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Amtsgericht Neunkirchen Beschluss vom 26.01.2005 - 19 OWi 6/05 - Zum Verlust des Führerscheins und Beginn der Fahrverbotsfrist
AG Neunkirchen v. 26.01.2005: Zum Beginn der Fahrverbotsfrist bei Verlust des Führerscheins
Das Amtsgericht Neunkirchen (Beschluss vom 26.01.2005 - 19 OWi 6/05) hat entschieden:
Wenn ein Betroffener seinen Führerschein nach Rechtskraft der ein Fahrverbot anordnenden Entscheidung verloren hat, ist für den Beginn der Verbotsfrist auf den Tag des Verlustes abzustellen.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Fahrverbot
Zum Sachverhalt: Der Betroffene befuhr am 29.06.2004 den Ortsbereich von Neunkirchen mit dem Pkw VW Golf, amtliches Kennzeichen ... Zu diesem Zeitpunkt war der Betroffene mit einem BAK-Wert von 1,07 0/00 alkoholisiert.
Aufgrund dieses Vorfalles erließ der Landkreis Neunkirchen - Amt für Ordnungswidrigkeiten - am 30.09.2004 einen Bußgeldbescheid aufgrund des Verstoßes gegen § 24 a StVG. Gegen den Betroffenen wurde eine Geldbuße in Höhe von 500,– EUR festgesetzt. Ferner wurde ein Fahrverbot von 3 Monaten ausgesprochen. Zugestellt wurde der Bußgeldbescheid ausweislich Postzustellungsurkunde am Donnerstag, den 07.10.2004. Rechtskraft trat mangels Einspruchseinlegung am 21.10.2004, 24.00 Uhr ein.
In der Folgezeit hat der Betroffene entgegen der Belehrung im Bußgeldbescheid seinen Führerschein nicht in amtliche Verwahrung gegeben.
Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde der Betroffene zur Abgabe aufgefordert. Am 03.11.2004 erschien er bei der PBI Neunkirchen und erstattete eine Verlustanzeige gegenüber dem Polizeibeamten Müller. Hierbei gab der Betroffene an, am 23.10.2004 seine schwarze Ledergeldbörse incl. Führerschein verloren zu haben.
Bereits einen Tag vorher ordnete das Amt für Ordnungswidrigkeiten die Beschlagnahme des Führerscheins an.
Der zuständige Polizeibeamte Salm konnte den Betroffenen in der Folgezeit nicht persönlich antreffen und erst am 29.11.2004 mit diesem telefonisch Kontakt aufnehmen. Laut Angaben des POM Salm wurde der Betroffene hierbei über die Bedeutung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beim Amtsgericht belehrt.
Diese eidesstattliche Versicherung nach § 25 IV StVG hat der Betroffene schließlich am 20.01.2005 gegenüber dem zuständigen Gerichtsvollzieher K abgelegt.
Der Betroffene ist der Ansicht, dass eine Berechnung der 3-monatigen Fahrverbotsfrist ab Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unrechtmäßig wäre. Mit Schreiben vom 18.01.2005 legte er "Widerspruch gegen das erneute oder verlängerte Fahrverbot" ein.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Der als Antrag auf gerichtliche Entscheidung auszulegende Widerspruch des Betroffenen ist zulässig. Das Amtsgericht Neunkirchen ist sachlich und örtlich für die Entscheidungsfindung im vorliegenden Vollstreckungsverfahren berufen (§§ 103, 104 OWiG).
In der Sache selbst ist das Begehren des Betroffenen erfolgreich. Denn das 3-monatige Fahrverbot begann am 23.10.2004 zu laufen und endete somit am 22.01.2005.
Gemäß § 25 II S. 1 StVG wird ein Fahrverbot grundsätzlich mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam. Nach Absatz 5 dieser Vorschrift beginnt diese Verbotsfrist jedoch erst von dem Tag an zu laufen, an dem der Führerschein in amtliche Verwahrung genommen wird. Die Vorschriften im Ordnungswidrigkeitenrecht sind insofern deckungsgleich mit der Anordnung des Fahrverbotes als Nebenstrafe im Strafrecht (vgl. § 44 StGB).
Diese Regelungen setzen jedoch erkennbar voraus, dass sich der Führerschein im Besitz des Betroffenen bzw. Verurteilten befindet und dieser in der Lage ist, seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen. Eine gesetzliche Regelung für den Fall, dass der Verurteilte nicht mehr im Besitz des Führerscheins ist, ist nicht ausdrücklich getroffen worden.
Hinsichtlich des Beginns der Verbotsfrist enthalten die gesetzlichen Bestimmungen für den Fall des Führerscheinverlustes nämlich keine Regelung. So bestimmt § 463 b I StPO für das Strafverfahren lediglich, dass ein Führerschein, der nicht freiwillig herausgegeben wird, der aber gemäß § 44 III S. 2 StGB amtlich zu verwahren ist, zu beschlagnahmen ist. Nach Absatz III der genannten Bestimmung hat der Verurteilte, wenn der Führerschein bei ihm nicht vorgefunden wird, auf Antrag der Vollstreckungsbehörde eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib abzugeben, damit die Behörde zuverlässig erfährt, aus welchem Grunde und seit wann der Betroffene nicht mehr im Besitz des Führerscheins ist.
