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Verwaltungsgericht Braunschweig Urteil vom 30.06.2004 - 6 A 493/03 - Zur Dauer der Fahrtenbuch-Auflage je nach der Schwere des Verstoßes (1 Punkt = 6 Monate, 3 Punkte = 12 Monate)
VG Braunschweig v. 30.06.2004: Zur Dauer der Fahrtenbuch-Auflage je nach der Schwere des Verstoßes (1 Punkt = 6 Monate, 3 Punkte = 12 Monate)
Das Verwaltungsgericht Braunschweig (Urteil vom 30.06.2004 - 6 A 493/03) hat entschieden;
- Dem Halter eines Kraftfahrzeuges, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen worden ist, obliegt es gegenüber der Bußgeldbehörde, die sachdienlichen Angaben zur Ermittlung der fahrenden Person zu machen, die ihm möglich und zumutbar sind. Dazu gehört in erster Linie eine vollständige Offenlegung des Kreises der Personen, die für den Tatzeitpunkt als Führer/in des Fahrzeugs in Betracht kommen.
- Unterlässt er dies oder kommt er dieser Obliegenheit nur unvollständig nach, ist regelmäßig die Täterermittlung iSd § 31a StVZO nicht möglich und kann die Führung eines Fahrtenbuches angeordnet werden.
- Auf fehlendes Erinnerungsvermögen kann sich ein Inhaber eines kaufmännisch geführten Betriebs nicht berufen; ihm obliegt es, hinreichend aussagekräftige Geschäftsunterlagen zu führen.
- Die Anordnung, ein Fahrtenbuch 12 Monate lang führen zu müssen, ist bei einem Geschwindigkeitsverstoß von mehr als 30 km/h nicht unverhältnismäßig.
Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage - Fahrtenbuch führen
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung, für die Dauer von zwölf Monaten ein Fahrtenbuch zu führen.
Die Klägerin, ein Unternehmen im Heizungs- und Lüftungsbau, ist Halterin eines Personenkraftwagens der Marke Mitsubishi (J) mit dem amtlichen Kennzeichen B... .
Nach einem vom Landkreis Celle eingeleiteten Bußgeldverfahren soll mit diesem Fahrzeug am 02.06.2003 um 12:12 Uhr auf der Landstraße L 284 in Fahrtrichtung Helmerkamp in der Gemarkung der Gemeinde Ahnsbeck außerhalb der geschlossenen Ortschaft bei km 7,98 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h abzüglich der Toleranz um 31 km/h überschritten worden sein. Die Ordnungswidrigkeit wurde durch ein geeichtes Geschwindigkeitsmessgerät und ein Frontfoto dokumentiert. Auf das ihr unter dem 30.06.2003 übersandte Anhörungsschreiben zum Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit antwortete die Klägerin nicht. Auf dem mit Anschreiben vom 23.07.2003 erneut übersandten Anhörungsbogen führte der Geschäftsführer der Klägerin, C., unter dem 15.08.2003 aus: Er sei nicht der Fahrer gewesen. Wenn die Behörde kein deutlicheres Fotos habe, mit dem er "intern den Fahrer feststellen" könne, werde seine "Firma" das Bußgeld bezahlen. Ein Ersuchen der Bußgeldbehörde an den Beklagten anhand des beigefügten Frontfotos zu versuchen, den Fahrer oder die Fahrerin bei der Klägerin zu identifizieren scheiterte; der Vollzugsbeamte des Beklagten D. hielt in einem Aktenvermerk fest, dass er am 28.08.2003 gegen 11:30 Uhr die Fahrzeugführerin bei der Klägerin nicht habe ermitteln können. Daraufhin stellte der Landkreis Celle das Verfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ein und bat den Beklagten, ein Fahrtenbuch zu verhängen.
Mit Bescheid vom 04.09.2003 gab der Beklagte der Klägerin auf, für die Dauer von zwölf Monaten für das o.g. Fahrzeug - auch für ein Ersatzfahrzeug - ein Fahrtenbuch zu führen.
