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OLG Düsseldorf Urteil vom 25.04.2005 - I -1 U 210/04 - Zum Anspruch auf Nutzungsausfall bei einer Reparatur in Eigenregie

OLG Düsseldorf v. 25.04.2005: Zum Anspruch auf Nutzungsausfall bei einer Reparatur in Eigenregie




Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 25.04.2005 - I -1 U 210/04) hat entschieden:

   Beseitigt der Geschädigte einen Unfallschaden in Eigenregie selbst, so steht ihm für die dafür notwendige Reparaturdauer ein Anspruch auf Nutzungsausfall zu, wobei Verzögerungen nicht zu berücksichtigen sind, die lediglich Folgen der Eigenreparatur sind.

Siehe auch
Eigenreparatur - Reparaturdurchführung in Eigenregie
und
Stichwörter zum Thema Schadensersatz und Unfallregulierung

Gründe:


I.

1) Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg.

Er macht mit seinem Rechtsmittel zu Recht geltend, dass die begründete Schadensersatzverpflichtung der Beklagten auch den Ersatz des Nutzungsausfalls während eines 17tägigen Zeitraumes in Höhe von 1.105,00 EUR umfasst. Die Ersatzfähigkeit dieser Schadensposition hat das Landgericht mit einer unzutreffenden Begründung verneint.

2) Rechtsgrundlage für das gerechtfertigte klägerische Zahlungsverlangen sind die Vorschriften der §§ 7, 17 StVG in Verbindung mit § 3 PflichtVG. Zu den unfallbedingten und nach § 251 BGB zu ersetzenden Vermögensschäden zählt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Verlust der Verfügbarkeit und Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeuges während einer angemessenen Reparatur- oder Wiederbeschaffungszeit, sofern der Geschädigte während dieser Zeit das Fahrzeug genutzt hätte und er kein Mietfahrzeug in Anspruch nimmt (BGH NJW 1964, 542; BGH NJW 1966, 1260; BGH NJW 1971, 1692).

3) In der Berufungsinstanz ist unstreitig geworden, dass es sich bei dem klagegegenständlichen Schadensereignis um einen authentischen Verkehrsunfall handelt und dass der Kläger Halter und Eigentümer des betroffenen Fahrzeuges Marke BMW 328 CI ist. Ausweislich ihrer Berufungserwiderung hält die Beklagte zu 2. ihren Einwand "der Unwahrheit und Manipulation" nicht mehr aufrecht (Bl. 202 d.A.).





II.

Streitig ist allein noch die Frage, ob der Kläger auf der Grundlage des durch ihn in Auftrag gegebenen Schadensgutachtens der Sachverständigen H. und Partner vom 31. Januar 2003, in welchem die Reparaturdauer mit 12 bis 14 Arbeitstagen angegeben ist (Bl. 5 d.A.), Anspruch auf Ersatz eines Nutzungsausfallschadens in dem klagegegenständlichen Umfang von 17 Kalendertagen hat. Dieser Forderung treten die Beklagten mit dem Verteidigungsvorbringen entgegen, das klägerische Ersatzbegehren sei entsprechend der Begründung des angefochtenen Urteils nicht hinreichend substantiiert dargelegt; selbst wenn die durch ihn in Eigenleistung durchgeführte Reparatur sach- und fachgerecht erfolgt wäre, hätte er den PKW trotz der Instandsetzungsarbeiten weiter benutzen können und er habe im Übrigen auch keinen eigenen Nutzungsbedarf gehabt (Bl. 201 d.A.). Diese Einwendungen stehen im Ergebnis nicht der Begründetheit der klägerischen Ersatzforderung entgegen.