Für das Fahrverbot im Ordnungswidrigkeitenrecht gemäß § 25 StVG enthält § 25 in den Absätzen II und IV eine entsprechende Regelung. Eine ausdrückliche Regelung, wann in diesen Fällen die Verbotsfrist zu laufen beginnt, enthält diese Vorschrift aber ebenfalls nicht.
In der Literatur wird hierzu überwiegend die Auffassung vertreten, dass in einem solchen Fall die Verbotsfrist mit der Rechtskraft der Entscheidung zu laufen beginnt, wenn der Verlust des Führerscheins vor Rechtskraft des Fahrverbots eingetreten ist (vgl. insbesondere LK-Geppert, StGB, Rdz. 65 zu § 44; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Rdz. 15 zu § 44 StGB und Rdz. 31 zu § 25 StVG).
Rechtlich identisch zu behandeln sind daher die Fälle, in denen der Betroffene bzw. Angeklagte aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, einen gültigen Führerschein in amtliche Verwahrung zu geben, um die Fahrverbotsfrist in Lauf zu setzen, mit den Fällen, dass vor Rechtskraft eingetretene rein tatsächliche Hindernisse der Abgabe entgegenstehen (vgl. LG Hamburg, DAR 2003, S. 327).
Denn für den Beginn der Fahrverbotsfrist kann es keinen Unterschied machen, ob ein Führerschein aus rechtlichen oder aber aus tatsächlichen Gründen nicht in amtliche Verwahrung gegeben werden kann (vgl. Hentschel, Wann beginnt die Frist für das Fahrverbot nach §§ 44 StGB, 25 StVG, wenn amtliche Verwahrung eines Führerscheins aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist?, DAR 1988, 156, (157)). D.h., dass die Verbotsfrist mit Rechtskraft der das Fahrverbot aussprechenden Entscheidung beginnt, wenn der Betroffene bereits zu diesem Zeitpunkt den Führerschein verloren hatte. Tritt der Verlust jedoch erst nach Rechtskraft der Entscheidung ein, so ist für den Beginn der Verbotsfrist der Tag des Verlustes maßgebend (Hentschel, a.a.O., m.w.N.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 25 Rdz. 31 m.N.; Schäpe, Probleme der Praxis bei der Vollstreckung von Fahrverboten, DAR 1998, S. 10 (13)). Dieses Ereignis ist der Abgabe gleichzustellen, denn mit dem Verlust wird die amtliche In-Verwahrung-Gabe faktisch unmöglich.
Dies bedeutet, dass mit dem (angeblichen) Verlustdatum 23.10.2004 die Fahrverbotsfrist zu laufen beginnt.
Soweit in der Rechtsprechung und in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten wird, dass die Verbotsfrist erst zu laufen beginne, wenn der Verurteilte gemäß § 463 b StPO bzw. § 25 IV StVG die eidesstattliche Versicherung abgelegt hat (so OLG Düsseldorf, DAR 1999, 514; Gebhardt, Das verkehrsrechtliche Mandat, § 27 Rdz. 183), vermag das Gericht dieser Ansicht nicht zu folgen. Dies würde zu einer nicht vertretbaren Benachteiligung des Betroffenen bzw. Verurteilten führen. So würden Verzögerungen bei der Polizeiarbeit wie auch die Dauer innerbehördlicher Vorgänge bei der Verwaltungsbehörde oder bei Gericht bis hin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor dem zuständigen Gerichtsvollzieher, zu Verzögerungen führen, die allein zu Lasten des Betroffenen gehen, welche jedoch auf die Schnelligkeit des behördlichen Verfahrens nur bedingt Einfluss nehmen kann. Gerade aber in Fällen, in welchen nur 1 Monat Fahrverbot ausgesprochen wird, würde dies zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung dessen führen, der tatsächlich seines Führerscheins verlustig geworden ist. Denn dies würde bedeuten, dass zwar ab Rechtskraft ein Fahrverbot wirksam wäre, aufgrund der Regelung des § 25 V StVG bei entsprechender Auslegung faktisch jedoch eine weitaus längere Fahrverbotsdauer zu vollstrecken wäre, obgleich der Betroffene oftmals unverschuldet auf die Dauer der Frist keinen Einfluss zu nehmen vermag. Dies würde dazu führen, dass mitunter eine faktische Fahrverbotsdauer vollstreckt werden würde, die unter rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten außerhalb des Vertretbaren im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Ordnungswidrigkeit liegen würde. Auch die Gefahr eines etwaigen Missbrauchs steht dem nicht entgegen. Denn der Behörde bleibt stets die Möglichkeit, dass Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auch nachträglich, d.h. nach Beginn der anzurechnenden Verbotsfrist, in die Wege zu leiten. Der Betroffene wird stets abwägen, ob er sich mit der Abgabe einer unrichtigen eidesstattlichen Versicherung gemäß § 156 StGB strafbar machen will, obgleich er für die Dauer des verhängten Fahrverbotes unabhängig von der Tatsache der Führerscheinabgabe der Gefahr der Strafbarkeit des § 21 StVG ausgesetzt ist.
Nach alledem begann das Fahrverbot mit Rechtskraft am 22.10.2004. Der Abgabe des Führerscheins steht der tatsächliche, bzw. nicht widerlegbare Verlust am 23.10.2004 gleich. Beginnend mit diesem Datum endete die 3-Monats-Frist am 22.01.2005 um 24.00 Uhr. ..."