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OLG Köln Beschluss vom 30.07.1999 - Ss 343/99 B - Zur Informations- und Abgrenzungsfunktion der einzelnen Angaben im Bußgeldbescheid

OLG Köln v. 30.07.1999: Zur Informations- und Abgrenzungsfunktion der einzelnen Angaben im Bußgeldbescheid.




Das OLG Köln (Beschluss vom 30.07.1999 - Ss 343/99 B) hat entschieden:

   Gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG muss der Bußgeldbescheid die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit und die angewendeten Bußgeldvorschriften enthalten.

Siehe auch
Bußgeldbescheid und Einspruch im Ordnungswidrigkeitenverfahren
und
Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren

Zum Sachverhalt:


Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer "fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 41, 49 StVO, 4 Abs. 2, 69 a StVZO zu einer Geldbuße von 295,-- DM verurteilt und ihm gemäß § 25 StVG für die Dauer von einem Monat das Führen von Kraftfahrzeugen aller Art untersagt.

Mit seiner Rechtsbeschwerde rügte der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts, insbesondere das Fehlen eines inhaltlich ordnungsgemäßen Bußgeldbescheides.

Das Rechtsmittel blieb erfolglos.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die - bereits von Amts wegen vorzunehmende - Prüfung des Vorliegens der Verfahrensvoraussetzungen führt entgegen der Auffassung des Betroffenen nicht zur Feststellung eines Verfahrenshindernisses. Der dem Betroffenen zugestellte Bußgeldbescheid ist nicht mit so schwerwiegenden Mängeln behaftet, dass er als unwirksam gelten müsste und gemäß §§ 260 Abs. 3 StPO , 71 OWiG die Einstellung des Verfahrens hätte nach sich ziehen müssen (vgl. dazu Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 66 Rdnr. 38 m. w. Nachw.; Kurz, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, § 66 Rdnr. 38).

Darin ist die Tat des Betroffenen wie folgt beschrieben:

  1.  "Der/Die Betroffene hat am 22.07.1998, 09.51 in Köln, BAB 4, RF Köln zw. AK Gremberg und AD Heumar, BAB 3 RF Oberhausen, km 79,0 als Führer d. PKW Fabrikat: DB, Kennz.: ..., folgende Verkehrsordnungswidrigkeit(en) nach § 24 StVG begangen:

Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit mehrmals außerhalb geschlossener Ortschaft. Sie führten den vorgeschriebenen Führerschein nicht mit. Sie führten für das o.a. Fahrzeug keinen Fahrzeugschein mit.

Verl. Vorschr. §§ 41 (Zeichen 274), 49 StVO; Nr. 5.3 BKat., 4 (2), 69a StVZO, 24, 69a StVZO"


Mit diesem Inhalt bildet der Bußgeldbescheid eine ausreichende Verfahrensgrundlage, weil keine Zweifel über die Tatidentität möglich sind.




Gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG muss der Bußgeldbescheid "die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit und die angewendeten Bußgeldvorschriften" enthalten. Das entspricht den Anforderungen, die an die Anklageschrift ( § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO ) und den Strafbefehl ( § 409 Abs. 1 StPO ) gestellt werden. Dem Bußgeldbescheid kommt danach im Falle der Einspruchseinlegung auch dieselbe, nämlich doppelte, Bedeutung zu (vgl. BGHSt 23, 336 , 338 ff. = NJW 1970, 2222 : Kurz a.a.O. § 65 Rdnr. 5 f. m. w. Nachw.): Er dient zum einen der Bestimmung des Prozessgegenstandes und hat insoweit eine sog. Abgrenzungs- oder Umgrenzungsfunktion. Der Verfahrensgegenstand wird durch die Bezeichnung des Betroffenen und die Schilderung der Tat als des historischen Lebensvorgangs bestimmt, der dem Betroffenen zur Last gelegt werden soll. Die weiteren nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG aufzunehmenden Angaben, wozu auch die Angabe der gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit und der anzuwendenden Bußgeldvorschriften gehört, erfüllen eine Informationsfunktion. Der Betroffene soll durch sie in die Lage versetzt werden, sich sachgerecht zu verteidigen (BGH a.a.O.; Kurz a.a.O.; vgl. für das Strafverfahren: BayObLG wistra 1991, 195).