1) Zweifelhaft ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, der Kläger habe sein Verlangen auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung nicht hinreichend substantiiert dargelegt, da es an einer konkreten Bezeichnung der Nutzungsausfalltage fehle und lediglich ungefähre Angaben des Reparaturzeitraumes für die Feststellung einer entgangenen Nutzungsmöglichkeit nicht ausreichten (Bl. 6, 7 UA; Bl. 160, 161 d.A.).

a) Zwar trifft es im Ansatz zu, dass eine fiktive Abrechnung des Nutzungsausfallschadens nicht in Betracht kommt. Einen Ersatz für unfallbedingte entgangene Gebrauchsvorteile eines Fahrzeuges erhält der Geschädigte nur, wenn er für die Zeit des unfallbedingten Nutzungswegfalls das Fahrzeug tatsächlich entbehrt hat, also nur im Falle der tatsächlichen Gebrauchsvereitelung (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., Anhang I, Rdnr. 134 mit Hinweis auf BGHZ 66, 249; BGHZ 75, 366 und weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Lemcke in van Bühren, Anwaltshandbuch Verkehrsrecht, Teil 3, Rdnr. 260).




b) Der Kläger rechnet nun aber nicht fiktiv seinen Nutzungsausfall auf der Grundlage der Reparaturdauerangabe von 12 bis 14 Arbeitstagen in dem Schadensgutachten H. und Partner vom 31. Januar 2003 ab. Er behauptet vielmehr, die Möglichkeit zum Gebrauch des unfallgeschädigten Fahrzeuges sei für ihn dadurch vereitelt worden, dass er den Wagen von Mitte März 2003 an über einen Zeitraum von ca. 3 Wochen in Eigenregie repariert habe - und zwar teilweise unter Ausnutzung von Freizeit- und Wochenendstunden. Deshalb habe die tatsächliche Dauer der Instandsetzung in der Summe mehr als die 17 Kalendertage ausgemacht, die sich dem vorgelegten Schadensgutachten entnehmen lasse (Bl. 80, 81 d.A.).

c) Zwar ist die Entschädigungsdauer auf die notwendige Ausfallzeit beschränkt, so dass Verzögerungen, die durch eine Reparatur in Eigenregie entstehen, zu Lasten des Geschädigten gehen (BGH NJW 1992, 1618 = MDR 1993, 313). Indes verlangt der Kläger keinen Nutzungsausfall für einen dreiwöchigen Zeitraum. Nach dem durch das Landgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen N. ist an dem PKW BMW 328 CI ein erheblicher Sachschaden eingetreten, zu dessen Beseitigung neben dem Einsatz eines neuen Heckabschlussbleches nebst Lackierungsarbeiten auch Rückverformungsarbeiten der Seitenwand rechts erforderlich sind (Bl. 114 d.A.). Den Instandsetzungsaufwand hat der Sachverständige mit 7.743,14 EUR einschließlich Mehrwertsteuer in Ansatz gebracht (Bl. 118, 119 d.A.). Der Aufwand liegt um ca. 1.300,00 EUR unter dem im Schadensgutachten der Sachverständigen H. und Partner angegebenen Bruttoinstandsetzungsbetrag (9.046,13 EUR; Bl. 12 d.A.).

d) Ausweislich der durch den Kläger vorgelegten "Reparaturbestätigung" der Sachverständigen H. und Partner vom 22. April 2003 in Verbindung mit den dazu überreichten Lichtbildern (Bl. 13/15 d.A.) hat der Kläger dort am 16. April 2003 den unfallbetroffenen BMW 328 CI in einem instandgesetzten Zustand vorgeführt, wobei allerdings offen ist, welche Qualität die durch den Kläger in Eigenleistung vorgenommene Reparatur hatte. Die überreichten Fotos lassen jedenfalls den Rückschluss darauf zu, dass er den Wagen äußerlich in einen optisch einwandfreien Zustand zurückversetzt hat, da keine Unfallspuren mehr zu erkennen sind.

e) Da der Kläger tatsächlich Instandsetzungsarbeiten verrichtet hat, die im Hinblick auf die zu den Akten gelangten Gutachten nach Lage der Dinge jedenfalls ein nicht unerhebliches Ausmaß hatten, erscheint die durch das Landgericht gestellte Substantiierungsanforderung überzogen, der Kläger müsse die Nutzungsausfalltage konkret angeben, da ansonsten die vorgetragene unfallbedingte Gebrauchsvereitelung nicht überprüfbar sei (Bl. 6, 7 UA; Bl. 160, 161 d.A.). Müssen an einem Fahrzeug, welches von einem Heckanstoß betroffen ist, Richt- und Rückverformungsarbeiten in einem größeren Umfang vorgenommen werden, ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass während der Dauer der diesbezüglichen Reparaturverrichtungen das Fahrzeug nicht als Fortbewegungsmittel einsetzbar ist. Der Kläger hat auch hinreichend konkret den Zeitraum bezeichnet, in welchem er nach seiner Behauptung mit der Instandsetzung des Fahrzeuges nach den Reparaturvorgaben im Schadensgutachten H und Partner vom 31. Januar 2003 befasst war.




