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OLG Bamberg Beschluss vom 14.07.2006 - 2 Ss OWi 853/05 - Bei AAK-Messungen mit Dräger Alcotest 7110 Evidential ist neben dem Messverfahren lediglich das Messergebnis im Mittelwert anzugeben

OLG Bamberg v. 14.07.2006: Bei AAK-Messungen mit Dräger Alcotest 7110 Evidential ist neben dem Messverfahren lediglich das Messergebnis im Mittelwert anzugeben




Das OLG Bamberg (Beschluss vom 14.07.2006 - 2 Ss OWi 853/05) hat entschieden:

  1.  Bei AAK-Messungen mit Dräger Alcotest 7110 Evidential ist - wenn weder konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung behauptet werden noch sonst ersichtlich sind - in den Urteilsgründen neben dem Messverfahren lediglich das Messergebnis im Mittelwert anzugeben.

  2.  Der Mitteilung der beiden Einzelmesswerte bedarf es nicht (in Abkehr von BayObLG NZV 2000, 295 ; NZV 2001, 524 ; NZV 2003, 393 /394), auch nicht zum "Ausschluss einer unzulässigen Aufrundung". Die Bildung des Mittelwerts aus den auf drei Dezimalstellen abgerundeten Einzelmesswerten entspricht den Vorgaben des Gesetzgebers und der Entscheidung des BGH vom 03.04.2001 (BGH NJW 2001, 1952).

Siehe auch
Atemalkohol - Atemalkoholtest
und
Stichwörter zum Thema Alkohol


Zum Sachverhalt:


Der Betroffene fuhr am 08.10.2004 um 0.51 Uhr mit dem PKW VW, amtliches Kennzeichen …, in B. auf der B-straße, obwohl er eine Alkoholmenge im Körper hatte, die zu einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr führte.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 21.03.2005 wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr führte, zu einer Geldbuße von 250 € und verhängte ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat.

Hiergegen wendete sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die erfolglos blieb.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Das Urteil gibt das zur Atemalkoholmessung verwendete Gerät mit Dräger Alcotest 7110 Evidential an und teilt den gemessenen Mittelwert von 0,25 mg/l mit. Dies ist - wenn konkreten Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vom Betroffenen nicht behauptet werden und auch ansonsten nicht ersichtlich sind - für die Darstellung in den Urteilsgründen ausreichend. Der Senat hält es in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG NZV 2000, 295 ; NZV 2001, 524 ; NZV 2003, 393 /394) sowie entgegen der Ansicht verschiedener Oberlandesgerichte (OLG Köln NZV 2001, 137 ; OLG Celle NStZ 2004, 323 ; OLG Brandenburg DAR 2004, 658 ; OLG Hamm 3. Senat DAR 2006, 339) und auch entgegen der Entscheidung des 3. Senates des OLG Bamberg vom 09.02.2006 (Beck RS 2006 Nr. 02600) nicht für erforderlich, darüber hinaus auch die beiden Einzelmesswerte - im Hinblick auf die Einhaltung deren höchstzulässiger Differenz sowie zum Ausschluss einer unzulässigen Mittelwertbildung durch Aufrundung - anzugeben. Er schließt sich insoweit der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Stuttgart (VRS 99, 286) und Hamm (2. Senat VRS 107, 386) an.

Bei der Bestimmung des AAK-Wertes mit einem nach seiner Bauart zugelassenen und geeichten Gerät des Typs Dräger Alcotest 7110 Evidential handelt es sich um ein sog. standardisiertes Messverfahren, bei dessen Anwendung nach der grundlegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 39, 291 /302) in der Regel die Angabe des Messverfahrens und des Messergebnisses in den Urteilsgründen genügt.




