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OLG Düsseldorf Urteil vom 28.12.1994 - 1 U 263/93 - Zu den qualitativen Anforderungen an eine Reparatur in Eigenregie

OLG Düsseldorf v. 28.12.1994: Zu den qualitativen Anforderungen an eine Reparatur in Eigenregie




Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 28.12.1994 - 1 U 263/93) hat entschieden:

   Der Geschädigte, der sein beschädigtes Kraftfahrzeug selbst repariert und die über dem Wiederbeschaffungswert liegenden fiktiven Reparaturkosten einer ordnungsgemäßen Werkstattreparatur ersetzt verlangt, muss darlegen, dass er die Reparatur sach- und fachgerecht durchgeführt hat.

Siehe auch
Eigenreparatur - Reparaturdurchführung in Eigenregie
und
Stichwörter zum Thema Schadensersatz und Unfallregulierung

Gründe:


Die zulässige Berufung hat in der Sache selbst überwiegend Erfolg.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der restliche Fahrzeugschaden des Klägers nur in Höhe von 1.300 DM erstattungsfähig. Denn der Kläger darf nicht auf der Basis der fiktiven Reparaturkosten abrechnen. Er kann nur die Wiederbeschaffungskosten ersetzt verlangen.

Die vom Kläger für seine Schadensberechnung ins Feld geführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.03.1992 (NJW 1992, 1618 = VersR 1992, 710 = JZ 1992, 805 mit Anm. Grunsky = r + s 1992, 198 m.Anm. Lemcke) steht dem nicht entgegen. Richtig ist allerdings, dass der BGH in diesem Urteil Reparaturkosten, die - wie im vorliegenden Fall - über den Wiederbeschaffungswert hinausgehen, aber noch innerhalb des Toleranzbereiches von bis zu 130 % liegen, auch dann für ersatzfähig gehalten hat, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug in eigener Regie wieder instand gesetzt hat. Dass der sogenannte Integritätszuschlag im Falle einer Eigenreparatur stets zu gewähren ist, kann dieser Entscheidung indes nicht entnommen werden. Das Landgericht hat dies im Ausgangspunkt nicht anders gesehen, anderenfalls hätte es über die Qualität der Reparaturarbeiten keinen Beweis durch Einholung eines Gutachtens erhoben. Es hat dem Sachverständigen S. die Frage vorgelegt, ob das Fahrzeug des Klägers, ein Daimler Benz 260 SE, Erstzulassung 07.01.1986, nach der Eigenreparatur wieder in einem "fahr- und verkehrssicheren Zustand" ist. Diese Frage hat der Sachverständige nach eingehender Untersuchung, Vermessung und Probefahrt ohne Einschränkung bejaht. Allerdings hat er auch auf eine Reihe von Mängeln bei den Karosseriearbeiten hingewiesen. Insoweit hat er sein Untersuchungsergebnis dahin zusammengefasst, dass das Fahrzeug bezüglich der Einpassung und Positionierung der Außenkarosserieteile sowie der Formgebung der Innenkarosserieteile, insbesondere im linken Bereich, nicht ordnungsgemäß wiederhergestellt sei. Dessen ungeachtet ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger mit dieser Art von Eigenreparatur sein Integritätsinteresse nachgewiesen habe.




Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Berufung sind berechtigt. Nach Ansicht des Senats kann dem Kläger unter den gegebenen Umständen nicht das Privileg eingeräumt werden, seinen Fahrzeugschaden auf der Basis der privatgutachterlich geschätzten Reparaturkosten abzurechnen. Diese liegen mit 21.197,99 DM deutlich über dem Wiederbeschaffungswert von unstreitig 19.800 DM. Ein um ca. 1.400 DM höherer Reparaturkostenaufwand ist streng genommen unwirtschaftlich und damit an sich nicht erstattungsfähig. Nur derjenige Geschädigte, der durch eine fachgerechte Reparatur des Unfallschadens sein Interesse an dem Erhalt seines Fahrzeugs nachgewiesen hat, darf diese Wirtschaftlichkeitsgrenze überschreiten und Reparaturkosten, die innerhalb des Toleranzbereichs von bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes liegen, ersetzt verlangen (BGHZ 115, 364 = NJW 1992, 302; BGH NJW 1992, 1618).

