Wenn ein Betroffener wissentlich Cannabis zu sich nimmt und danach ein Fahrzeug führt, ist die Annahme, die Droge sei zwischenzeitlich abgebaut und deshalb nicht mehr nachweisbar bzw. nicht mehr wirksam, als Fehlvorstellung über die Dauer der Wirkung grundsätzlich unerheblich. Denn ein Kraftfahrer muss die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen ebenso wie atypische Rauschverläufe in Rechnung stellen (hier: 44,7 ng/ml aktives THC).
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"Eine verfassungskonforme Anwendung erfordert, dass eine Wirkung im Sinne des § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG nur angenommen werden kann, wenn die betreffende Substanz in einer Konzentration nachweisbar ist, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt und damit die in § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG aufgestellte gesetzliche Vermutung rechtfertigt, was dann der Fall ist, wenn im Blut des Betroffenen eine THC-Konzentration von 1 ng/ml nachgewiesen wird (BVerfG StV 2005, 383, 385). Dieser Grenzwert war beim Betroffenen weit überschritten. Da 1.000 ng (Nanogramm) 1 (µg (Mikrogramm) ergeben, sind 0,0447 µg = 44,7 ng. Der Betroffene wendet sich zwar gegen die Richtigkeit der Rechnung des Amtsgerichts, der vom Bundesverfassungsgericht für die Anwendbarkeit des § 24a Abs. 2 aufgestellte Grenzwert von 1 Nanogramm THC pro Milliliter Blut sei um etwa das 44-fache überschritten; allerdings ohne den behaupteten mathematischen Fehler zu konkretisieren. Die Rechnung des Amtsgerichts ist richtig. Bei einer 44-fachen Überschreitung der vom Bundesverfassungsgericht für eine THC-Beeinflussung festgesetzten Erheblichkeitsschwelle war der Betroffene ungeachtet dessen, dass er zwischen Cannabiskonsum und Führen des PKW's eine Nacht geschlafen hatte, nicht ausschließbar in seiner Fähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen beeinträchtigt. Eine sichere Feststellung einer Beeinträchtigung der Fahrsicherheit erfordert das objektive Tatbestandsmerkmal des § 24a Abs. 2 StVG „unter der Wirkung" nicht (OLG Zweibrücken NJW 2005, 2168). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll der Nachweis der in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten Substanzen, zu denen THC gehört, die Annahme indizieren, dass das Rauschmittel auf den Kfz-Führer so einwirkt, dass die der Ordnungswidrigkeitenvorschrift zugrunde liegende Annahme einer abstrakten Verkehrsgefährdung eingetroffen und eine Sanktionierung nach dieser Vorschrift gerechtfertigt ist (BVerfG StV 2005, 383, 385). Diese gesetzgeberische Intention hat das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) gebilligt und allein wegen der immer besseren technischen Möglichkeiten des Nachweises von kleinsten Rückständen eines längere Zeit zurückliegenden Rauschmittelkonsums im Lichte des aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit die Festsetzung eines Grenzwertes für geboten erachtet. Im vorliegenden Fall hat das AG Bremerhaven die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt, so dass es auf den Grenzwert des § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG, bis zu dem die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen in der Regel nicht zu berücksichtigen sind, nicht ankommt. Seit Anhebung des Schwellenwertes für die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde auf 250,- € (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung ganz überwiegend mindestens dieser Betrag als Geringfügigkeitsgrenze im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG angesehen (vgl. BayObLG DAR 2004, 593; OLG Frankfurt a.M. ZfSch 2004, 283; OLG Thüringen VRS 108, 220 und 269). Eine noch eingehendere Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen, etwa noch zur Höhe der von ihm monatlich für die Unterhaltung seines PKW's aufgewendeten Kosten, war deshalb auf keinen Fall geboten. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG kann einem Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, die er unter grober Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer begangen hat und wegen der eine Geldbuße festgesetzt worden ist, für die Dauer von einem bis zu drei Monaten verboten werden, Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art im Straßenverkehr zu führen. Wird gegen den Betroffenen - wie hier - wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG eine Geldbuße festgesetzt, so ist in der Regel auch ein Fahrverbot anzuordnen (§ 25 Abs. 1 Satz 2 StVG). Ein Absehen vom Fahrverbot kommt nur in Betracht, wenn die Tatumstände so aus dem Rahmen üblicher Begehungsweisen fallen, dass die Vorschrift über das Regelfahrverbot offensichtlich nicht darauf zugeschnitten ist oder die Anordnung eine Härte ganz außergewöhnlicher Art bedeuten würde (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 25 Rn. 18). Beides ist nicht der Fall. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht angesichts der 44-fachen Überschreitung des THC-Grenzwertes sich mit der Feststellung begnügt hat, dass Gründe für ein Absehen vom Regelfall nicht ersichtlich sind. Ohnehin wäre ein Absehen vom Fahrverbot nur bei angemessener Erhöhung der Geldbuße möglich gewesen (§ 4 Abs. 4 BKatV), was den Betroffenen nach seinem eigenen Rechtsbeschwerdevorbringen viel härter als ein Fahrverbot getroffen hätte. Letzteres trifft ihn nämlich überhaupt nicht, weil ihm nach seinem Vortrag vom Landkreis Osterholz-Scharmbeck als zuständiger Verwaltungsbehörde zwischenzeitlich die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen wurde. So beginnt das Fahrverbot mit Rechtskraft des Urteils vom 29.09.2005 zu laufen, da das Amtsgericht Bremerhaven eine Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG nicht getroffen hat. Ob eine solche Anordnung hätte getroffen werden müssen, ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen nicht, ohne dass der Betroffene dadurch beschwert wäre. Denn wenn er ohnehin nicht (mehr) im Besitz einer Fahrerlaubnis ist und sich sein Führerschein bereits in amtlicher Verwahrung befindet, kann ihm nicht die Möglichkeit gegeben werden, über den Beginn des Fahrverbots innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten selbst zu disponieren, indem er seinen Führerschein zu einem selbst gewählten Zeitpunkt in amtliche Verwahrung gibt." |