a) Die richterliche Kontrolle der Variationsbreite der Einzelmesswerte ist nicht notwendig. Durch die Konstruktion und Programmierung des Messgerätes ist gewährleistet, dass die Anforderungen der DIN VDE 0405 Teil 3 Ziffer 6.1 bezüglich der höchstzulässigen Differenz der Einzelwerte durch das Gerät selbst überwacht werden und bei Nichteinhaltung der einzelnen Bedingungen kein Endergebnis ermittelt, das heißt, kein Mittelwert gebildet wird, sondern eine entsprechende Fehlermeldung erfolgt (Lagois, Blutalkohol 2000, 77 /86/88; Knopf/Slemeyer/Klüß NZV 2000, 195 /197; vgl. die Gebrauchsanweisung für das Atemalkoholmessgerät Alcotest 7110 Evidential S. 16/17/28). Diese Auffassung wird auch von den Oberlandesgerichten Stuttgart, Düsseldorf und Dresden vertreten (OLG Stuttgart VRS 99, 286 /287; OLG Düsseldorf NZV 2002, 523 /524; OLG Dresden NStZ-RR 2005, 117 /118).

b) Aber auch zum Ausschluss einer unzulässigen Mittelwertbildung durch Aufrundung hält der Senat die Angabe der beiden Einzelmesswerte nicht für erforderlich. Das Gericht muss nicht die mit drei Dezimalstellen angegebenen beiden Einzelwerte zunächst abrunden, selbst den Mittelwert aus den zweistelligen Einzelwerten bilden und auf diese Weise den vom Messgerät errechneten Wert überprüfen und gegebenenfalls nach unten korrigieren (so aber OLG Hamm 3. Senat DAR 2006, 339 ; OLG Jena VRS 110, 32 /35).

aa) Im Zeitpunkt der erstmaligen Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt am 17.12.1998 bildete das Atemalkoholmessgerät Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III den Mittelwert aus den auf drei Nachkommastellen ermittelten Einzelmessergebnissen, gerundet nach mathematischen Grundsätzen auf zwei Nachkommastellen; bei einem Wert der dritten Dezimale ab 5 wurde also aufgerundet. Den hiergegen im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH (BGHSt 28, 1 ff) erhobenen Bedenken trug die Herstellerfirma durch Änderung der Software des Geräts Rechnung; die Bauartzulassung des Messgeräts wurde entsprechend geändert (vgl. Bode BA 2000, 134/137; Knopf/Slemeyer/Klüß NZV 2000, 195 /198). Seit der Software-Version Rev. 1.5 wird bei der Einzelmessung der jeweilige Messwert zunächst auf drei Dezimalstellen abgerundet und im Ausdruck angegeben. Sodann wird der Mittelwert aus diesen beiden 3-stelligen Einzelmessungen gebildet; im Ausdruck erscheint der auf zwei Dezimalstellen abgerundete Mittelwert (Lagois, BA 2000, 77/89; Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 18.05.2000 BA 2000, 243; s.a. OLG Stuttgart VRS 99, 286 /287; Information der Fa. Dräger Safety AG & Co. KGaA unter der Internet-Adresse http://www.draeger.com).




Genau diese Verfahrensweise entspricht den Anforderungen des von Prof. Dr. Schoknecht erstatteten Gutachtens des Bundesgesundheitsamtes zur „Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse“ (Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, hrsg. von der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft 86 [1992], im Folgenden: Gutachten). In Ziffer 3.7 des Gutachtens wird vorgeschrieben, welche Angaben in dem vom Atemalkoholmessgerät erstellten Ausgabeprotokoll im Hinblick auf die Beweissicherheit und damit für die Gerichtsverwertbarkeit der Atemalkoholanalyse insbesondere unverzichtbar sind:

  -  Mittelwert der AAK (2 Nachkommastellen gerundet), gebildet aus den beiden auf die Bezugstemperatur von 34° C umgerechneten AAK-Werten

  -  Uhrzeit der Einzelmessungen

  -  Ergebnis der einzelnen AAK-Messungen (drei Nachkommastellen), einschließlich der Volumen- und Temperaturangaben (jeweils eine Nachkommastelle)

Dieses Gutachten hat der Gesetzgeber bei der Einführung der Atemalkoholgrenzwerte in § 24 a Abs. 1 StVG zugrunde gelegt; hierbei hat er ausdrücklich vorgegeben, dass bei der Atemalkoholbestimmung nur Messgeräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten gestellten Anforderungen genügen (BT-Dr 13/1439 S . 4). Hierauf stützt sich schließlich auch die Entscheidung des BGH vom 03.04.2001 (NJW 2001, 1952 /1953) zur Bestimmung der Atemalkoholkonzentration unter Verwendung eines nach seiner Bauart zugelassenen und geeichten Messgerätes, wonach bei Wahrung der Bedingungen für ein gültiges Messverfahren der gewonnene Messwert ohne Sicherheitsabschläge verwertbar ist (BGH aaO S. 1956).