Mit gesondertem Kostenbescheid vom selben Tag verpflichtete der Beklagte die Klägerin ferner, ihm für den vorgenannten Bescheid eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 80,00 Euro zuzüglich Portokosten für dessen Zustellung in Höhe von 5,60 Euro zu zahlen.
Die Klägerin erhob gegen beide Bescheide Widerspruch, den die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2003 - zugestellt am 27.11.2003 - zurückwies.
Mit der am 19.12.2003 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:
Es sei ihr nicht möglich gewesen, die zum Tatzeitpunkt fahrende Person zu identifizieren, da die Anhörung erst nach Ablauf der von der Rechtsprechung entwickelten Zwei-Wochen-Frist erfolgt und das Foto zu schlecht sei. Der Wagen werde in dem buchhaltungspflichtigen Unternehmen, in dem die beiden Inhaber sowie acht Mitarbeiter tätig seien, für betriebliche, aber auch für private Zwecke genutzt. Die Verwaltung habe ihrerseits nicht alles getan, um die fahrende Person zu ermitteln.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 04.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Braunschweig vom 24.11.2003 aufzuheben.
Der Beklagte hält an seinen Entscheidungen fest und beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die gegenüber der Klägerin als Fahrzeughalterin angeordnete Maßnahme der Beklagten ist § 31a Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Das ist hier der Fall.
Eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften in dem genannten Sinne ist darin zu sehen, dass mit dem Kraftfahrzeug der Klägerin der im Tatbestand bezeichnete Verkehrsverstoß begangen wurde, indem die an der genannten Stelle zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h abzüglich der Toleranz um 31 km/h überschritten wurde. In einer Geschwindigkeitsübertretung dieser Größenordnung liegt ein erheblicher Verkehrsverstoß, der bereits nach einem erstmaligen Vorfall die Anordnung rechtfertigt, ein Fahrtenbuch zu führen (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.12.1982 - BayVBl. 1983, 310; Urt. vom 17.05.1995 - 11 C 12.94 -, BVerwGE 98, 227; Beschl. vom 09.09.1999 - 3 B 94.99 -, NZV 2000, 386; Niedersächsisches OVG, Urt. vom 26.06.1980 - 12 OVG A 45/80; Beschl. vom 27.06.00 - 12 L 2377/00). Des Nachweises einer konkreten Gefährdung durch diesen Verkehrsverstoß bedarf es nicht.
Die Feststellung des Fahrzeugführers, der bei dem Verkehrsverstoß das Fahrzeug gefahren hat, war der zuständigen Ordnungsbehörde darüber hinaus i.S.d. § 31a StVZO nicht möglich. Eine solche Sachlage ist gegeben, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich insoweit danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei kann sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung einer Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab oder erklärt er, dazu nicht im Stande zu sein, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urt. vom 17.12.1982 - Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 11 m.w.N.; Beschl. vom 21.10.1987 - Buchholz, a.a.O., Nr. 18 m. w. N.; Beschl. vom 23.12.1996 - 11 B 84/96 -; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 17.02.1999 - 12 L 669/99 -, Beschl. vom 27.06.00 - 12 L 2377/00).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Ermittlungsaufwand des Landkreises Celle angemessen. Unerheblich ist insoweit, dass der Anhörungsbogen zur Verkehrsordnungswidrigkeit der Klägerin nicht binnen zwei Wochen nach dem 02.06.2003, sondern erst mit Schreiben vom 30.06.2003 übersandt worden ist. Allerdings wird davon auszugehen sein, dass dem Erfordernis des angemessenen Ermittlungsaufwands grundsätzlich nur dann genügt ist, wenn der Halter unverzüglich (vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls regelmäßig innerhalb von zwei Wochen) von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis gesetzt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Wird die Anhörung des Halters - aus hier nicht nachvollziehbaren, für die Entscheidung aber auch unmaßgeblichen Gründen - verzögert, ist die Fahrtenbuchauflage gleichwohl indessen z. B. dann nicht ausgeschlossen, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die Erfolglosigkeit der Täterermittlung nicht ursächlich gewesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. vom 25.06.1987 - 7 B 139.87 - Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 17; Beschl. vom 23.12.1996 - 11 B 84/96; Beschl. vom 14.05.1997 - 3 B 28/97). So ist es hier.