2) Im Ergebnis bedarf indes die Tatsachenfrage keiner Aufklärung, welche Qualität die durch den Kläger in Eigenleistung vorgenommenen Reparaturarbeiten hatte und ob für den damit verbunden gewesenen Nutzungsausfall der durch ihn geltend gemachte Zeitraum von 17 Kalendertagen in Ansatz gebracht werden kann, der auf der Reparaturdauerangabe im Schadensgutachten H. und Partner vom 31. Januar 2003 beruht. Denn es ist zu berücksichtigen, dass es für die Bemessung der Nutzungsausfall-Entschädigung nicht allein auf die in einem Schadensgutachten angegebene Instandsetzungsdauer ankommt. Insoweit ist u.a. auch der Schadensermittlungszeitraum zu berücksichtigen, der bis zur Erstellung des Sachverständigengutachtens vergeht (Hillmann, zfs 2001, 341, 344; Greger a.a.O., Anhang I, Rdnr. 107, 136). Dieser Ermittlungszeitraum ist im vorliegenden Fall überdurchschnittlich lang ausgefallen und füllt zweifelsfrei die für den Nutzungsausfall angesetzte Zeitspanne von 17 Kalendertagen aus.

a) Nachdem das Unfallereignis am 28. Januar 2003 eingetreten war, lag zwar bereits unter dem Datum des 31.01.2003 das durch den Kläger in Auftrag gegebene Schadensgutachten der Sachverständigen H. und Partner vor. Mit dem Zugang dieses Gutachtens bei den Parteien war allerdings nach den Umständen der notwendige Schadensermittlungszeitraum noch nicht abgeschlossen. Denn die Beklagte zu 2. in Wahrheit hat von vornherein den Verdacht geäußert, bei dem vermeintlichen Unfall habe es sich um ein manipuliertes Schadensereignis gehandelt. In berechtigter Wahrnehmung ihrer Interessen hat sie deshalb u.a. die Richtigkeit des durch den Kläger vorgelegten Privatgutachtens in Zweifel gezogen und die Inaugenscheinnahme des PKW BMW 328 CI durch einen Sachverständigen der DEKRA veranlasst. Das DEKRA-Gutachten ist erst unter dem Datum des 14. März 2003 - und damit mehr als 1 1/2 Monate nach dem Schadensereignis - erstellt worden (Bl. 31 d.A.).

b) Bis zum Abschluss der eigenen Schadensermittlungstätigkeit der Beklagten zu 2. war der Kläger jedoch in mehrfacher Hinsicht an der Ingebrauchnahme des Unfallfahrzeuges gehindert:

aa) Zum Einen spricht der Umfang des durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen N. festgestellten Schadensumfanges gegen die Annahme, dass der Kläger den PKW BMW 328 CI in einem verkehrssicheren Zustand hätte weiterbenutzen können. Denn nach den durch den Sachverständigen aufgeführten Instandsetzungsverrichtungen musste u.a. das Heckabschlussblech einschließlich der Heckleuchten erneuert werden (Position 41 34 121; Bl. 124 d.A.). Allein schon wegen der Beeinträchtigung der im Anstoßbereich des Fahrzeuges gelegenen Rückleuchten war der Kläger rechtlich an dessen Ingebrauchnahme gehindert (§ 23 Abs. 1 Satz 3 StVO).

