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BGH Urteil vom 09.02.1971- VI ZR 132/69 - Mithaftungsanteil des unter Verletzung des Sichtfahrgebots Auffahrenden von 1/3 bei Auffahren auf unbeleuchtet liegengebliebenes und unbeleuchtetes Fahrzeug

BGH v. 09.02.1971: Mithaftungsanteil des unter Verletzung des Sichtfahrgebots Auffahrenden von 1/3 bei Auffahren auf unbeleuchtet liegengebliebenes und unbeleuchtetes Fahrzeug




Siehe auch
Auffahren auf Hindernisse
und
Stichwörter zum Thema Auffahrunfälle



Eine Haftungsquote von 2/3 zu Lasten eines bei Dunkelheit auf der BAB liegengebliebenen nicht ausreichend gesicherten Fahrzeugs bei mitwirkendem Verschulden des Auffahrenden hat der BGH (Urteil vom 09.02.1971- VI ZR 132/69) wie folgt begründet:


   " ... III. Im Rahmen des § 17 StVG erachtet das Berufungsgericht die Ersatzansprüche des Kl. entsprechend seinen Klageanträgen auf zwei Drittel seines Schadens gemindert.

1. Hierbei geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass nur erwiesene Umstände eingeworfen werden können. Dementsprechend legt es dieser Abwägung zugrunde, dass der Unfall für den Kl. nicht unabwendbar war und somit die Betriebsgefahr seines Kfz einzuwerfen ist. Darüber hinaus lastet es ihm auch ein Verschulden an. Nach seiner Auffassung ist der Kl. für die Reichweite des Abblendlichtes mit 80 bis 90 km/st entweder zu schnell oder nicht hinreichend aufmerksam gefahren.

2. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge berücksichtigt das Berufungsgericht, dass das Liegenbleiben nicht ordnungsgemäß mit Sicherungsleuchten gekennzeichneter Schwerlastfahrzeuge gerade für Schnellstraßen wie die BAB eine der gefährlichsten Unfallursachen darstellt.

Das Berufungsurteil weist darauf hin, dass die gesetzgeberische Entwicklung immer weiter gehende Sicherungsmaßnahmen durch ganz bestimmte Warneinrichtungen vorgeschrieben hat (Neufassung des § 53 a StVZO). Zu Lasten der Bekl. wirft es außerdem ein, dass die linke Rückleuchte des Sattelschleppers nicht in voller Stärke wie die rechte Leuchte brannte.

Demgegenüber hält das Berufungsgericht die Gefährdung durch den mit 80 bis 90 km/st herankommenden PKW für geringer. Ebenso wertet der Tatrichter das Verschulden des Zweitbekl. schwerer als das des Kl., das er allerdings auch als nicht leicht beurteilt. Das Berufungsurteil führt aus, wenn der Zweitbekl. keine ordnungsgemäßen Sicherungsleuchten mitgeführt und deshalb provisorische Ölleuchten habe aufstellen müssen, sei er zu ständigen Kontrollen dahin verpflichtet gewesen, ob sie nicht wegen Mangels an Brennstoff oder durch den Fahrtwind vorbeifahrender Fahrzeuge oder durch Witterungseinflüsse ausgingen. Lege man das eigene Vorbringen der Bekl. zugrunde, seien die (brennenden) Ölleuchten viel zu nahe hinter dem Sattelschlepper aufgestellt worden, zumal die zu warnenden Fahrer auch noch durch die 85 m vor dem Sattelschlepper kreuzende Überführung in der Sicht behindert gewesen seien.

3. Die Bedenken der Revision gegenüber der Schadenverteilung greifen nicht durch.

a) Das Berufungsgericht hat seiner Abwägung eine Geschwindigkeit des Kfz des Kl. von 80 bis 90 km/st zugrunde gelegt. Eine Geschwindigkeit von 120 km/st hat es nicht festzustellen vermocht. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Nach dem Vorbringen der Bekl. betrug die Geschwindigkeit des heranfahrenden PKW 100 bis 120 km/st. Sie haben in dem im letzten Verhandlungstermin des Berufungsverfahrens nachgelassenen Schriftsatz vom 10.3.1969 vorgetragen, der Kl. müsse schneller gefahren sein als 80 bis 90 km/st, wie aus den Unfallschäden zu schließen sei, und haben sich auf Sachverständigenbeweis berufen. Diesen Beweisantritt hält das Berufungsgericht für ungeeignet, weil die Unfallschäden kaum noch zu rekonstruieren seien und ein Sachverständiger aus ihnen eine Geschwindigkeit von 120 km/st nicht feststellen könne. Dem steht der Vermerk in der Verkehrsunfallanzeige nicht entgegen. Dort ist zwar niedergelegt, die Vorderfront sei bis zur Windschutzscheibe völlig eingedrückt. Diese Angabe ist aber für die genaue Feststellung der Unterschiedsgeschwindigkeit zu pauschal. Das wird besonders deutlich nach der Bekundung des Sohnes des Kl., der Motor sei nach dem Zusammenstoß noch gelaufen, er habe ihn erst abgestellt.

b) Das Berufungsgericht bejaht ein Verschulden des Kl. mit der Begründung, er habe den Sattelschlepper zu spät bemerkt und sei nicht mehr rechtzeitig links vorbeigefahren, weil er entweder für die Sichtweite des Abblendlichtes mit 80 bis 90 km/st zu schnell oder nicht mit hinreichender Aufmerksamkeit gefahren sei. Hiernach beruht der Unfall jedenfalls auch auf einem dem Kl. anzulastenden Umstand, ohne dass feststeht oder auch festzustellen wäre, welcher Umstand vorliegt. Es genügt, dass sich in jedem Fall das Verhalten des Kl. darin ausgewirkt hat, dass er den Sattelschlepper zu spät erkannte. Das hat der Tatrichter zu Lasten des Kl. in die Waagschale geworfen. Es ist nicht ersichtlich, wieso das rechtlich zum Nachteil der Bekl. fehlsam sein sollte...

Ist danach von einer Geschwindigkeit des Kl. von nur 80 bis 90 km/st auszugehen, so bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Kl. für die Verkehrsverhältnisse einer Autobahn geringer zu bewerten ist als die Betriebsgefahr, die von dem auf der Fahrbahn stehenden, nicht ausreichend gesicherten Lastzug ausging."

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