daher diese tatsächlichen Feststellungen zur Grundlage seiner Verwerfungsentscheidung machen. Eine Abänderung des angefochtenen Urteils im Schuldspruch in der von der Generalstaatsanwaltschaft beantragten Form kam daher, da dieser durch die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß in Rechtskraft erwachsen ist, nicht in Betracht.




Das AG hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

   „Der Angekl. hatte am 7. 7. 2003 erheblich dem Alkohol zugesprochen, so dass er um 0.55 Uhr am 8. 7. 2003 bei einem Alkoholgehalt von 1,98 Promille absolut fahruntüchtig war. Trotzdem verfiel er auf den Einfall, mit dem Motorroller der Marke Piaggio über öffentliche Straßen in L zu fahren, um seinen Roller am Bahnhof abzustellen, weil er sich zuvor darüber geärgert hatte, dass mehrfach der Spiegel an seinem Roller abgebrochen worden war, nachdem er den in der Stadt geparkt hatte. Der Angekl. wusste, dass er Alkohol getrunken hatte und dass er nicht mehr fahrfähig sein werde. Er vertraute darauf, der Polizei nicht aufzufallen, der er indes schon durch die Ausfallerscheinungen, die seine Fahrweise zeitigte — er fuhr in starken Schlangenlinien —, auffiel. Durch die Polizei wurde der Angekl. am Weiterfahren gehindert."

Diese Feststellungen tragen noch die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr. Eine vorsätzliche Tatbegehung i. S. d. § 316 Abs. 1 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter seine Fahrunsicherheit kennt oder mit ihr zumindest rechnet und sie billigend in Kauf nimmt, gleichwohl aber am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 5. 8. 2002 in 2 Ss 498/02, VD 2002, 350 = VA 2002, 186 = DAR 2002, 565 = BA 2003, 56 = NZV 2003, 47 = NPA StGB § 316, 93 = zfs 2003, 257 m.w.N.). Ob dieses Wissen von der Fahruntauglichkeit als innere Tatseite nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung festgestellt ist, hat der Tatrichter unter Heranziehung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Täterpersönlichkeit, des Trinkverlaufs, dessen Zusammenhang mit dem Fahrtantritt sowie des Verhaltens des Täters während und nach der Tat zu entscheiden.




In dem Zusammenhang hat der Senat in Übereinstimmung mit der Rspr. der anderen hiesigen Strafsenate und der einhelligen übrigen obergerichtlichen Rspr. bereits wiederholt entschieden, dass vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr nicht bereits aus einer hohen BAK zur Tatzeit geschlossen werden kann (vgl. den vorgenannten Beschluss des Senats vom 5. 8. 2002 m.w.N.). Daran hält der Senat fest. Es gibt nämlich keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, sich seiner Fahrunsicherheit bewusst werde oder diese billigend in Kauf nehme (siehe auch Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 316 Rdn. 26 m.w.N.). Vielmehr müssen zu einer hohen BAK noch weitere Umstände hinzukommen, die den Schluss rechtfertigen, der Angekl. habe seine Fahruntüchtigkeit gekannt und dennoch am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen.

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