Versäumnisse allein in der Erfüllung dieser Informationsfunktion stellen keinen wesentlichen Mangel dar und berühren daher die Wirksamkeit - im Sinne der Eignung als Grundlage für das weitere Verfahren - nicht (BGH a.a.O.; Kurz a.a.O. § 66 Rdnr. 43; vgl. für das Strafverfahren: BayObLG wistra 1991, 195 m. w. Nachw.; MDR 1992, 889 , 890; Rieß, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 200 Rz. 58; Tolksdorf, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 200 Rdnr. 23). Mängel in der Bezeichnung der Tat, die deren Abgrenzung von anderen historischen Vorgängen nicht in Frage stellen, sondern nur die Vorbereitung der Verteidigung des Betroffenen erschweren, beeinträchtigen die Rechtswirksamkeit des Bußgeldbescheides nicht. Sie können entgegen der vorliegend vertretenen Sichtweise des Betroffenen - etwa durch Akteneinsicht des Verteidigers oder durch Erläuterungen in der Hauptverhandlung - behoben werden.

Wesentlich für die Bedeutung des Bußgeldbescheids als Prozessvoraussetzung ist nur die Erfüllung der Abgrenzungsfunktion. Zur Unwirksamkeit führen demgemäß nur Unzulänglichkeiten, die sich darauf nachteilig auswirken (BGH a.a.O.; Rieß a.a.O. § 207 Rz. 56 m. w. Nachw.), wenn also die Aufgabe, den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen und damit auch den Umfang der Rechtskraft zu bestimmen, nicht erfüllt wird ( BGHSt 23, 336 , 338 ff. = NJW 1970, 2222 ; BayObLG NZV 1998, 515 = VRS 96, 45 ; VRS 88, 58 ; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 372 = VRS 96, 43 ; VRS 92, 36 ). In dieser Hinsicht ist erforderlich, dass nach dem Inhalt des Bußgeldbescheids keine Zweifel über die Identität der Tat entstehen können, dass also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll. Der Sachverhalt ist als geschichtlicher Vorgang so konkret zu schildern, dass nicht unklar bleiben kann, über welchen Sachverhalt das Gericht urteilen und gegen welchen Vorwurf sich der Betroffene verteidigen soll (BayObLG NZV 1998, 515 = VRS 96, 45 m. w. Nachw.).

Dabei kann die erforderliche Konkretisierung auch mit Hilfe des Akteninhalts gewonnen werden (BayObLG NZV 1998, 515 = VRS 96, 45 m. w. Nachw.; VRS 88, 58 , 60 m. w. Nachw.; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 372 = VRS 96, 43 ; Göhler a.a.O. § 66 Rdnr. 39a). Im einzelnen ist für das Maß der gebotenen Bestimmtheit darauf abzustellen, wie wahrscheinlich es ist, dass der Betroffene zu der angegebenen Zeit und in dem angegebenen Raum weitere gleichartige Ordnungswidrigkeiten verübt hat und eine Verwechslungsgefahr besteht ( BGHSt 23, 336 , 338 ff. = NJW 1970, 2222 ; Kurz a.a.O. § 66 Rdnr. 43).



Davon ausgehend ist die Wirksamkeit des vorliegenden Bußgeldbescheids als Verfahrensgrundlage nicht in Frage gestellt. Denn durch die konkrete Bezeichnung des Tatzeitpunkts, des Orts und der Strecke der Tatbegehung, des benutzten Fahrzeugs und der Art der zur Last gelegten Ordnungswidrigkeiten sind ausreichende Unterscheidungsmerkmale vorhanden, die eine Verwechslung mit anderen denkbaren Verkehrsverstößen ausschließen. Problematisch hätte dies nur sein können, wenn es (wie im Fall des BayObLG NZV 1998, 515 = VRS 96, 45 , 46) während der - nach Zeit, Strecke und benutztem Fahrzeug - konkret bezeichneten Fahrt zu mehreren Taten im prozessualen Sinne - etwa durch zwischenzeitlichen, nicht verkehrsbedingten Stillstand des Fahrzeugs (vgl. BayObLG a.a.O. m. w. Nachw.) - hätte gekommen sein können. Das aber ist sowohl nach den Urteilsfeststellungen als auch nach dem Akteninhalt auszuschließen. Weitere Angaben - namentlich zum Umfang der vorgeworfenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - waren zur Umgrenzung der Tat als geschichtlichem Vorgang nicht erforderlich (vgl. OLG Oldenburg OLGSt. § 66 OWiG S. 3: Vorwurf des Überladens um mehr als 10% ohne Nennung des zulässigen und des festgestellten Gesamtgewichts), zumal der Betroffene am Tatort angehalten und unter Vorspielen des im Bußgeldbescheid als Beweismittel angeführten Videobandes mit dem Vorwurf konfrontiert worden war. ..."

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