Eine solche Nicht-Ursächlichkeit der verspäteten Anhörung ist hier gegeben, da die Klägerin ausweislich der im Tatbestand zitierten Erklärung eines ihrer Inhaber ersichtlich nicht bereit oder aus von ihr zu vertretenden organisatorischen Gründen nicht in der Lage gewesen ist, ihren Mitwirkungsobliegenheiten nachzukommen. Auch ein rechtzeitiger Hinweis auf die begangene Verkehrsordnungswidrigkeit hätte deshalb nicht zur Fahrerfeststellung geführt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus Folgendem:
Auf Grund der Erklärungen eines der Inhaber der Klägerin, dass die "Firma" das Bußgeld zahlen werde, wenn sich nicht anhand eines besseren Fotos die fahrende Person "intern", also innerhalb des Betriebes, ermitteln lasse, durfte die Bußgeldbehörde annehmen, dass es der Klägerin nicht möglich oder sie nicht willens ist, die fahrende Person anders als durch ein Foto zu ermitteln. Indem der Landkreis Celle durch sein Ersuchen an den Beklagten noch anhand eines Lichtbildvergleichs versucht hat abzuklären, ob die fahrende, nach seiner Einschätzung weibliche Person auf dem undeutlichen Frontfoto abgebildet ist, hat er seinerseits alles getan, um dem von der Klägerin gegebenen Hinweis nachzugehen, dass als Fahrer (nur) jemand aus dem Kreis ihrer Mitarbeiter in Betracht kommt, was nur anhand des Fotos aufzuklären wäre. Auch wenn die ihr mit dem Anhörungsschreiben vorgelegte Fotokopie des Frontfotos so schlecht gewesen ist, dass darauf niemand hätte identifiziert werden können, hätte die Klägerin es mit der von ihr gegebenen Antwort nicht bewenden lassen dürfen. Es hätte ihr oblegen, wenigstens anzugeben, ob der Wagen im Zeitpunkt des Vorfalls zu geschäftlichen oder zu privaten Zwecken genutzt worden ist. Als ein Unternehmen, das nach eigenen Angaben entsprechende buchhaltungspflichtig ist und demgemäss auch entsprechende Aufzeichnungen führt, wäre sie dazu auch in der Lage gewesen, selbst wenn - wie erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptet - die von ihr geführten Geschäftsunterlagen keinen unmittelbaren Aufschluss über den jeweiligen Fahrer geben sollten und ferner in Betracht zu ziehen war, dass das Fahrzeug auch von Mitarbeitern und eventuell sogar Gästen des von ihren Inhabern geführten Hotel- und Gaststättenbetriebes genutzt wird. Sollte sie Aufzeichnungen zur geschäftlichen oder privaten Nutzung des PKW tatsächlich nicht oder jedenfalls nicht in einer Weise führen, die den jeweiligen Fahrer erkennen lässt, was das Gericht der Klägerin im Übrigen nicht ohne Weiteres abnähme, wenn es darauf ankäme, könnte sie dies nicht entlasten. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass es ungeachtet handels- und steuerrechtlicher Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten sachgerechtem kaufmännischem Verhalten entspricht, dass ein kaufmännischer Wirtschaftsbetrieb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage ist, Geschäftsfahrten anhand schriftlicher Unterlagen zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen. Weigert sich ein Unternehmen, dieser Obliegenheit nachzukommen, besteht grundsätzlich - wie auch im Falle der Klägerin - hinreichender Anlass, für alle in Betracht kommenden Fahrzeuge eine Fahrtenbuchauflage zu verhängen, um das Unternehmen auf diese Weise zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes