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OLG Hamm Beschluss vom 02.07.2007 - 3 Ss OWi 360/07 - Zur Kompensation eine ursprünglich verhängten Fahrverbots nach Zurückverweisung
OLG Hamm v. 02.07.2007: Zur Kompensation eine ursprünglich verhängten Fahrverbots nach Zurückverweisung
Das OLG Hamm (Beschluss vom 02.07.2007 - 3 Ss OWi 360/07) hat entschieden:
Der Tatrichter darf nach Aufhebung des Bußgeldausspruchs und des Fahrverbots durch das Rechtsbeschwerdegericht die ursprünglich verhängte Geldbuße grundsätzlich erhöhen, wenn er von der nochmaligen Verhängung eines Fahrverbots absieht. Allerdings kommt eine Erhöhung der Geldbuße wegen des Absehens vom Fahrverbot gemäß § 4 Abs. 4 BKatV dann nicht mehr in Betracht, wenn es der Anordnung eines Fahrverbots wegen des langen Zeitablaufs zwischen der Tat und deren Ahndung zur erzieherischen Einwirkung auf den Betroffenen nicht mehr bedarf.
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Zum Sachverhalt: Das Amtsgericht Herford hat die Betroffene am 12.04.2006 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße von 150 € verurteilt und zugleich ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen dieses Urteil hat der Senat durch Beschluß vom 18.10.2006 das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.
Daraufhin hat das Amtsgericht Herford die Betroffene am 09.01.2007 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße von 300 € verurteilt.
Nach den Urteilsfeststellungen überschritt die Betroffene am 13.07.2004 auf der Bundesautobahn 30 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 53 km/h. Das Amtsgericht hat von der Anordnung eines Fahrverbotes „ausnahmsweise gemäß § 4 Abs. 4 Bußgeldkatalog-Verordnung abgesehen“ und dazu weiter ausgeführt:
„Unter Berücksichtigung des Umstands, daß der Verkehrsverstoß vor nunmehr über 2 Jahren begangen wurde und die Betroffene sich seither an die Verkehrsvorschriften gehalten hat, konnte erwartet werden, daß eine hinreichende Abschreckungswirkung auch ohne ein Fahrverbot durch eine lediglich spürbar erhöhte Geldbuße zu erreichen ist.“
Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde, die sie mit der Verletzung materiellen Rechts näher begründet, und mit der sie einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde der Betroffenen als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs hatte das Rechtsmittel teilweise Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Der Rechtsfolgenausspruch in dem angefochtenen Urteil hält dagegen der rechtlichen Überprüfung nicht Stand.
Zwar ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht von der Verhängung des nach der Bußgeldkatalog-Verordnung (§ 4 Abs. 1 i.V.m. Tabelle 1 c) lfd. Nr. 11.3.8 an sich verwirklichten (Regel-)Fahrverbots abgesehen hat, weil seit der Tat mehr als zwei Jahre verstrichen sind. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats. Der Senat hat hierzu bereits in seinem Beschluss vom 25.06.2002 3 Ss OWi 341/02 OLG Hamm ausgeführt, dass ein erheblicher Zeitablauf seit der Tat dazu führen kann, dass es einer erzieherischen Einwirkung auf den Täter durch die Verhängung eines Fahrverbotes nicht mehr bedarf, wobei dies bei einem Zeitraum von mehr als zwei Jahren zwischen Tat und Ahndung sicher anzunehmen ist. Das Fahrverbot dient nämlich in erster Linie spezialpräventiven Zwecken und kann seine Warnungs und Besinnungsfunktion auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter nur dann erfüllen, wenn es sich in einem kurzen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der erhebliche Zeitablauf zwischen Tat und Verhängung des Fahrverbotes dem Betroffenen angelastet werden könnte (Senat, a.a.O.). Dies ist vorliegend indes nicht der Fall, da die Betroffene das Verfahren nicht in unlauterer Weise verzögert hat.
Demgegenüber sind die für die Bemessung der Höhe der verhängten Geldbuße maßgebenden Erwägungen des Amtsgerichts, wie sie sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergeben, rechtsfehlerhaft.
Entgegen der Auffassung der Betroffenen folgt dies nicht bereits aus einem Verbot gegen das Verschlechterungsverbot, das gemäß aus § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 358 Abs. 2 StPO im Rechtsbeschwerdeverfahren gilt und von Amts wegen zu berücksichtigen ist (OLG Düsseldorf, MDR 1999, 500 m.w.N.; Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 79, Rdnr. 37). Hat der Betroffene - oder die Staatsanwaltschaft zu seinen Gunsten - Rechtsbeschwerde eingelegt, so darf die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des Betroffenen geändert werden. Das gilt selbst dann, wenn die erste amtsgerichtliche Entscheidung auf einem schweren Verfahrensverstoß beruhte und deshalb auf eine frühere Rechtsbeschwerde aufgehoben worden war (OLG Karlsruhe, NJW 1974, 1718) oder nach einer Aufhebung eines Verwerfungsurteils nach § 74 Abs. 2 (OLG Braunschweig, NStZ 2003, 96; Göhler, a.a.O., Rdnr. 37).