bb) Um die Atemalkoholanalyse als beweissicher forensisch anwenden zu können, hat der Gesetzgeber die Festlegung eines „eigenen“ Grenzwertes für die Alkoholkonzentration in der Atemluft für erforderlich gehalten (BT-Dr 13/1439 S . 4; BGH NJW 2001, 1952 /1953), der mit 0,25 mg/l Alkohol in der Atemluft auf die zweite Dezimalstelle zuverlässig zu bestimmen sein muss. Für deren Ermittlung ist die Verwendung der dritten Dezimalstelle erforderlich, die nach der durch das Messgerät Dräger Alcotest 7110 Evidential gewährleisteten Messauflösung zuverlässig und damit gerichtsverwertbar ermittelt werden kann. Der dritten Nachkommastelle bei der Atemanalyse wird sowohl national (DIN VDE 0405 - Teil 2) als auch international (OIML R 126) Bedeutung beigemessen, indem für beweissichere Messgeräte bei messtechnischen Untersuchungen (wie z.B. bei der Eichung) ein Modus gefordert wird, bei dem die Messauflösung 0,001 mg/l beträgt (Schoknecht, Rundungsproblematik bei der Atemalkoholanalyse, BA 2001, 349/350). Da sich eine Messung zur Eichung aber gerätetechnisch nicht von einer Messung im Praxiseinsatz unterscheidet, darf die dritte Nachkommastelle auch bei der Atemalkoholanalyse nicht abgeschnitten werden, um Verfälschungen der Messgenauigkeit zu vermeiden.

Ein weiterer Grund für die Auflösung der Einzelmesswerte bis zur dritten Nachkommastelle liegt in der forensisch erforderlichen Berücksichtigung der Atemtemperatur. Da - anders als bei der Blutalkoholkonzentration - die Atemalkoholkonzentration von der Körpertemperatur abhängt, sind die Einzelmesswerte auf eine Bezugstemperatur von 34°C umzurechnen (Gutachten Ziffer 3.3; Lagois BA 2000, 77/83). Die Atemtemperatur stellt eine wesentliche physiologische Einflussgröße dar und erfordert eine hohe Messgenauigkeit. So würde eine Temperaturänderung von 1°C eine Änderung der Konzentration von 6,58 % verursachen. Da die Atemtemperatur wesentlich genauer als 1°C gemessen wird, bedingt bereits die korrekte Berücksichtigung des Einflusses der Temperatur eine Messauflösung, die nur bei Berücksichtigung der dritten Nachkommastelle gegeben ist (Schoknecht BA 2001, 349/351).


Den Vorgaben des Gutachtens wurden zwischenzeitlich auch die DIN VDE 0405 Teil 2 - Anforderungen an beweissichere Atemalkoholmessgeräte - Ausgabe 2005-01 in Ziffer 5.1.1 angepasst (Schoknecht, Revision der Normen DIN VDE 0405 Teil 2 und Teil 4, NZV 2004, 177 /178). Das Atemalkoholmessgerät erhält die bauartbedingte Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt also nur, wenn es mit der Angabe von drei Dezimalstellen den zitierten DIN Normen entspricht.

cc) Das OLG Köln, das in seiner Entscheidung vom 05.01.2001 (NZV 2001, 137) die Vernachlässigung der dritten Dezimalstelle postuliert, beruft sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Blutalkoholanalyse aus dem Jahr 1978 (BGHSt 28, 1 ff = NJW 1978, 1930). Dort wird in Bezug auf die Bestimmung des BAK-Wertes ausgeführt: „Die dritte Dezimale indessen ist sowohl analytisch wie biologisch für die Feststellung der Blutalkoholkonzentration im Entnahmezeitpunkt ohne Bedeutung. ... Nach Heifer ist es 'schon aus naturwissenschaftlich-mathematischen und erst recht aus biologisch-medizinischen Gründen nicht möglich', einen BAK-Wert in der zweiten Dezimale als Zwischenwert zuverlässig zu ermitteln.“

