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Amtsgericht Nürtingen Beschluss vom 29.08.1994 - 16 OWi 741/94 - Zur Abgabe des Führerscheins bei der Polizei zwecks Verbüßung des Fahrverbots

AG Nürtingen v. 29.08.1994: Zur Abgabe des Führerscheins bei der Polizei zwecks Verbüßung des Fahrverbots


Das Amtsgericht Nürtingen (Beschluss vom 29.08.1994 - 16 OWi 741/94) hat entscheiden:
  1. Die amtliche Verwahrung des Führerscheins beim Fahrverbot beginnt erst mit dem Zeitpunkt, zu dem der Führerschein bei der zuständigen Verwaltungsbehörde (hier: das Landratsamt) eingeht.

  2. Die Abgabe des Führerscheins beim Polizeirevier stellt keine amtliche Verwahrung dar.

  3. Es darf aber dann darauf vertraut werden, daß die Fahrverbotsfrist ab dem Zeitpunkt der Abgabe des Führerscheins bei der Polizei läuft, wenn der Führerschein dort ohne entsprechenden Hinweis, daß die Verbotsfrist erst ab Eingang des Führerscheins beim Landratsamt läuft, entgegengenommen wird.

Siehe auch Stichwörter zum Thema Fahrverbot


Zum Sachverhalt: Am 16.6.1993 erließ das Landratsamt E. gegen den Betr. wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 43 km/h einen Bußgeldbescheid, der eine Geldbuße von DM 200 zuzüglich Kosten sowie ein Fahrverbot von 1 Monat aussprach.

Dieser Bußgeldbescheid ist seit 30.7.1994 rechtskräftig. Am gleichen Tage ging der Betr. zum Polizeirevier M., um seinen Führerschein zur Vollstreckung des im Bußgeldbescheid verhängten 1-monatigen Fahrverbots in amtliche Verwahrung zu geben. Da er jedoch keinen Bußgeldbescheid vorweisen konnte, behielt die diensthabende Polizeimeisterin den Führerschein des Betr. zunächst nicht ein. Der Verteidiger des Beschuldigten übermittelte darauf hin noch am gleichen Tage die Rücknahme des eingelegten Einspruchs gegen Bußgeldbescheid und Fahrverbot, worauf hin das Polizeirevier M. am 30.7.1994 gegen 16.00 Uhr den Führerschein des Betr. entgegen nahm.

Mit Schreiben vom 9.8.1994 teilte das Landratsamt E. als zuständige Verwaltungsbehörde dem Beschuldigten und seinem Verteidiger mit, daß das gegen den Betr. verhängte Fahrverbot seit 30.7.1994 wirksam ist und mit Ablauf des 3.9.1994 endet.

Der Verteidiger des Betr. hingegen ist der Ansicht, daß das Fahrverbot, welches am 30.7.1994 mit Einspruchsrücknahme wirksam wurde, mit Ablauf des 30.8.1994 endet. Dies deshalb, weil der Betr. mit Abgabe seines Führerscheins an das Polizeirevier M. darüber nicht mehr verfügen konnte.

Die Verwaltungsbehörde hingegen ist der Ansicht, daß für den Beginn der amtlichen Verwahrung des Führerscheins erst der Eingang bei der zuständigen Verwaltungsbehörde maßgeblich ist, hier also der 3.8.94.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Führerschein ist dem Betr. am 30.8.1994 von der Verwaltungsbehörde zurückzugeben.

Gemäß § 25 Abs. 2 StVG wird das Fahrverbot mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam, für die Dauer des Fahrverbotes ist ein deutscher Führerschein amtlich zu verwahren. Gemäß § 25 Abs. 5 StVG wird die Verbotsfrist bei amtlicher Verwahrung des Führerscheins erst von dem Tage an gerechnet, an dem dies geschieht.

In amtliche Verwahrung im Sinne von § 25 StVG wurde der Führerschein des Betr. erst am 4.8.94, "
- Schreibfehler? lt. Sachverhalt war Eingang der 3.8.94 -
"nämlich mit Eingang bei der zuständigen Verwaltungsbehörde, dem Landratsamt E., genommen. Die Abgabe des Führerscheins am 30.7.1994 beim Polizeirevier M. stellt keine amtliche Verwahrung im Sinne dieser Vorschrift dar.

Diese Ansicht wird auch durch die einschlägige Literatur bestätigt, wonach für den Beginn der amtlichen Verwahrung des Führerscheins nur der Eingang bei der Behörde maßgeblich sein kann, bei der der Führerschein verwahrt werden soll (Himmelreich-Hentschel, „Fahrverbot und Führerscheinentzug"). Somit ist die Ansicht des Landratsamts E., daß das Fahrverbot erst ab Eingang des Führerscheins beim Landratsamt E. als zuständige Verwaltungsbehörde läuft, richtig.

Trotzdem war hier anbetrachts der besonderen Umstände des Falles die Verbotsfrist bereits am 30.7.1994, also ab dem Tag der Abgabe des Führerscheins beim Polizeirevier M., zu rechnen. Im vorliegenden Falle hatte der Betr. alles erforderliche getan, um die Vollstreckung des 1-monatigen Fahrverbots sofort zu ermöglichen. Er gab am Tage der Rechtskraft des Bußgeldbescheides seinen Führerschein beim Polizeirevier M. ab. Er wurde dabei vom Polizeirevier M. nicht darauf hingewiesen, daß die Verbotsfrist nicht ab Abgabe des Führerscheins beim Polizeirevier, sondern erst ab Eingang beim Landratsamt E. laufe. Vielmehr wurde ihm noch gesagt, daß sein Führerschein erst dann entgegengenommen werden könne, wenn er den rechtskräftigen Bußgeldbescheid beim Polizeirevier M. vorlege.

Nach alledem durfte der Betr. in diesem Falle darauf vertrauen, daß die Fahrverbotsfrist ab dem Tage, an dem er seinen Führerschein bei der Polizei abgegeben hatte, lief. Dies auch deshalb, weil eine derartige Vorgehensweise bei der Vollstreckung von Fahrverboten durchaus üblich und dies in der Bevölkerung auch so bekannt ist.

In derartigen Fällen scheint es deshalb auch angebracht, daß die zuständigen Verwaltungsbehörden ihr Ermessen im Sinne vorgenannter Argumentation zu Gunsten der Betr. ausüben. ..."



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