Das Verkehrslexikon

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Zur Bindung der Verwaltungsbehörde an die strafgerichtliche Entscheidung

Burmann DAR 2005, 61 ff.: Zur Bindung der Verwaltungsbehörde an die strafgerichtliche Entscheidung




Siehe auch
Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein
und
Die Bindungswirkung des Strafurteils bzw. der Entscheidung im Ordnungswidrigkeitenverfahren gegenüber der Verwaltungsbehörde bei der Beurteilung der Fahreignung und bei Probezeitmaßnahmen

Zum Vorrang der strafgerichtlichen Beurteilung der Fahreignung gegenüber der Verwaltungsbehörde (Bindungswirkung) führt Burmann DAR 2005, 61 ff. (62) aus:

   "Um widersprechende Entscheidungen zu vermeiden, hat der Gesetzgeber durch die Vorschriften des § 3 Abs. 3 und 4 StVG den Vorrang des Strafverfahrens vor dem Verwaltungsverfahren angeordnet. § 3 Abs. 3 StVG verbietet dabei die Verwertung eines Sachverhalts durch die Verwaltungsbehörde solange dieser Gegenstand eines Strafverfahrens ist, in dem eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kommt. Anhängig ist das Strafverfahren dabei bereits mit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch die Polizei. Die Anhängigkeit dauert bis zur Einstellung des Verfahrens bzw. bis zur Rechtskraft der ergehenden Entscheidung. Dabei erstreckt sich das Strafverfahren auf den gesamten geschichtlichen Vorgang im Sinne des § 264 StPO, der im Strafverfahren untersucht werden soll.


Die Bindungswirkung besteht darin, dass die Verwaltungsbehörde den Sachverhalt des laufenden Strafverfahrens in einem Entziehungsverfahren generell nicht berücksichtigten darf. Dies gilt auch für Maßnahmen nach § 46 Abs. 3 FeV BVerwG NKW 1989, 116; vgl. Jagow in Janiszewski /Jagusch /Burmann, § 3 StVG, Rdn. 3), also beispielsweise die Anordnung einer MPU oder die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens.

Ist ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren abgeschlossen, so kann die Verwaltungsbehörde im Entziehungsverfahren nicht zum Nachteil des Fahrerlaubnisinhabers von der strafrichterlichen Entscheidung abweichen. Die Bindung besteht dabei an die Feststellungen des Strafrichters zum Sachverhalt, an die Beurteilungen der Schuldfrage sowie an die Beurteilung der Eignung. Eine strafrichterliche Entscheidung im Sinne des § 3 Abs. 4 StVG sind auch der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens oder Erlass eines Strafbefehls abgelehnt wird. Auch Bußgeldentscheidungen, die sich auf die Feststellung des Sachverhalts und der Beurteilung der Schuldfrage beziehen, unterfallen der Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG. Für die Bindungswirkung ist es unerheblich, ob das Urteil richtig oder falsch ist. Auch rechtswidrige Urteile entfalten Bindungswirkung (vgl. VG Frankfurt NZV 1991, 207; Jagow in Janiszewski /Jagusch /Burmann, § 3 StVG, Rdn. 12). Hat das Strafgericht in seinem Urteil eine Entziehung bzw. Sperre abgelehnt, tritt eine Bindungswirkung für die Verwaltungsbehörde jedoch nur ein, wenn sich aus dem Urteil bzw. Strafbefehl ergibt, weshalb die Fahrerlaubnisentziehung bzw. Sperre nicht angeordnet wurde. Ist dies nicht der Fall oder bestehen insoweit Unklarheiten, so tritt eine Bindungswirkung nicht ein. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Entziehung der Fahrerlaubnis mit dem Argument abgelehnt wird, es könne im Hinblick auf den Zeitablauf nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte auch weiterhin ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei". Eine Bindungswirkung entfällt auch dann, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass das Gericht eine an sich gebotene Eignungsprüfung unterlassen hat (BVerwG NZV 196, 84).



Weitere Voraussetzung für eine Bindungswirkung des strafrechtlichen Urteils ist, dass der abzuurteilende Sachverhalt identisch ist (vgl. dazu ausfürlich Gehrmann in Berz /Burmann Kap. 18 F Rdn. 8 ff.). Übersieht beispielsweise das Strafgericht wesentliche Umstände wie eine einschlägige Vorverurteilung (BVerwG NZV 1988, 37), so beruht die Eignungsbeurteilung des Strafgerichts auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage. Eine Bindungswirkung ist dann nicht gegeben.

Von daher führt die Änderung der Rechtsprechung zu § 69 StGB, wie sie vom 2. und vom 4. Senat des Bundesgerichtshofs ins Auge gefasst ist, auch nicht dazu, dass die Verwaltungsbehörde in Ihrer Prüfungskompetenz eingeschränkt ist. Vielmehr kann sie in den Fällen, in denen die abgeurteilte Straftat, die dem Strafrichter allein für die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht ausreichte, diese als Anlass für die Entziehung der Fahrerlaubnis heranziehen, wenn sie sich auf weitere außerhalb des abgeurteilten Sachverhalts liegende Entziehungsgründe stützen kann. Lehnt das Strafgericht zum Beispiel die Entziehung der Fahrerlaubnis mit der Begründung ab, bei dem abzuurteilenden BtM-Transport sei nicht ersichtlich geworden, dass der Täter den Transport in einer Weise durchgeführt habe, die eine Gefährdung der Verkehrssicherheit befürchten lasse, so kann die Verwaltungsbehörde diese Tat im Rahmen einer umfassenden Beurteilung durchaus mitberücksichtigen. Dieses könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn der Täter in der Vergangenheit wegen Verstoßes gegen § 316 StGB verurteilt worden sein sollte, wenn Anhaltspunkte für Rauschgiftkonsum bestehen oder wenn im größeren Maße verkehrsrechtliche Ordnungswidrigkeiten vorliegen, die vom Strafgericht nicht gewürdigt werden. Voraussetzung für eine Entziehung ist immer, dass aussagekräftige Fakten aufgeführt werden, die die Ungeeignetheit begründen. Die Ungeeignetheit im Sinne des § 3 StVG muss sich aus erwiesenen Tatsachen ergeben (VGH München NZV 1991, 287), ein bloßer Eignungszweifel genügt nicht (VGH Mannheim NZV 1992, 88; VGH München NZV 1999, 183; Jagow in Janiszewski /Jagusch /Burmann, § 3 StVG, Rdn. 7). Der Eignungszweifel kann allerdings die Beibringung eines Gutachtens gemäß §§ 11, 46 III FeV rechtfertigen."

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