Welche Anforderungen an die Reparatur, insbesondere an eine Eigenreparatur, zu stellen sind, um eine schutzwürdige Wahrnehmung des Integritätsinteresses bejahen zu können, hat der BGH bislang offengelassen. Nach Auffassung des 15. Senats des hiesigen Oberlandesgerichts kann ein Geschädigter Erstattung von Reparaturkosten, die bis zu 30 % über die Ersatzbeschaffungskosten hinausgehen, nur verlangen, wenn er sein Fahrzeug entsprechend der Kalkulation des Sachverständigen in einen dem früheren Zustand qualitativ und quantitativ gleichwertigen Zustand versetzen lässt (OLG Report 1994, 192). Eine Billig- oder Notreparatur soll nicht genügen. In diese Richtung geht auch die Entscheidung des 6. Senats des OLG Hamm vom 22. April 1993 (NZV 1993, 432 = r + s 1993, 379). Hiernach soll der Integritätszuschlag von dem Nachweis abhängig sein, dass der Geschädigte sein Fahrzeug fachgerecht in den früheren Zustand gesetzt hat oder hat setzen lassen, um es weiter zu benutzen. Werde dagegen nur eine Teil- oder Billigreparatur durchgeführt, durch die zwar die Fahrbereitschaft, nicht aber der frühere Zustand es Fahrzeugs wiederhergestellt werde, so sei der zu ersetzende Geldbetrag anhand der wirtschaftlich günstigsten Möglichkeit zu ermitteln. Das ist auch der Standpunkt von Lemcke, vgl. r + s 1992, 234; r + s 1994, 68. Auch von Gerlach weist darauf hin, dass der Geschädigte durch die Vornahme einer Teil- oder Billigreparatur sein Interesse an dem Erhalt seines Fahrzeugs nicht nachgewiesen habe (DAR 1993, 202, 203 ; siehe auch Freundorfer, VersR 1992, 1332, 1334 <"vollständige und fachgerechte Reparatur">).

Der erkennende Senat stimmt dieser Ansicht jedenfalls in der Tendenz zu. Nur oder nahezu ausschließlich auf die Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit des Unfallfahrzeugs abzuheben, wobei die Einzelelemente - Fahrbereitschaft, Betriebssicherheit und Verkehrssicherheit - gesonderter Prüfung bedürften, stellt in der Tat eine verkürzte Sicht des Integritätsinteresses dar. Dieses erschöpft sich nicht in dem bloßen Nutzungsinteresse. Es umfasst darüber hinaus auch das Sachsubstanzinteresse, welchem insbesondere bei Personenkraftwagen ein besonderes, nicht immer gleich starkes Gewicht zukommt. Unter diesem Aspekt erscheint es gerade im Fall der Eigenreparatur eines PKW gerechtfertigt, das Arbeitsergebnis auch im Hinblick auf dessen Qualität und Vollständigkeit in den Blick zu nehmen.


Ob und gegebenenfalls welche Reparaturdefizite bei einer Eigenreparatur der Gewährung des Integritätszuschlags entgegenstehen, ist eine Frage des Einzelfalles. Gegen eine schematische Handhabung spricht ohnehin der Umstand, dass das Integritätsinteresse in seiner oben beschriebenen Ausprägung durchaus verschieden stark sein kann (so auch OLG München, DAR 1989, 419 in einem Fall, in dem der Geschädigte sein Fahrzeug überwiegend selbst, letztlich aber ordnungsgemäß repariert hatte). Im vorliegenden Fall hat der Kläger keine Umstände vorgetragen, die geeignet wären, sein Integritätsinteresse trotz der von dem Sachverständigen S. festgestellten Reparaturmängel für schutzwürdig zu erachten. Dabei verkennt der Senat nicht, dass es sich bei dem PKW des Klägers um ein Fahrzeug der Oberklasse handelt, dem der Sachverständige D. M. vom T. R. in dem Schadensgutachten vom 23. Juni 1992 einen guten Allgemeinzustand bescheinigt hat. Irgendwelche Vorschäden konnten nicht festgestellt werden. Der Senat hat auch berücksichtigt, dass der Kläger sein Integritätsinteresse insoweit dokumentiert hat, als er sein Fahrzeug nach dem Unfall tatsächlich weiterbenutzt hat. Das ergibt sich aus den Kilometerständen, die der Sachverständige S. notiert hat. Auf der anderen Seite ist nicht zu übersehen, dass das Fahrzeug des Klägers ein in großen Stückzahlen gebauter und entsprechend marktgängiger Typ ist. Sein Interesse am Behalten gerade dieses, zur Unfallzeit immerhin schon sechs Jahre alten und über 120.000 km gelaufenen PKW, für den er auf dem Gebrauchtwagenmarkt ohne weiteres einen gleichwertigen Ersatz hätte finden können, ist um so weniger dargetan, als nähere Einzelheiten zur Eigenreparatur nicht mitgeteilt werden. Es heißt lediglich, der Kläger habe sein Fahrzeug "weitgehend selbst repariert". Nur einzelne Arbeiten, die er selbst nicht habe durchführen können, habe er anderweitig ausführen lassen. Als Beispiel hat er auf eine elektronische Vermessung durch die Firma A. B. GmbH & Co. KG verwiesen. Für diese Arbeit hat er lediglich 85,73 DM bezahlt. Wer die eigentlichen Reparaturarbeiten durchgeführt hat, ist unbekannt. Der Kläger hat auch nicht dargetan, ob er Originalersatzteile eingebaut hat bzw. hat einbauen lassen. Auch insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der der Entscheidung BGH NJW 1992, 1618 zugrundeliegt. In dem Fall, den der BGH entschieden hat, hatte der Geschädigte, von Beruf Kfz.- Mechaniker, den Unfallwagen in eigener Regie in der Werkstatt seines Arbeitgebers repariert. Für die Instandsetzung verwendete er Ersatzteile, die er mit Rabatt über seinen Arbeitgeber bezogen hatte. In Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte muss davon ausgegangen werden, dass die Reparaturarbeiten - anders als beim PKW des Klägers - sach- und fachgerecht durchgeführt worden sind.