anzuhalten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 31.03.1995 - 25 A 2798/93 - NJW 1995, 3335, 3336 f; Urt. vom 29.04.1999 - 8 A 699/97 - NZV 1999, 439; VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 26.02.1996 - 10 S 294/96 - m. w. Nw., Beschl. vom 20.11.1998 - 10 S 2673/98 - NZV 1999, 149; VG Koblenz, Urt. vom 05.02.1997 - 3 F 10/97 A - ZfSch 1997, 318 - hier zitiert nach Juris; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 23.10.1996 - 12 L 587/96; Beschl. vom 30.11.2000 - 12 M 4036/00 -; OVG Saarland, Beschl. vom 17.01.2000 - 9 V 16/99 - zitiert nach Juris; VG Braunschweig, Urteile vom 22.10.1997 - 6 A 61180/97 -, 22.04.1999 - 6 A 41/99 -, 15.02.2000 - 6 A 311/99 -, 03.08.2000 - 6 A 296/99 und 08.02.2001 - 6 A 312/99 -). Hätte die Klägerin anhand ihrer Unterlagen von vornherein ausschließen können (und wollen), dass es sich um eine Fahrt zu geschäftlichen Zwecken welchen Betriebes auch immer gehandelt hat, hätte sie wenigstens den Kreis der in Betracht kommenden privaten Nutzer angeben müssen, um ihrer Mitwirkungsobliegenheit zu genügen. Bei geschäftlicher Nutzung außerhalb ihres Betriebszweckes hätte sie auch darauf hinweisen und den Kreis der in Betracht kommenden Personen angeben können. Sie hat dies indessen offenkundig gerade nicht gewollt, sondern sich auf den "Hinweis" beschränkt, es könne eine der Personen aus ihrem Unternehmen des Heizungs- und Lüftungsbaus gewesen sein. Diese Person hat der im Wege der Amtshilfe eingeschaltete Mitarbeiter des Beklagten, der Vollzugsbeamter D., anhand der ihm zur Verfügung stehenden Akte, die ein durchaus brauchbares Frontfoto enthält, nicht identifizieren können. Indem er dies mit handschriftlichem Vermerk vom 28.03.2003 in der Originalakte der Bußgeldbehörde dokumentiert hat, steht für das Gericht außer Zweifel, dass ihm bei seinen Ermittlungen auch das bei der Originalakte befindliche Foto zur Verfügung stand. Der Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie bestreite mit Nichtwissen, dass dem Vollzugsbeamten das Foto aus der Originalakte zur Verfügung gestanden haben, ist nicht geeignet, die Richtigkeit dieses Vermerkes in einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 98 VwGO i. V. m. § 418 ZPO in Zweifel zu ziehen und widerspricht nicht dem daraus zu ziehenden Schluss.
Der Beklagte hat sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt. Die getroffene Maßnahme ist insbesondere nicht unverhältnismäßig. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass bereits eine einmalige Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h regelmäßig eine so erhebliche Verkehrsübertretung darstellt, dass eine Androhung nicht ausreichend, sondern die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage geboten ist, selbst wenn durch die Geschwindigkeitsübertretung, die eine der hauptsächlichen Unfallursachen ist, eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten ist (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. vom 17.05.1995, BVerwGE 98, 227 = NZV 1995, 460 m. w. Nw.; Beschl. v. 12.07.1995, NJW 1995, 3402; Beschl. vom 09.09.1999, NZV 2000, 386; Niedersächsisches OVG, Urt. vom 08.05.1995 - 12 L 7501/94 -; Beschl. vom 20.04.1998 - 12 L 1886/98 -; Beschl. vom 27.06.2000 - 12 L 2377/00 -; VG Braunschweig, Urt. vom 10.10.2000 - 322/99 - und 19.12.2003 - 6 A 738/02 -).
