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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss vom 05.06.2003 - 3 L 1290/03.NW - Die Fahrerlaubnisbehörde, die dem Betroffenen einen "Vertrauensvorschuss" eingeräumt hat, darf sich in der Folgezeit hierzu nicht in Widerspruch setzen
VG Neustadt v. 05.06.2003: Die Fahrerlaubnisbehörde, die dem Betroffenen einen "Vertrauensvorschuss" in Form der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis unter Auflagen eingeräumt hat, darf sich in der Folgezeit hierzu nicht in Widerspruch setzen
Das Verwaltungsgericht Neustadt (Beschluss vom 05.06.2003 - 3 L 1290/03.NW) hat entschieden:
Die Fahrerlaubnisbehörde, die dem Betroffenen einen "Vertrauensvorschuss" in Form der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis unter Auflagen eingeräumt hat, darf sich in der Folgezeit hierzu nicht in Widerspruch setzen. Für eine abweichende Bewertung ist nur dann erst wieder Raum, wenn sich nach der Wiedererteilung neue Umstände ergeben haben, die die Fahreignung wieder in Frage stellen können und die dann eine umfassende Beurteilung der Fahreignung auch unter Einbeziehung früherer Auffälligkeiten ermöglichen.
Zum Sachverhalt: Die Besonderheit der vorliegenden Fallkonstellation liegt darin, dass dem Antragsteller, der im Februar 2000 wegen Trunkenheit im Verkehr auffällig geworden war, nach Ablauf der Sperrfrist auf der Grundlage einer Eignungsuntersuchung die Fahrerlaubnis unter Annahme einer "bedingten" Eignung wiedererteilt worden ist. Die jetzige Entziehung wird seitens des Antragsgegners nicht auf eine erneute Auffälligkeit gestützt, sondern auf die Weisung des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 07. Mai 2003. In dieser Weisung führt das Ministerium aus, dass die Erteilung einer Fahrerlaubnis unter Auflagen in den Fällen ausscheidet, in denen ein nachvollziehbares negatives medizinisch-psychologisches Gutachten zur Kraftfahreignung vorliegt, in dem dem Fahrerlaubnisbewerber die Fahreignung mit der Begründung abgesprochen wird, dass zu erwarten sei, dass er auch zukünftig unter Alkoholeinfluss als Führer eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen werde.
Die FE-Behörde entzog daraufhin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis mit Sofortvollzug. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung blieb trotz "Vertrauensvorschusses" erfolglos, weil sich als neue Tatsache nach Erteilung der Fahrerlaubnis ein erheblich überhöhter Gamma-GT-Wert ergeben hatte.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis überwiegt vorliegend das private Interesse des Antragstellers, von der Fahrerlaubnis bis zur Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache Gebrauch machen zu können. Dem Interesse des Antragstellers an dem Erhalt der Fahrerlaubnis steht nämlich das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass Personen, deren Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges nicht erwiesen ist, unverzüglich von der aktiven motorisierten Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen werden.
Im vorliegenden Fall lässt sich allerdings die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids derzeit nicht abschließend beurteilen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz - StVG - i.V.m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung .- FeV - (BGBl. I 1998, S. 2214 ff.) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die Entziehung der Fahrerlaubnis richtet sich auch in den Fällen, in denen die Umstände, die die Nichteignung begründen, bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis vorgelegen haben, nach diesen Vorschriften (BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 1982 - 7 B 97/82 -Juris; VGH Kassel, Urteil vom 04. Juni 1985 - 2 OE 65/83 -, NJW 1985, 2909 m.w.N.).
Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist die Fahrerlaubnis insbesondere dann zu entziehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Die Besonderheit der vorliegenden Fallkonstellation liegt darin, dass dem Antragsteller, der im Februar 2000 wegen Trunkenheit im Verkehr auffällig geworden war, nach Ablauf der Sperrfrist auf der Grundlage einer Eignungsuntersuchung die Fahrerlaubnis unter Annahme einer "bedingten" Eignung wiedererteilt worden ist. Die jetzige Entziehung wird seitens des Antragsgegners nicht auf eine erneute Auffälligkeit gestützt, sondern auf die Weisung des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 07. Mai 2003. In dieser Weisung führt das Ministerium vollkommen zu Recht aus, dass die Erteilung einer Fahrerlaubnis unter Auflagen in den Fällen ausscheidet, in denen ein nachvollziehbares negatives medizinisch-psychologisches Gutachten zur Kraftfahreignung vorliegt, in dem dem Fahrerlaubnisbewerber die Fahreignung mit der Begründung abgesprochen wird, dass zu erwarten sei, dass er auch zukünftig unter Alkoholeinfluss als Führer eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen werde. Die charakterliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges ist aber nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit zu beurteilen. Sie ist nämlich in besonderem Maß dadurch gekennzeichnet, dass sie kein unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal darstellt. Das Hilfsmittel der medizinisch-psychologischen Begutachtung ist deshalb in aller Regel unverzichtbar, da weder die Behörden noch die Gerichte über eigenen Sachverstand verfügen, notwendige medizinisch-psychologische Erkenntnisse selbst zu gewinnen, geschweige denn, das Verhalten eines Menschen selbst einer diesbezüglichen Bewertung zu unterziehen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Juni 1997 - 7 A 10529/97.OVG -, in ESOVG-RP).
