Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Beschluss vom 27.04.1987 - 4 Ss 240/87 - Zur Strafbarkeit des Fahrlehrers wegen Urkundenfälschung oder Anstiftung zur Urkundenfälschung

OLG Hamm v. 27.04.1987: Zur Anstiftung zur Urkundenfälschung durch einen Fahrlehrer bei der theoretischen Führerscheinprüfung


Das OLG Hamm (Beschluss vom 27.04.1987 - 4 Ss 240/87) hat entschieden:
Der Fahrlehrer, der einen Dritten veranlasst, die theoretische Prüfung für den Bewerber um eine Fahrerlaubnis zu absolvieren, ist nicht nach StGB § 271 wegen mittelbarer Falschbeurkundung, möglicherweise aber wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung strafbar.


Siehe auch Fahrschule / Fahrlehrer / Fahrschüler


Zum Sachverhalt: Nach den Feststellungen hat der Angeklagte als Fahrlehrer den Zeugen M. D., der eine Fahrerlaubnis besaß, dafür gewinnen können, anstelle von zwei anderen, mehrfach bei theoretischen Prüfungen durchgefallenen türkischen Fahrschülern deren schriftliche Prüfung beim Technischen Überwachungsverein in E. wahrzunehmen.

Beim Prüfungstermin am 8. August 1984 füllte D. die Prüfbogen für seinen Landsmann S. Da. unter dessen Namen aus. Es gelang ihm, den Prüfer, dem der von der Verwaltungsbehörde nahezu vollständig ausgefertigte, mit Lichtbild des Da. versehene Führerschein vorlag, zu täuschen. Der Bewerber erhielt schließlich den Führerschein ausgehändigt, nachdem der Sachverständige das Aushändigungsdatum darin eingetragen hatte.

D. erhielt daraufhin vom Angeklagten 300,-- DM. Als dieser, vom Angeklagten hierzu veranlasst, am 7. November 1984 den theoretischen Prüfungstermin für seinen Landsmann E. O. zu gleichen Zwecken wahrnahm, fiel er dem Prüfer auf; der Unterschied zwischen ihm als angeblichen Prüfling und dem im Führerschein abgebildeten Bewerber war zu augenfällig. D. erhielt vom Angeklagten nichts.

Das Amtsgericht - erweiterte Schöffengericht - E. hat den Angeklagten wegen einer versuchten und einer vollendeten mittelbaren Falschbeurkundung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Seine Berufung hat die Strafkammer mit dem angefochtenen Urteil verworfen.

Hiergegen richtete sich die Revision des Angeklagten, die auch - vorläufigen - Erfolg hatte.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die Strafkammer, die ausschließlich über die Berufung des Angeklagten H. zu entscheiden hatte - gegen die türkischen Mitangeklagten ist das Verfahren jeweils nach § 153 a StPO eingestellt worden - hält ihn im Falle Da. der vollendeten, im weiteren der versuchten mittelbaren Falschbeurkundung für schuldig. Mit D. als Mittäter habe er bewirkt bzw. versucht zu bewirken, dass jeweils im Führerschein als einer öffentlichen Urkunde eine falsche Tatsache, nämlich die Erteilung der Fahrerlaubnis nach Ablegen der Fahrprüfung, als geschehen beurkundet worden ist bzw. beurkundet werden sollte (Seite 8 UA). Dem tritt die Revision im Ergebnis zutreffend entgegen.

Die Tatbestandsmäßigkeit des Vergehens nach § 271 StGB hängt davon ab, ob wahrheitswidrige Angaben in einer öffentlichen Urkunde bewirkt worden sind.

Eine solche Handlung ist vom Angeklagten nicht begangen, auch nicht versucht worden.

Es trifft allerdings zu, dass es sich bei einem Führerschein insgesamt um eine amtliche Urkunde handelt; das ergibt sich aus § 2 Abs. 2 StVG und § 4 Abs. 2 StVZO. Diese Urkunde erweist zu öffentlichem Glauben, dass der mit dem Lichtbild identische Besitzer die in dem Ausweis näher bezeichnete Person und dieser die im Papier gekennzeichnete Fahrerlaubnis erteilt worden ist (BGH in NJW 55, 839; 73, 474; BGH in VRS 15, 419, 424; OLG Hamm in VRS 21, 363; OLG Köln in NJW 72, 1335; LK-Tröndle, 10. Aufl., § 271, Rz. 44; Dreher/Tröndle, 43. Aufl., § 271, Rz. 10; a. A. BayObLG in VRS 15, 280, das die Beweiskraft für die Erteilung einer Fahrerlaubnis verneint, insoweit aber durch die zitierten neueren Entscheidungen des BGH als überholt anzusehen ist).

Aus dieser von der Rechtsprechung entwickelten Formulierung ergibt sich zugleich die Begrenzung der Beweiswirkung. Auch in amtlichen Urkunden sind nicht alle darin enthaltenen Angaben bestimmt und geeignet, am öffentlichen Glauben teilzunehmen (vgl. BGHSt 22, 201, 203 - Entscheidung des Großen Senats zur unterschiedlichen Beweiskraft der Angaben im Kraftfahrzeugschein). Mit Bedacht auf die erhöhte Beweiskraft öffentlicher Urkunden kann das nur bei solchen Angaben der Fall sein, die - expressis verbis - durch ein Gesetz verlangt sind oder, fehlt es daran, sich mittelbar aus gesetzlichen Vorschriften ergeben, die für Errichtung und Zweck der speziellen Urkunde bestimmend sind (BGH - Gr. Senat - ebenda).