Als Maßnahme der Gefahrenabwehr ergänzt die Fahrtenbuchanordnung die für das fragliche Fahrzeug bestehende Kennzeichnungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a StVG i.V.m. den §§ 18, 23 StVZO. Um die hiernach gebotene Überwachung der Fahrzeugbenutzung durchführen und den Fahrzeughalter zur zukünftigen Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes anhalten zu können, ist eine gewisse, nicht zu geringe Dauer der Fahrtenbuchauflage erforderlich. Bereits ein Geschwindigkeitsverstoß, der zu einer Eintragung in das Verkehrszentralregister von einem Punkt führt, rechtfertigt eine Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches von sechs Monaten (vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. vom 17.05.1995, aaO; Niedersächsisches OVG Beschl. vom 08.03.1999 - 12 L 976/99 -, Beschl. vom 27.06.00 - 12 L 2377/00 - m.w.Nw.). Bei einem Verstoß, der - wie hier - gemäß Nr. 5.4 der Anlage 13 ("Punktebewertung nach dem Punktsystem") zu § 40 der Fahrerlaubnis-Verordnung zu einer Eintragung von drei Punkten im Verkehrszentralregister geführt hätte und mit Rücksicht auf die erheblich erhöhte Gefährlichkeit eines Geschwindigkeitsverstoßes der hier gegebenen Größenordnung übersteigt eine Anordnung, die sich auf zwölf Monate erstreckt, das zulässige Maß der gebotenen effektiven Kontrolle nicht und stellt auch keine übermäßige Belastung dar (vgl. dazu bereits BVerwG, Urt. vom 13.10.1978 - VII C 49.77 - VkBl. 1979, 209 - zitiert nach Juris; BVerwG, Beschl. vom 23.06.1989 - 7 B 90/89 - Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 20; VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 18.06.1991 - 10 S 938/91 - NZV 1991, 445; VG Berlin, Urt. vom 28.05.1998 - 25 A 172.97 -, NZV 1999, 104; VG Braunschweig, Urt. vom 02.04.2003 - 6 A 602/02 m. w. Nw.; ebenso Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. A., § 31a StVZO, Rn 8).
Die angegriffene Fahrtenbuchanordnung widerspricht auch nicht dem Zweck der Bestimmungen in § 31a StVZO. Die Fahrtenbuchanordnung soll nicht nur Verkehrszuwiderhandlungen durch (hier: die Inhaber) den Fahrzeughalter vorbeugen, sondern hat eine umfassendere Aufgabe. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass bei künftigen Verkehrsverstößen mit dem Fahrzeug die Feststellung des Fahrers anders als in dem Anlassfall ohne Schwierigkeiten möglich ist. Sie richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Auch wenn von dem Fahrzeughalter selbst keine Verkehrszuwiderhandlungen zu befürchten wären, stünde dies der Fahrtenbuchanordnung nicht entgegen.
Frei von Ermessensfehlern ist die Fahrtenbuchanordnung auch, soweit sie sich auf ein Ersatzfahrzeug erstreckt. Die Anordnung eines Fahrtenbuchs für ein Ersatzfahrzeug, die ihre Rechtsgrundlage ebenfalls in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO findet, ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in aller Regel vereinbar. Nur so kann bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens sichergestellt werden, dass die Regelungen in § 31a StVZO nicht leer laufen und der Halter sich seiner Verpflichtung nicht durch den Verkauf des von der Fahrtenbuchanordnung unmittelbar erfassten Fahrzeugs entzieht. Anhaltspunkte, die für den vorliegenden Fall eine Ausnahme rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus der Anwendung der §§ 167 VwGO, 711 und 708 Nr. 11 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG und berücksichtigt für jeden Monat der Dauer der streitigen Anordnung einen Betrag in Höhe von 250,00 Euro (vgl. dazu Nr. 45.6 der Empfehlungen im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Januar 1996, DVBl. 1996, 605, 610).