Das Verkehrslexikon
Rechtsprechungsüberblick: Kein Regelfahrverbot mehr, wenn die Tat schon lange zurückliegt
Rechtsprechungsüberblick: Kein Regelfahrverbot mehr, wenn die Tat schon lange zurückliegt
Siehe auch Stichwörter zum Thema Fahrverbot
Das BayObLG (Beschluss vom 18.10.1996 - 2 ObOWi 777/96) hat ausgesprochen:
"Ein Fahrverbot gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG kann seinen Sinn verloren haben, wenn die zu ahndende Tat lange zurückliegt und de Betroffene sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat."
Mangels Tatbestandswiedergabe ist aber leider nicht zu ermitteln, was unter "lange" zu verstehen ist (das Gericht spricht in den Gründen auch von einem "erheblichen Zeitraum", ohne diesen zu definieren).
In gleichem Sinn hat das OLG Düsseldorf DAR 2000, 415 (Beschl. v. 27.03.2000 - 2a Ss (OWi) 43/00) entschieden (wenn inzwischen mehr als zwei Jahre vergangen sind, müssen besondere Umstände vorliegen, die noch ein Fahrverbot rechtfertigen); ebenso wohl OLG Stuttgart DAR 1999, 180 (Beschl. v. 09.12.1998 - 1 Ss 718/98 - es handelte sich um ein Fahrverbot nach § 44 StGB und der Zeitraum seit der Tat betrug 2,5 Jahre).
Auch das OLG Köln DAR 2000, 485 (Beschl. v. 16.06.2000 - Ss 241/00 B) hat entschieden:
"Ein Fahrverbot gem StVG § 25 Abs 1 S 1 kann seinen Sinn verloren haben, wenn die Tat längere Zeit zurückliegt und für die lange Verfahrensdauer maßgeblich Umstände außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen - zB ein Fehler innerhalb der Justiz - ursächlich sind."
In einem Fall, in dem seit dem Tatzeitpunkt bis zur Entscheidung zwei Jahre vergangen waren, hat das OLG Schleswig DAR 2001, 40 (Beschl. v. 06.11.2000 - 2 Ss OWi 283/00) das Fahrverbot für nicht mehr angemessen angesehen.
Entgegen der Auffassung von Schulz (zfs 1998, 383) hält aber das AG Lüdinghausen NZV 2005, 213 (Urt. v. 10.02.2005 - 16 Cs 82 Js 441/04 - 130/04) einen Zeitraum von nur einem Jahr für zu kurz, um vom Fahrverbot abzusehen.
Ausführungen zum Absehen vom Fahrverbot wegen langen Zeitablaufs finden sich auch in den Entscheidungen des OLG Rostock VRS 107, 442 ff. (Urt. v. 20.04.2004 - 2 Ss (OWi) 102/04) und des OLG Karlsruhe DAR 2005, 168 (Beschl. v. 18.01.2005 - 2 Ss 152/04).
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Urteil des OLG Hamm DAR 2006, 100 f. = NZV 2006, 50 f. (Beschl. v. 25.08.2005 - 2 Ss OWi 546/05), in dem auch zu der Frage Stellung genommen wird, inwieweit das Verfahrensverhalten des Betroffenen zur lagen Verfahrensdauer beigetragen hat:
"Das Ausschöpfen von Rechtsmitteln und Rechten durch einen Betroffenen kann grundsätzlich nicht als unlauter angesehen werden. Die dadurch entstehende Verfahrensverzögerung muss bei der Beurteilung der Frage, ob langer Zeitablauf der Erforderlichkeit des Fahrverbotes entgegensteht, berücksichtigt werden."
Andererseits hat in neuerer Zeit das OLG Hamm (Beschluss vom 17.02.2009 - 3 SsOWi 941/08) sinngemäß ausgeführt:
Ist der lange Verfahrenszeitraum nur insoweit von dem Betroffenen verursacht, dass er sich nicht zur Sache eingelassen oder seine Fahrereigenschaft lediglich bestritten hat, so wäre dies kein Umstand, der das Gericht daran hindern würde, das Fahrverbot ggf. entfallen zu lassen. Hierbei würde es sich lediglich um zulässiges Verteidigungsverhalten handeln, woraus dem Betroffenen keine Nachteile erwachsen dürfen. Beruht der lange Zeitraum aber z.B. darauf, dass zusätzliche Ermittlungen erforderlich wurden, weil der Betroffene irgendwann im Verlaufe des Verfahrens (wahrheitswidrig) den Tatverdacht auf eine andere Person gelenkt hat, so würde dies ein dem Betroffenen zuzurechnender Verzögerungsumstand sein, der dann auch ein Fahrverbot noch nach Ablauf von zwei Jahren seit der Tat rechtfertigen könnte.
Die letztgenannte Entscheidung gibt auch zusammengefasst die Grundsätze für die Verhängung eines Fahrverbots nach mehr als zwei Jahren zwischen Tat und Urteil wieder.
Einen interessanten anderen Weg geht das OLG Hamm (Beschluss vom 24.03.2011 - 3 RBs 70/10) mit seiner Vollstreckungslösung:
Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen im Bußgeldverfahren können dazu führen, dass in entsprechender Anwendung der für das Strafverfahren entwickelten Vollstreckungslösung das angeordnete Fahrverbot (teilweise) als vollstreckt gilt.