Ob diese Aussage angesichts des technischen Fortschritts und der dadurch verfeinerten Messmethoden, die z.B. die Bestimmung eines THC-Gehaltes im Blut von weniger als 1 ng/ml (= 0,001 mg/l) erlauben (BVerfG NJW 2005, 349 ; OLG Zweibrücken 2005, 430), auch zum jetzigen Zeitpunkt noch aufrecht zu erhalten ist, bedarf hier keiner Erörterung. Zwischen der Blutalkoholanalyse und der Atemalkoholanalyse bestehen grundlegende Unterschiede. Die die damalige BGH-Rechtsprechung bestimmenden wissenschaftlichen Erkenntnisse können nicht auf die Atemalkoholbestimmung übertragen werden. Während bei der BAK eine Blutprobe mit zwei Verfahren mehrfach untersucht wird und die Einzelergebnisse in der dritten Dezimalstelle nicht gemessen werden, finden bei der AAK-Messung zwei voneinander unabhängige Atemtests statt, bei denen außer der mit drei Dezimalstellen gemessenen Alkoholkonzentration die Atemtemperatur, das Atemvolumen und die Expirationsdauer als weitere physiologische Größen gemessen werden und der Atemfluss kontinuierlich überwacht wird. (Schoknecht BA 2001, 349/350).



dd) Diese grundlegenden Unterschiede berücksichtigte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 03.04.2001 (BGH NJW 2001, 1952 /1955):

   „Durchgreifende Einwände gegen die forensische Verwertbarkeit der mit einem bauartzugelassenen und geeichten Atemalkoholtestgerät ermittelten AAK-Werte ohne Berücksichtigung allgemeiner Sicherheitsabschläge ergeben sich auch nicht aus den durch die Rechtsprechung des Senats entwickelten Standards für die Anforderungen an beweiskräftige BAK-Ergebnisse. Diese Qualitätsanforderungen an die Blutproben (arithmetischer Mittelwert aus fünf Einzeluntersuchungen zweier unterschiedlicher Messverfahren [Widmark und ADGH] bzw. aus vier Einzeluntersuchungen [je zwei und zwei] nach dem GV- und ADH-Verfahren) gehen auf das Gutachten des Bundesgesundheitsamtes „Alkohol bei Verkehrsstraftaten“ von 1966 (Gutachten, 1966, S. 41) zurück, das der Festlegung der „Beweisgrenzwerte“ der „absoluten“ Fahruntüchtigkeit i.S. der. §§ 315 c I Nr. 1 lit. a, 316 I StGB durch den Senat zu Grunde liegt (BGHSt 21, 157 = NJW 1967, 116 ; BGHSt 37, 89 = NJW 1990, 2393 = NStZ 1990, 491 = NZV 1990, 357). Insoweit zwang die Annahme eines den Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung bindenden medizinisch-naturwissenschaftlichen Erfahrungssatzes dazu, an das Vorliegen von dessen Voraussetzungen in Gestalt einer bestimmten BAK mit Blick auf den Zweifelsgrundsatz besonders hohe Anforderungen zu stellen. Zwar hat der Senat diese Qualitätsanforderungen auch für die Ermittlung der für den Bußgeldtatbestand des § 24 a StVG a.F. maßgebenden BAK bestätigt (BGHSt 28, 1 = NJW 1978, 1930). Doch lässt sich daraus nicht herleiten, dass der Gesetzgeber diese Standards auch für die Ermittlung von Grenzwerten vorgeben muss - und vorgegeben hat -, die zwar in einem inneren Zusammenhang mit den BAK-Werten stehen, aber davon unabhängig sind und auf Grund eines andersartigen Messverfahrens gewonnen werden ....“

Die seitens des OLG Köln in Anspruch genommene Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 1978 (BGHSt 28, 1) gilt demnach nicht für die Atemalkoholanalyse. Seit der oben zitierten Entscheidung des BGH vom 03.04.2001 (NJW 2001, 1952 ff) ist daher die Entscheidung des OLG Köln vom 05.01.2001 (NZV 2001, 137) überholt. Da sich der Senat im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH sieht, war eine Vorlage gemäß § 121 Abs. 2 GVG trotz der entgegenstehenden Entscheidungen der eingangs zitierten Oberlandesgerichte nicht veranlasst. ..."

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