Die Anordnung eines bisher nicht verhängten Fahrverbots in einem von dem Betroffenen betriebenen Rechtsmittelverfahren stellt – auch bei nachhaltiger Herabsetzung der Geldbuße - immer eine unzulässige Verschlechterung gegenüber dem bloßen Bußgeldausspruch dar. Denn im Ordnungswidrigkeitenverfahren stellt die Verhängung eines Fahrverbots nach § 25 StVG gegenüber der Geldbuße die härtere Reaktion dar (OLG Hamm, Beschluß vom 12.08.2004, 4 Ss OWi 418/04, bei www.burhoff.de; OLG Karlsruhe NZV 1993, 450). Denn dem Gesetz läßt sich im Wege der Auslegung entnehmen, daß die Geldbuße gegenüber dem Fahrverbot die mildere Form der Ahndung darstellt (BGHSt 24, 11). Das ergibt sich schon daraus, daß eine Geldbuße verhängt werden kann, wenn schlechthin eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr begangen worden ist, daß ein Fahrverbot jedoch erst ausgesprochen werden darf, wenn bestimmte zusätzliche Qualifikationsmerkmale vorliegen, die den Unrechtsgehalt der Tat vergrößern, nämlich wenn ein Kraftfahrzeugführer grob oder beharrlich seine Pflichten verletzt hat und sich trotz der Buße nicht auf diese Pflichten besinnen wird (BGHSt 24, 11)
Dagegen darf der Tatrichter nach Aufhebung des Bußgeldausspruchs und des Fahrverbots durch das Rechtsbeschwerdegericht die ursprünglich verhängte Geldbuße grundsätzlich erhöhen, wenn er von der nochmaligen Verhängung eines Fahrverbots absieht. Ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot ist dann nicht gegeben, wenn die Gesamtschau der verhängten Ahndungsmaßnahmen keine Veränderung zum Nachteil des Betroffenen erkennen läßt. Entscheidend ist dabei, ob und inwieweit die angemessene Erhöhung der Geldbuße beim Wegfall des Fahrverbots für den Betroffenen weniger drückend ist als die bisherige Geldbuße bei gleichzeitigem Fahrverbot (BGHSt 24, 11)
Allerdings kommt eine Erhöhung der Geldbuße wegen des Absehens vom Fahrverbot gemäß § 4 Abs. 4 BKatV dann nicht mehr in Betracht, wenn es der Anordnung eines Fahrverbots wegen des langen Zeitablaufs zwischen der Tat und deren Ahndung zur erzieherischen Einwirkung auf den Betroffenen nicht mehr bedarf. Da die Denkzettel- und Warnungsfunktion des Fahrverbots entfallen ist, hat auch eine Erhöhung der Geldbuße zur Erreichung dieses spezialpräventiven Zweckes zu unterbleiben (vgl. OLG Bamberg, Beschluß vom 14.02.06, DAR 2006, 337; OLG Celle, Beschluß vom 23.12.2004, VRS 108, 118, 121). Denn sowohl die Anordnung eines Regelfahrverbots als auch das ausnahmsweise Absehen davon bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße können ihren Strafcharakter nur dann erfüllen, wenn sie sich in einem kurzen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Betroffenen auswirken. Das ist bei einer Zeitdauer von zweieinhalb Jahren wie im vorliegenden Sachverhalt jedenfalls nicht mehr der Fall.
Die danach gebotene Änderung des Rechtsfolgenausspruchs nimmt der Senat gemäß § 79 Abs. 6 OWiG selbst vor. Der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 353, 354 II StPO) bedarf es nicht, weil der festgestellte Sachverhalt eine abschließende Beurteilung zuläßt. Insbesondere enthalten die Urteilsfeststellung ausreichende Anhaltspunkte zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen. Weitere für den Rechtsfolgenausspruch bedeutsame Feststellungen sind weder erforderlich noch zu erwarten.
Zur Ahndung der Tat hält der Senat die Verhängung einer Geldbuße von 150 € gegen die verkehrsrechtlich nicht vorbelastete Betroffene für angemessen. Diese Geldbuße entspricht der in der Bußgeldkatalog-Verordnung (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Tabelle 1 c) unter laufender Nr. 11.3.8 vorgesehenen Regelbuße für den Fall der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 51 bis zu 60 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften. Anlaß für ein Abweichen von diesem Regelsatz besteht nicht.
Mit dieser Maßgabe ist die im Übrigen unbegründete Rechtsbeschwerde zu verwerfen. ..."