Liegt also ein nachvollziehbares negatives medizinisch-psychologisches Gutachten vor, so darf die Fahrerlaubnisbehörde sich nicht über dieses Hinwegsetzen und die Fahrerlaubnis erteilen. Hat sie aber trotz Vorliegen eines solchen Gutachtens die Fahrerlaubnis - wenn auch unter Auflagen - wiedererteilt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 27. März 1992 - 7 B 10321/92.OVG -, ZfSch 1993, 143; ESOVG-RP) Folgendes zu beachten:
"Der Senat hat allerdings angenommen, dass der Beurteilungsmaßstab unterschiedlich ist, je nachdem, ob es sich um die Frage handelt, ob nach entsprechenden Bemühungen des Betroffenen und einem in Ansätzen erkennbar werdenden Einstellungswandel die Fahrerlaubnis trotz der nur "bedingt" angenommenen Eignung wiedererteilt wird, oder ob es um die Frage geht, daß dem unter Umständen bereits seit längerer Zeit wieder am Verkehrsgeschehen teilnehmenden, als "bedingt geeignet" angesehenen Betroffenen die Fahrerlaubnis wieder entzogen werden soll. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß auch die aufgrund der getroffenen Prognose als "bedingt geeignet" angesehenen Kraftfahrer gleichermaßen eine Rechtsposition erlangt haben, die nicht ohne gewichtige Gründe wieder in Frage gestellt werden kann. Kann vor der Wiedererteilung in erster Linie an die zumeist noch nicht in ihrer Bedeutung verblaßte Trunkenheitsfahrt mit der Regelvermutung der Nichteignung angeknüpft werden, so daß sich nach einer Aufklärung mit Hilfe von Sachverständigen die Frage stellt, ob trotz dieser gegen den Betroffenen sprechenden Tatsachen aufgrund besonderer Umstände und Verhaltensanstrengungen von einer günstigen Prognose ausgegangen werden kann, so tritt mit erfolgtem Zeitablauf insbesondere nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis und erneuter - unbeanstandeter - Teilnahme am Verkehr die Bedeutung der Vortat zurück. Es ist zwar zu berücksichtigen, daß das bei "bedingter Eignung" zugrunde liegende Auflagenkonzept gewisse Verhaltenserwartungen auch außerhalb der bloßen "Nichtauffälligkeit" beinhaltet. Die Möglichkeiten einer mit solchen Verhaltenserwartungen verknüpften "Führung" sind indessen in einem Rechtsstaat begrenzt. Das Institut der "bedingten Eignung" kann nicht Grundlage einer umfassenden und länger angelegten Kontrolle der allgemeinen Lebensführung des Betroffenen sein."
An dieser Rechtsprechung hat das Oberverwaltungsgericht auch in der Folgezeit festgehalten (z.B. Beschluss vom 28. Mai 1993 - 7 B 11142/93.OVG -, ESOVG-RP; Urteil vom 25. Januar 1994 -7 A 11337/93.OVG -, ESOVG-RP) und ihr folgt das erkennende Gericht.
Die Fahrerlaubnisbehörde, die dem Betroffenen einen "Vertrauensvorschuss" in Form der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis unter Auflagen eingeräumt hat, darf sich in der Folgezeit hierzu nicht in Widerspruch setzen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. November 1996 - 7 B 13064/96.OVG; VGH Kassel, Urteil vom 04. Juni 1985 - 2 OE 65/83 -, NJW 1985, 2909; BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 1982 - 7 B 97/82 -, Juris). Für eine abweichende Bewertung ist nur dann erst wieder Raum, wenn sich nach der Wiedererteilung neue Umstände ergeben haben - wie z.B. neue Verkehrsauffälligkeiten, Anzeichen für veränderte Trinkgewohnheiten oder ähnliches -, die die Fahreignung wieder in Frage stellen können und die dann eine umfassende Beurteilung der Fahreignung auch unter Einbeziehung früherer Auffälligkeiten ermöglichen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. Mai 1993 - 7 B 11142/93.OVG - und Urteil vom 25. Januar 1994 - 7 A 11337/93.OVG -, ESOVG-RP).
Derartige neue Umstände könnten hier vorliegen.
Verkehrsauffälligkeiten des Antragstellers seit Wiedererteilung der Fahrerlaubnis am 27. Mai 2002 sind zwar nicht bekannt geworden. Der Antragsteller hat auch die ihm gemachten Auflagen bisher erfüllt; allerdings waren der Gamma-GT Wert, bei dem es sich um einen Marker für Alkoholkonsum handelt, dreimal höher als der obere Normwert. Dies müsste weiter abgeklärt werden. Angesichts der im Straßenverkehr in Rede stehenden Rechtsgüter wie Leib und Leben ist es aber nicht zu verantworten, den Antragsteller, bei dem somit der Verdacht des erhöhten Alkoholkonsums im Raum steht, vorläufig weiter als Kraftfahrer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen und dadurch andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr zu bringen. Seine privaten Interessen an dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs müssen, so gewichtig sie sein mögen, hinter der Gewährleistung des Schutzes der anderen Verkehrsteilnehmer zurückstehen. ..."