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OLG Karlsruhe Urteil vom 08.04.1999 - 1 Ss 173/98 - Zur Urkundenfälschung durch Ausfüllen einer Zweitdiagrammscheibe eine Zwei-Fahrer-Kontrollgräts mit dem eigenen Namen

OLG Karlsruhe v. 08.04.1999: Zur Urkundenfälschung durch Ausfüllen einer Zweitdiagrammscheibe eine Zwei-Fahrer-Kontrollgräts mit dem eigenen Namen


Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 08.04.1999 - 1 Ss 173/98) hat entschieden:
  1. Die Fahrtschreiberaufzeichnungen des sog Zwei-Fahrer-Kontrollgeräts haben mit Eintragung der gebotenen Angaben und mit Beginn der Aufzeichnung Urkundenqualität.

  2. Die Schaublätter des Aufzeichnungsgeräts sind dem jeweiligen Fahrer/lenkbereiten Beifahrer höchstpersönlich zugeordnet.

  3. Werden in beide Aufzeichnungsteile eines solchen Zwei-Fahrer-Kontrollgeräts zeitgleich jeweils verschiedene Schaublätter, die den Aussteller aufweisen, eingelegt, so wird dadurch der Eindruck erweckt, das Fahrzeug sei mit zwei Fahrern besetzt gewesen, von denen jeder das ihm zugeordnete Schaublatt ausgefüllt habe.

  4. Füllt der Fahrer - mangels eines lenkbereiten Beifahrers - beide Schaublätter aus und versieht sie mit dem Nachnamen, so hat er bei der Herstellung der dem vermeintlichen zweiten Fahrer zugeordneten Fahrtschreiberaufzeichnung den Eindruck hervorgerufen, diese stamme von einem zweiten Fahrer mit dem gleichen Nachnamen. Darin liegt die Herstellung einer unechten Urkunde.


Siehe auch EG-Kontrollgerät - Fahrtenschreiber - Fahrerkarte


Zum Sachverhalt: Der Angeklagte führte am 17./18.07.1996 als verantwortlicher Fahrer den Sattelzug seiner Arbeitgeberfirma von Albbruck nach Düsseldorf. Bei Fahrtantritt mit dem Sattelzug, dessen Zugmaschine mit dem nach Art. 3 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 3821/85 vorgeschriebene Kontrollgerät, einem sogenannten Zwei-Fahrer-Gerät mit zwei Schaublättern, ausgerüstet ist, legte der Angeklagte sowohl in das dem Fahrer zugeordnete Gerät als auch in das dem Beifahrer zugeordnete Gerät jeweils ein Schaublatt ein, das er mit seinem (richtigen) Nachnamen versehen hatte; einen Vornamen hatte er auf beiden Schaublättern nicht eingetragen. Nachdem in der Zeit vom 17.07.1996, 19.40 Uhr bis 18.07.1996, 3.30 Uhr, auf dem dem Fahrer zugeordneten Schaublatt eine Lenkzeit und für denselben Zeitraum auf dem dem Beifahrer zugeordneten Schaublatt die Ruhezeit aufgezeichnet worden war, tauschte der Angeklagte am 18.07.1996 gegen 3.30 Uhr die beiden Schaublätter gegeneinander aus und setzte seine Fahrt fort. Hierdurch wollte er den Eindruck erwecken, daß auf der gesamten Fahrt nicht nur er, sondern zeitweise ein anderer Fahrer mit demselben Nachnamen die Zugmaschine geführt hatte. Dadurch wollte er verdecken, daß er die gesetzlich zulässige Höchstlenkzeit um mehrere Stunden überschritten hatte, denn tatsächlich gab es während der gesamten Fahrt keinen zweiten Fahrer.

Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vom 19.01.1998 wegen Urkundenfälschung zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 65 DM verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Berufung verwarf das Landgericht Waldshut-Tiengen mit Urteil vom 23.06.1998.

Gegen dieses Urteil richtet sich die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Sie hat im Ergebnis keinen Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Angeklagte hat, indem er bei Fahrtantritt auch auf dem dem vermeintlichen Beifahrer zugeordneten Schaublatt der Fahrtschreiberaufzeichnung seinen (richtigen) Nachnamen, nicht aber seinen Vornamen eingetragen hat, eine unechte Urkunde hergestellt.

1. Die Fahrtschreiberaufzeichnungen stellen Urkunden i.S.d. § 267 StGB dar. Die Schaublätter enthalten zwar in ihrem Diagrammteil keine Gedankenerklärung. Sie sind vielmehr nach Aufzeichnung durch den Fahrtschreiber sogenannte Augenscheinsobjekte, denen kein Urkundencharakter zukommt. Mit der Eintragung des Fahrers und des Datums der Fahrt wird aber nach Beginn der Aufzeichnung durch den Fahrtschreiber eine feste Beweisbeziehung zum Augenscheinsobjekt hergestellt, wodurch das Schaublatt als Ganzes zur zusammengesetzten Urkunde wird. Diese Urkunde verkörpert die Gedankenerklärung, daß der auf dem Schaublatt eingetragene Fahrer zu der eingetragenen Zeit das Kraftfahrzeug geführt hat (BayObLG St 1980, 81; VRS 82, 347, 348; NZV 1994, 36, 37; Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 267 Rn. 3).

