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OLG Karlsruhe Beschluss vom 22.06.2007 - 1 Ss 44/07 - Zum Absehen vom Fahrverbot, wenn zwischen Tat und Urteil 23 Monate liegen
OLG Karlsruhe v. 22.06.2007: Zum Absehen vom Fahrverbot, wenn zwischen Tat und Urteil 23 Monate liegen
Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 22.06.2007 - 1 Ss 44/07) hat entschieden:
Von der Anordnung eines Fahrverbots kann abgesehen werden, wenn zwischen der Tat und ihrer gerichtlichen Ahndung 23 Monate liegen, der Betroffene verkehrsrechtlich nicht mehr auffällig wurde und die lange Verfahrensdauer auch auf Gründen beruht, die außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen liegen.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Fahrverbot
Zum Sachverhalt:
Das Amtsgericht hat die Betroffene am 17.1.2007 wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr mit einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l erneut zu einer Geldbuße von 250 € verurteilt und ihr für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen (vgl. hierzu auch den in vorliegender Sache ergangenen ersten Senatsbeschluss vom 5.5.2006, 1 Ss 32/06, abgedruckt in NJW 2006, 1988 ff. = DAR 2006, 465 ff. = VRS 110, 440 ff. = NZV 2006, 438 f. = Blutalkohol 43, 410 ff. = ZfSch 2006, 473 ff.). Hiergegen wendete sich die Rechtsbeschwerde, mit welcher die Verletzung materiellen und formellen Rechts beanstandet wurde.
Das Rechtsmittel war hinsichtlich des Fahrverbots erfolgreich.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Den Angriffen gegen den Schuldspruch muss ein Erfolg versagt bleiben, da das angegriffene Urteil keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen erkennen lässt. Insbesondere ist die umfassende gerichtliche Beweiswürdigung entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht zu beanstanden. Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Antragsschrift vom 13.4.2007.
Indes bedurfte der Rechtsfolgenausspruch der Korrektur. Zwar geht das Amtsgericht zutreffend davon aus, dass bei dem abgeurteilten Trunkenheitsverstoß neben der Geldbuße regelmäßig auch die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes anzuordnen ist. Der Tatrichter hat sich aber nicht in gebotener Weise mit der Frage befasst, ob vorliegend ein Abweichen von der Regelfolge gerechtfertigt sein könnte, weil unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Verhängung eines Fahrverbotes nicht mehr geboten ist. Nach einhelliger Auffassung der obergerichtlichen Rechtsprechung hat das Fahrverbot nach der gesetzgeberischen Intention nämlich eine Erziehungsfunktion und ist als „Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme“ gedacht und ausgeformt. Von ihm soll eine warnende Wirkung auf den Betroffenen ausgehen und ihn anhalten, sich künftig verkehrsordnungsgemäß zu verhalten (vgl. OLG Schleswig DAR 2000, 584, Senatsentscheidungen vom 06.11.2003 - 1 Ss 133/03 und 19.4.2004, 1 Ss 53/04). Das Fahrverbot kann aber dann seinen Sinn verlieren, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und dem Wirksamwerden der Maßnahme ein erheblicher Zeitraum liegt und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten im Straßenverkehr festgestellt werden konnte (vgl. auch die Nachweise bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, StVG, § 25 Rn. 24). In einem solchen Fall kann der spezialpräventive Zweck der Maßnahme bereits durch die lange Zeit des Schwebezustandes und die für den Betroffenen damit verbundene Ungewissheit über das Fahrverbot erreicht sein (OLG Schleswig, a.a.O).
Die Frage, ob bzw. ab wann von einem erheblichen Zeitraum zwischen der Tat und ihrer Ahndung durch ein Fahrverbot auszugehen ist, lässt sich nicht an Hand bestimmter Regelgrenzen beantworten, sondern ist im Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände zu entscheiden. Im vorliegenden Verfahren liegen zwischen der Tatbegehung am 13.2.2005 und ihrer nun-mehrigen Ahndung am 17.1.2007 etwa 23 Monate; eine Vollstreckung eines Fahrverbots könnte frühestens 30 Monate nach der Tat erfolgen. Besondere Bedeutung kommt hier dem Umstand zu, dass die lange Verfahrensdauer auch auf Gründen beruht, die außerhalb des Einflussbereichs der Betroffenen lagen (BayObLG NZV 2002, 280 f.). So konnte nach dem Beschluss des Senates vom 5.5.2006, mit welchem auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen ein zunächst ergangenes Urteil des Amtsgerichts aufgehoben worden war, die neue Hauptverhandlung erst am 17.1.2007, mithin acht Monate später, durchgeführt werden, ohne dass hierfür zwingende oder auf das Prozessverhalten der Betroffenen rückführbare Gründe ersichtlich sind. Auch weitere Verkehrsverstöße der Betroffenen sind in der Zwischenzeit nicht bekannt geworden.
Zwar hat das Amtsgericht den Zeitablauf durchaus bedacht, die Gründe hierfür aber nicht umfassend in seine Erwägungen mit eingestellt. Auch fehlen Ausführungen dazu, ob die im Urteil angeführte Uneinsichtigkeit der Betroffenen (UA S. 10) auf einer rechtsfeindlichen Gesinnung oder lediglich auf einem zulässigen Verteidigungsverhalten beruhte (vgl. OLG Stuttgart DAR 1999, 180).
Der Senat konnte vorliegend von einer erneuten Aufhebung des Urteils absehen und hat auch im Hinblick auf die weitere Verfahrensdauer in der Sache selbst entschieden (§ 79 Abs. 6 OWiG). Wegen des Zeitablaufs war von der Verhängung eines Fahrverbot abzusehen. Aufgrund der bestehenden Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot erschien jedoch die Erhöhung der Geldbuße auf 300 € angemessen. ..."