bb) Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 2. ein berechtigtes Interesse daran hatte, das Fahrzeug durch den von ihr beauftragten Sachverständigen mit den Unfallbeeinträchtigungen im Originalzustand in Augenschein nehmen zu lassen, um im Hinblick auf den durch sie geäußerten Manipulationsverdacht Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob die Fahrzeugschäden mit dem behaupteten Anstoßereignis kompatibel waren. Selbst wenn der PKW BMW 328 CI nach der Kollision durch den Kläger in einem verkehrssicheren Zustand hätte weiterbenutzt werden können, wofür allerdings nichts spricht, wäre eine weitere Beeinträchtigung des Wagens durch ein erneutes hypothetisches Unfallereignis nicht auszuschließen gewesen. In einem solchen Fall wäre die Feststellung des originären Schadensbildes nach dem ersten - klagegegenständlichen - Auffahrunfall vom 28. Januar 2003 zumindest erschwert gewesen und der Kläger hätte aus mehreren Gründen einen Beweisnachteil bei dem Versuch der Durchsetzung seiner Schadensersatzforderung gegen die Beklagten zu befürchten gehabt.

c) Aus diesen Gründen kann dem Kläger kein Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 1 BGB aufgrund der Tatsache angelastet werden, dass er mit dem Beginn der Instandsetzungsarbeiten zugewartet hat, bis das Unfallfahrzeug von dem DEKRA-Gutachter in der ersten oder zweiten Woche des Monats März 2003 besichtigt wurde (Bl. 81 d.A.). Die Zeitspanne vom Unfalltag am 28. Januar 2003 bis zur ersten Hälfte des nachfolgenden Monats März übersteigt den klagegegenständlichen Zeitraum für die Bemessung der Nutzungsausfallentschädigung von 17 Kalendertagen.


3) Nutzungsmöglichkeit und Nutzungswille sind Voraussetzung für die Entschädigung vorübergehenden Gebrauchsverlustes in Bezug auf ein Kraftfahrzeug (BGHZ 40, 345; BGHZ 45, 212). Die Erfahrung spricht für den Benutzungswillen, wenn der Unfall nicht eingetreten wäre (OLG Celle VersR 1973, 717; OLG Frankfurt DAR 1984, 318; OLG Köln VRS 96, 325). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der hypothetische Nutzungswille des privaten Halters bzw. Eigentümers eines Fahrzeuges für die Dauer des Ausfalls grundsätzlich zu vermuten, ohne dass es insoweit einer besonderen Darlegung bedarf (Urteil vom 18. Februar 2002, Az.: 1 U 91/01).

a) Die Nutzungsmöglichkeit ist im vorliegenden Fall ohne Weiteres zu bejahen. Das Vorbringen der Parteien enthält keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger aufgrund einer unfallbedingten Verletzung oder aus sonstigen Gründen an der hypothetischen Weiterbenutzung des PKW BMW 328 CI gehindert gewesen wäre.

b) Die ständige Verfügbarkeit des eigenen Wagens, für den der Halter Anschaffungskosten und Aufwendungen für Versicherung, Steuer usw. getätigt hat, besitzt einen eigenen Vermögenswert. Der Geschädigte hat den Nutzungswillen und die Nutzungsmöglichkeit deshalb nicht konkret darzulegen und zu beweisen. Den Ausnahmefall, dass der Geschädigte das Fahrzeug keinesfalls in der unfallbedingten Ausfallzeit hätte nutzen können, muss der Schädiger darlegen und beweisen (Senat, Urteil vom 25. Oktober 1982, Az.: 1 U 90/82). Für einen solchen Ausnahmefall tragen die Beklagten nichts vor.

4a) Die Höhe des durch den Kläger für den Nutzungsausfall in Ansatz gebrachten Tagessatzes von 65,00 EUR ist unstreitig. Daraus errechnet sich für den ersatzfähigen Zeitraum von 17 Kalendertagen die Summe von 1.105,00 EUR.

b) Dieser Betrag ist zu der durch das Landgericht ermittelten und insoweit von keiner Partei angegriffenen Schadenssumme von 8.381,63 EUR hinzu zu addieren, so dass sich zu Gunsten des Klägers ein Saldo von 9.486,63 EUR ergibt. Zieht man davon den durch die Abtretung an das Sachverständigenbüro betroffenen Betrag von 831,51 EUR ab, verbleibt mit 8.655,12 EUR die von der Ersatzverpflichtung der Beklagten umfasste Schadenssumme.


III.

Der Schriftsatz der Beklagten vom 15.04.2005 gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung der Position "Nutzungsausfall".




IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 1.105,00 EUR. Dieser Betrag macht auch die Beschwer der Beklagten aus.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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