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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss vom 16.05.2007 - 7 L 403/07 - Zum Entzug der Fahrerlaubnis wegen Versäumung des Drogenscreenings und zum Passivkonsum

VG Gelsenkirchen v. 16.05.2007: Zum Entzug der Fahrerlaubnis wegen Versäumung des Drogenscreenings und zum Passivkonsum




Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Beschluss vom 16.05.2007 - 7 L 403/07) hat entschieden:

  1.  Der Entzug der Fahrerlaubnis, der darauf beruht, dass der Betroffenen sich nicht innerhalb der von der FE-Behörde gesetzten Frist einem Drogenscreening unterzogen hat, ist rechtmäßig.

  2.  Passivrauchen bewirkt unter realistischen Bedingungen weder eine Cannabiswirkung noch forensisch relevante Blut- und Urinkonzentrationen. Unerheblich für Fragen der präventiven Gefahrenabwehr, bei der es nicht auf den Grundsatz „in dubio pro reo" ankommt, ist, ob und unter welchen - möglicherweise unrealistischen - Bedingungen THC-Konzentrationen bei passivem Konsum von Cannabis forensisch nicht gesichert ausgeschlossen werden können.


Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Antrag,

   die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 3. April 2007 wiederherzustellen,

ist gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, aber unbegründet.

Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung, durch die dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen in der angefochtenen Verfügung, denen sie folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).

Zusammengefasst beruht die Entziehungsverfügung darauf, dass der Antragsteller sich dem zu Recht angeordneten Drogenscreening nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist von acht Tagen unterzogen hat. Die entsprechende Anordnung vom 10. Januar 2007 ist ihm am 11. Januar 2007 zugestellt worden. In der Anordnung hat der Antragsgegner mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass die Blutentnahme und Urinabgabe unbedingt innerhalb von acht Tagen erfolgen müsse, um aussagekräftige Ergebnisse zu ermöglichen. Andernfalls hat es nämlich der Betreffende in der Hand, durch Verzögerungen den Abbau sonst nachweisbarer Spuren von Betäubungsmitteln abzuwarten. Der Antragsteller ist auch eindringlich darauf hingewiesen worden, dass ihm gemäß §11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis entzogen werde, wenn er das Gutachten nicht fristgerecht beibringe, was voraussetzt, dass zunächst die Probenahme fristgerecht erfolgt.

   Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 15. März 2002, - 19 B 405/02 -, VRS 105 (2003), 158 = DAR 2003, 283.

Der Antragsteller hat sich jedoch erst am 24. Januar 2007 zur Blut entnehmen lassen und Urin abgegeben. Das darüber erstellte Gutachten des Prof. Dr. med. C. (Institut für Rechtsmedizin der Universität N. ) vom 8. Februar 2007 weist daher auch darauf hin, dass die Beurteilung der Blutprobe nur eingeschränkte Gültigkeit habe, weil der Antragsteller nicht innerhalb von acht Tagen zur Blutentnahme erschienen sei.

Auch wenn es hierauf rechtlich nicht (mehr) ankommt, ist darauf hinzuweisen, dass selbst diese verzögerte Blutprobe noch ergeben hat, dass der Antragsteller zeitnah zur Blutentnahme letztmalig Cannabis konsumiert hatte und dass bei ihm von einem erheblichen Konsum mit Verdacht auf regelmäßigen Konsum ausgegangen werden kann. Sein Einwand, dies rühre von Passivrauchen am Vorabend her, muss als Schutzbehauptung gewertet werden. Passivrauchen bewirkt nämlich unter realistischen Bedingungen weder eine Cannabiswirkung noch forensisch relevante Blut- und Urinkonzentrationen.

   Vgl. Madea, Mußhoff, Berghaus, Verkehrsmedizin, Köln 2007, S. 482; Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme, www.sfa-ispa.ch, Suchworte: Passivrauchen und Cannabis, Archivbeitrag vom 03.09.2002; Krause, Nachgewiesene THC-Konzentration durch Passiv- Rauchen von Cannabis?, DAR 2006, 175.

Unerheblich für Fragen der präventiven Gefahrenabwehr, bei der es nicht auf den Grundsatz „in dubio pro reo" ankommt, ist, ob und unter welchen - möglicherweise unrealistischen - Bedingungen THC-Konzentrationen bei passivem Konsum von Cannabis forensisch nicht gesichert ausgeschlossen werden können.

   Vgl. hierzu Krause, a.a.O.

Die Anordnung der Beibringung des Gutachtens war auch rechtmäßig. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt. Der Antragsteller hatte auch angegeben, dass die bei ihm aufgefundenen Cannabisprodukte zum Eigenkonsum bestimmt waren und darüber hinaus gute Kenntnisse über Bezugsquellen und Qualitäten gezeigt. Vor diesem Hintergrund sind Ermessensfehler bei der Anordnung, die Konsumgewohnheiten des Antragstellers aufzuklären und dem Verdacht nachzugehen, dass er regelmäßig Cannabis konsumiert, nicht ersichtlich.

   Vgl. hierzu OVG NRW, a.a.O.

Angesichts der feststehenden Ungeeignetheit des Antragstellers - bei diesem Sachverhalt steht die Entziehung nicht im Ermessen der Behörde - bestehen auch keine Bedenken an der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung. Die damit verbundenen beruflichen und privaten Schwierigkeiten hat der Antragsteller hinzunehmen, weil gegenüber seinen Interessen das Interesse am Schutz von Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer eindeutig überwiegt. ..."

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