Um das Integritätsinteresse des Klägers richtig einschätzen zu können, hätte er auch darlegen müssen, seit wann er Eigentümer des Fahrzeugs ist. Sollte er es erst verhältnismäßig kurze Zeit vor dem Unfall erworben haben, hätte sein Integritätsinteresse ein geringeres Gewicht als im Falle einer langjährigen Besitzdauer. Eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die beabsichtigte Restnutzungsdauer. Auch dazu fehlt hinreichender Sachvortrag.

Ist dem Kläger nach allem die Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf der Basis der gutachterlich geschätzten Reparaturkosten verwehrt, so muss es bei einem genauen Vergleich der Kosten für die beiden in Frage kommenden Formen der Schadensbehebung (Reparatur oder Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges) bleiben. Bei diesem Kostenvergleich ist freilich der Restwert zu berücksichtigen, d.h. der Kläger kann nicht etwa (fiktive) Reparaturkosten in Höhe des reinen Wiederbeschaffungswertes ersetzt verlangen. Vielmehr hat die Abrechnung auf Totalschadensbasis zu erfolgen, wobei der Restwert zu seinen Lasten anzusetzen ist (OLG Düsseldorf <15. Zivilsenat>, OLG Report 1994, 192; OLG Hamm NZV 1993, 432). Der Restwert kann nur außer Betracht bleiben, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug in einer sein Integritätsinteresse wahrenden Art tatsächlich repariert hat (BGHZ 115, 364 = NJW 1992, 302).

Den Restwert des Fahrzeugs des Klägers schätzt der Senat auf 5.000 DM. Dabei hat er Art und Ausmaß der Unfallschäden zugrundegelegt, wie sie in dem Schadensgutachten dokumentiert sind. Sie stehen außer Streit. Zusätzlich hat sich der Senat an den Restwertvorstellungen orientiert, die die Parteien unter Vorlage eigener Gutachten und eines Restwertangebots mit einerseits 4.000 DM und andererseits 6.300 DM beziffert haben.

Wird der Restwert aber entgegen der Annahme der Beklagten nicht mit 6.300 DM, sondern nur mit 5.000 DM angesetzt, so belaufen sich die Wiederbeschaffungskosten auf 19.800 DM - 5.000 DM = 14.800 DM. Da die Beklagte zu 2) auf den Fahrzeugschaden des Klägers bisher lediglich 13.500 DM gezahlt hat, bleibt ein Restbetrag in Höhe von 1.300 DM.

Dieser Betrag ist nach Maßgabe der insoweit unangefochten gebliebenen Entscheidung des Landgerichts mit 4 % seit dem 13. August 1992 zu verzinsen (§ 288 BGB).



Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97, 100, 344 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Ein gemäß § 546 ZPO gerechtfertigter Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 7.697,99 DM.

Beschwer für den Kläger: 6.397,99 DM, Beschwer für die Beklagten: 1.300,-- DM.

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