2. Die dem tatsächlich nicht existierenden zweiten Fahrer zuzuordnende Fahrtschreiberaufzeichnung stellt im vorliegenden Fall eine unechte Urkunde dar. Unecht i.S.d. § 267 StGB ist die Urkunde, wenn sich nicht von dem stammt, der nach außen als Aussteller in Erscheinung tritt.

a) Für den vorliegenden Fall sind der Fahrer des Kraftfahrzeugs bzw. der lenkbereite Beifahrer für die ihnen jeweils zuzuordnende Fahrtschreiberaufzeichnung als Aussteller anzusehen. "Fahrer" ist nach der Legaldefinition in Art. 1 Nr. 3 VO (EWG) Nr. 3820/85 der augenblickliche Fahrer wie der im Fahrzeug befindliche lenkbereite Beifahrer. Ihn trifft im Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr. 3821/85 die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Behandlung der Schaublätter, insbesondere zur Eintragung bestimmter Angaben. So hat der Fahrer darauf zu achten, daß das Kontrollgerät richtig eingestellt und bedient wird; ferner hat er u.a. bei Beginn der Benutzung des Blattes seinen Namen und - zur Klärung der Personenidentität- seinen Vornamen einzutragen (Art. 15 Abs. 3 und 5 VO (EWG) Nr. 3821/85). Die Schaublätter sind nicht dem Fahrzeug, sondern dem jeweiligen Fahrer/Beifahrer zugeordnet; sie sind daher "höchstpersönlich" und beim Wechsel des Fahrzeugs von dem jeweiligen Mitglied des Fahrpersonals mitzunehmen (Lütkes/Meyer/Wagner/Emmerich, Straßenverkehr, Art. 15 VO (EWG) 3821/85 Leitzahl 6 Anm. 4). Da somit ausschließlich der jeweilige Fahrer/Beifahrer dafür verantwortlich ist, daß die Aufzeichnungen und eingetragenen Erklärungen der ihm zuzuordnenden Diagrammscheibe richtig sind, ist er als Aussteller der Urkunde anzusehen (BayObLG VRS 82, 347, 348; Lütkes/Meyer/Wagner/Emmerich a.a.O.; Andresen/Winkler, Fahrpersonalgesetz und Sozialvorschriften für Kraftfahrer, Art. 15 VO (EWG) Nr. 3821/85 Abschnitt D Anm. 7).

b) Der Angeklagte hat zwar im vorliegenden Fall auf dem dem zweiten Fahrer zugeordneten Schaublatt keinen anderen Nachnamen eingetragen (zur Urkundenfälschung durch Identitätstäuschung bei derartigen Sachverhalten BayObLG VRS 82, 347; NZV 1994, 36), sondern er hat auf diesem wie auch auf dem ihm zugeordneten Schaublatt jeweils denselben Nachnamen vermerkt; er hat indes den Vornamen, zu dessen Eintragung er nach Art. 15 Abs. 5 a VO (EWG) Nr. 3821/85 ausdrücklich verpflichtet gewesen wäre, weggelassen. Durch dieses Verhalten hat der Angeklagte - entsprechend seiner festgestellten Absicht - den Eindruck erweckt, der Aussteller des dem zweiten Fahrer (fahrbereiten Beifahrer) zuzuordnenden Schaublatts sei eine andere Person als diejenige, von der die Urkunde herrührt.

Bei der Prüfung der Echtheit einer Urkunde i.S.v. § 267 StGB muß in der Regel auch deren Verwendungszweck mitberücksichtigt werden (BGHSt 40, 203 ff., 206). Gerade bei dem Funktionszusammenhang eines Zwei-Fahrer-Gerätes können die beiden vom Angeklagten jeweils mit seinem Nachnamen (unter Weglassung des Vornamens) versehenen Schaublätter nicht isoliert betrachtet werden. Sie müssen vielmehr - in einer Zusammenschau - aufeinander bezogen gelesen werden. Allein dies entspricht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, bei einer Kontrolle, bei der gem. Art. 15 Abs. 7 VO (EWG) Nr. 3821/85 dem Kontrollbeamten die Schaublätter einer Woche vorzulegen sind, den Nachweis der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten der (beiden) Fahrer zu ermöglichen. Werden somit in ein sogenanntes "Zwei-Fahrer-Kontrollgerät", welches in dem für eine Fahrt mit zwei Fahrern vorgeschriebenen Modus betrieben wird, zeitgleich in beide Aufzeichnungsgeräte jeweils verschiedene Schaublätter, die den Aussteller aufweisen, eingelegt, so wird dadurch der Eindruck erweckt, das Fahrzeug sei mit zwei Fahrern besetzt gewesen, von denen jeder das ihm zugeordnete Schaublatt ausgefüllt habe. Da vorliegend der Angeklagte aber beide Schaublätter ausgefüllt und mit dem Nachnamen versehen hat, weil es einen zweiten Fahrer nicht gab, hat er bei der Herstellung der dem vermeintlichen zweiten Fahrer zugeordneten Fahrtschreiberaufzeichnung den Eindruck hervorgerufen, diese stamme von einem zweiten Fahrer mit dem gleichen Nachnamen. Er hat damit eine Identitätstäuschung bzgl. des Ausstellers dieser Fahrtschreiberaufzeichnung begangen und eine unechte Urkunde hergestellt. Die im bisherigen Verfahren angesprochene Frage einer Sachverhaltsalternativität bzw. (gleichartigen) Wahlfeststellung stellt sich hierbei nicht.

Der Schuldspruch wegen Urkundenfälschung ist nach alledem nicht zu beanstanden. ..."



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