Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Bamberg Beschluss vom 08.08.2005 - 2 Ss OWi 551/05 - Zur Annahme einer berauschten Fahrt nach Drogenkonsum

OLG Bamberg v. 08.08.2005: Zur Annahme einer berauschten Fahrt nach Drogenkonsum




Das OLG Bamberg (Beschluss vom 08.08.2005 - 2 Ss OWi 551/05) hat entschieden:

  1.  § 24a Abs. 2 StVG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine Konzentration von weniger als 1,0 ng/ml im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG nicht ausreicht.

  2.  Auch bei weniger als 1,0 ng/ml THC kommt auch bei Hinzutreten von Ausfallerscheinungen keine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG in Betracht, weil es bei diesem abstrakten Gefährdungsdelikt als Auffangtatbestand zu §§ 316, 315 c Abs. 1 Nr. 1 StGB gerade nicht darauf ankommt, ob beim Kraftfahrer verkehrsrelevante Beeinträchtigungen auftreten und nachgewiesen werden können.

  3.  Für die Feststellung rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit nach § 316 StGB reicht eine verlangsamte Pupillenreaktion nicht aus.


Siehe auch
Rauschfahrt - drogenbedingte Fahruntüchtigkeit
und
Stichwörter zum Thema Drogen

Zum Sachverhalt:


Das AG verurteilte den Betr. am 13. 12. 2004 wegen fahrlässigen Führens eines Kfz unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG genannten berauschenden Mittels zu einer Geldbuße von 500 € und einem Fahrverbot von 3 Monaten.

Das AG hat festgestellt:

   "2004 um 18:15 fuhr der Betr. mit dem Pkw auf der B 19. Zum Zeitpunkt dieser Fahrt stand der Betr. unter der Wirkung des berauschenden Mittels THC-Tetrahydrocannabinol. Eine beim Betr. am Tattag um 18:36 entnommene Blutprobe ergab, dass sich im Blut des Betr. THC-Tetrahydrocannabinol in einer Konzentration von 0.8 ng/ml und THC-Carbonsäure in einer Konzentration von 8.4 ng/ml befunden hatte. Bei Anspannung der dem Betr. möglichen und zumutbaren Sorgfalt hätte dieser erkennen können und müssen, dass er das Kfz unter der Wirkung eines berauschenden Mittels führte."

Zur rechtlichen Würdigung führt das AG im Wesentlichen aus, die Verurteilung verstoße nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze, weil vom „blutanalytischen Wirkstoffnachweis” nur Konzentrationen erfasst würden, die deutlich oberhalb des Nullwertes lägen. Die beim Betr. festgestellte Wirkstoffkonzentration sei zwar im untersten Bereich der Nachweisfähigkeit angesiedelt. Dies könne jedoch nicht dazu führen, der Intention des Gesetzgebers zuwider einen Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG zu verneinen, zumal von der Polizei beim Betr. eine verlangsamte Pupillenreaktion festgestellt worden sei.

Die Rechtsbeschwerde des Betr. führte zum Freispruch.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig unter der Wirkung eines der in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kfz führt.

... Die Feststellungen des AG tragen den Schuldspruch wegen einer Zuwiderhandlung gegen § 24a Abs. 2 und 3 StVG nicht.

Nach dem Beschluss des BVerfG vom 21. 12. 2004 (BVerfG Beschluss vom 21. 12. 2004, 1 BvR 2652/03, NJW 2005, 349 ff, ergangen also erst nach Verkündung des angegriffenen Urteils) ist § 24a Abs. 2 StVG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass nicht mehr jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG ausreicht. Festgestellt wer-den muss vielmehr eine Konzentration, die entsprechend dem Charakter der Vorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Dies ist nach den neuen Erkenntnissen der Wissenschaft erst bei einer Konzentration ab 1,0 ng/ml THC der Fall (BVerfG a.a.O. S. 351).

Beim Betr. wurde nach den Ausführungen des AG eine THC-Konzentration von lediglich 0,8 ng/ml festgestellt, mit-hin eine Konzentration von weniger als 1,0 ng/ml.



Die vom Tatrichter angesprochene, von den Polizeibeamten beim Betr. festgestellte verlangsamte Pupillenreaktion kann weder zu einer Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG noch nach § 316 StGB führen.

Auch bei Hinzutreten von Ausfallerscheinungen käme vorliegend eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG nicht in Betracht, weil es bei diesem abstrakten Gefährdungsdelikt als Auffangtatbestand zu den §§ 316, 315 c Abs. 1 Nr. 1 StGB gerade nicht darauf an-kommt, ob beim Kraftfahrer verkehrsrelevante Beeinträchtigungen auftreten und nachgewiesen werden können (BVerfG a.a.O. S. 350, OLG Zweibrücken Beschluss vom 13.4.2005, DAR 2005, 408).

Für die Feststellung rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit i.S.d. § 316 StGB reicht eine verlangsamte Pupillenreaktion nicht aus (OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 17 f; OLG Koblenz NStZ-RR 2005, 245). ..."

- nach oben -



Datenschutz    Impressum