Aber selbst das genügt nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen für sich allein noch nicht. Bei der Prüfung, ob eine in einer öffentlichen Urkunde enthaltene Tatsache auch der erhöhten Beweiskraft unterlegen sein kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen; sie kann nur dann angenommen werden, wenn keinerlei Zweifel bestehen, dass dies, unter kritischer Berücksichtigung der Verkehrsanschauung, dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift auch entspricht (BGHSt - Gr. Senat - a.a.O.).

Bei den in den vorliegenden Fällen von der Verwaltungsbehörde fast vollständig ausgestellten Urkunden, die nach §§ 10, 11 StVZO in der hier maßgeblichen Fassung der Änd.VO vom 6. November 1979 (BGBl I, 1794 = VBl 79, 837) sowie der vom 3. Dezember 1980 (VBl 80, 525) keinerlei Angaben mehr über eine bestandene Prüfung enthalten, beschränkte sich das Zutun des Prüfers an der Urkunde lediglich darin, das Aushändigungsdatum einzutragen.

Bleiben in diesem Zusammenhang Bedenken dahin zurückgestellt - auf sie kommt es nämlich im Ergebnis nicht an -, dass es sich bei dem Prüfer, soweit er - wie hier - dem Technischen Überwachungsverein e. V. angehört, zwar um einen amtlich bestellten Sachverständigen, nicht aber um einen Beamten handelt, so wies ihn § 10 Abs. 1 Satz 3 StVZO (i. d. F. v. 1980) jedenfalls an, das Datum einzusetzen und den Führerschein an den Antragsteller auszuhändigen. Das nun ist kein "bloßer Realakt" - wie die Revision meint -, sondern ein öffentliches Formerfordernis, das den förmlichen Verwaltungsakt der Fahrerlaubniserteilung abschließt (vgl. BGH in StVE, § 10 StVZO, Nr. 1). Denn mit der Aushändigung des Führerscheins gilt die Fahrerlaubnis zum Zeitpunkt der vom Sachverständigen vorgenommenen Datierung als erteilt (BGH in VRS 30, 421), was § 10 Abs. 1 Satz 6 StVZO in der heute geltenden Fassung der Änd.VO vom 13.12.1985 (VBl 86, 116 f) nunmehr auch ausdrücklich klarstellt.

Darin allein muss sich die Beweiswirkung der Datierung bei dem hier anzulegenden strengen Maßstab aber erschöpfen. Zwar mag nach der älteren Fassung der StVZO insbesondere nach dem früheren Muster des Führerscheins erwägenswert gewesen sein, ob die stattgehabte Fahrprüfung nicht auch am öffentlichen Glauben teilzunehmen hatte, zumal die Urkunde die Worte "... nach bestandener Prüfung ..." enthielt, was solcherweise vom Prüfer bei der Aushändigung bestätigt wurde (vgl. für den Fall des § 348 StGB; BGH NJW 1958, 2025 = VRs 15, 419, 420, für den Fall des § 271 StGB bereits offen gelassen in BGH NJW 73, 474). Dafür ist jedenfalls mit der für den vorliegenden Sachverhalt geltenden Fassung der Straßenverkehrszulassungsordnung (Änd.VO vom 6. November 1979) aber kein Raum mehr. Gerade jene Worte sind durch Änderung des Musters 10 der Führerscheinurkunde fortgefallen. Am öffentlichen Glauben für und gegen jedermann kann deshalb nicht mehr teilnehmen, ob und unter welchen Umständen der Inhaber des Führerscheins die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlangung der Fahrerlaubnis erfüllt hat (vgl. so schon BGH NJW 73, 474 für den Fall des § 15 StVZO), insbesondere ob er eine theoretische und praktische Prüfung bestanden hat oder nicht. Von einer oder sogar von beiden lässt der Gesetzgeber nämlich Ausnahmen zu, so mit § 10 Abs. 4 StVZO. Unter Umständen kann ein Fall der Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 15 c Abs. 2 Satz 1 StVZO vorliegen, für den der Verwaltungsbehörde erlaubt ist, auf die Absolvierung der theoretischen und praktischen Fahrprüfung durch den Erwerber zu verzichten; dann aber wird durch keinerlei andere Angaben und Zeichen ersichtlich (vgl. Art. 4 der Änd.VO vom 6.11.1979, BGBl I, 1794), dass es sich um eine Wiedererteilung handelt.

Beweist aber die Datierung nichts über sich selbst hinaus, kann die vom Angeklagten veranlasste Täuschung nichts bewirkt haben, was sich als wahrheitswidrige Angabe im Führerschein konkretisieren könnte.

Die Aufhebung des Urteils kann indessen nicht - wie die Revision begehrt - zur Freisprechung des Angeklagten führen.

Die Sache war vielmehr an eine andere (große) Strafkammer zurückzuweisen. Diese wird zu prüfen haben, ob der Angeklagte sich der zweimaligen Anstiftung zur Urkundenfälschung dadurch strafbar gemacht haben könnte, dass er den Zeugen D. in beiden Fällen veranlasste, im Rahmen einer amtlichen Prüfung einen Prüfbogen für einen anderen auszufüllen; hierdurch könnte D. jeweils eine unechte Urkunde hergestellt haben (LK, § 267, Rz. 19; RGSt 68, 240 f). Um die Strafkammer, die die Handlungen des Angeklagten unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen haben wird, nicht zu binden, erschien angezeigt, auch die Feststellungen des angefochtenen Urteils aufzuheben. ..."



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