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OLG Bamberg Beschluss vom 06.07.2006 - 2 Ss OWi 789/06 - Keine Anordnung eines Fahrverbots bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen
OLG Bamberg v. 06.07.2006: Keine Anordnung eines Fahrverbots bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen
Das OLG Bamberg (Beschluss vom 06.07.2006 - 2 Ss OWi 789/06) hat entschieden:
Bei zwei Voreintragungen von Geschwindigkeitsüberschreitungen um 21 km/h bzw. 24 km/h sowie einem aktuellen Verstoß mit einer Überschreitung um 28 km/h ist eine Bußgeldverdoppelung auf 100 Euro, nicht jedoch eine Fahrverbotsanordnung angemessen.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Fahrverbot
Zum Sachverhalt: Die ZBS im Bayer. PVA verhängte gegen den Betr. mit Bußgeldbescheid vom 17. 10. 2005 wegen - fahrlässiger - Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts am 24. 8. 2005 um 28 km/h 100 EUR Geldbuße und einen Monat Fahrverbot. Seinen hiergegen erhobenen Einspruch beschränkte der Betr. in der Hauptverhandlung vor dem AG S. am 6. 2. 2006 auf den Rechtsfolgenausspruch. Mit Urteil vom 6. 2. 2006 erkannte das Erstgericht erneut auf die bereits im Bußgeldbescheid angeordnete Rechtsfolge.
Hiergegen wendet sich der Betr. mit seiner auf die Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde. Er erstrebte in der Sache - erfolgreich - die Aufhebung des angeordneten Fahrverbots.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Das AG stellt zu den Vorahndungen des Betr. fest:
- 40 EUR Geldbuße wegen Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts um 24 km/h; Tatzeit: 20. 11. 2003; Rechtskraft: 20. 1. 2004;
- 100 EUR Geldbuße wegen Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts um 21 km/h; Tatzeit: 21. 6. 2004; Rechtskraft: 19. 8. 2004.
Zur Anordnung des Fahrverbots führt das AG im Wesentlichen aus:
„Gegen den Betr. war ... ein Fahrverbot ... zu verhängen, weil dieser die OWi unter beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, § 25 Abs. 1 StVG. Das Gericht ist sich bewusst. dass es an die Wertungen der BKatV nicht gebunden ist, sondern das Vorliegen einer beharrlichen Pflichtverletzung in jedem einzelnen Fall prüfen muss. Insoweit war jedoch zu berücksichtigen, dass der Betr. bereits zweimal wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen vorgeahndet war... Obwohl dem Betr. bewusst war, dass im Wiederholungsfall die Verhängung eines Fahrverbots drohte, ließ er sich dennoch nicht zu einer ordnungsgemäßen Fahrweise anhalten. Dies zeigt klar, dass der Betr. allein durch Bußgelder nicht zu einer ordnungsgemäßen Fahrweise angehalten werden kann und es ist damit die Verhängung eines Fahrverbots erforderlich...”
Diese Formulierung lässt besorgen, dass das AG die Rechtslage hinsichtlich der Systematik der in der BKatV vorgesehen Sanktionen verkannt hat. Die nach § 4 BKatV ein Fahrverbot indizierenden Zuwiderhandlungen sind in der BKatV i.V.m. der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV -(BKat) abschließend aufgeführt (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. § 25 StVG Rdn. 22). Die nach partieller Einspruchsrücknahme durch den Bußgeldbescheid vom 17. 10. 2005 rechtskräftig festgestellte Verkehrsordnungswidrigkeit erfüllt keinen der im BKat mit Regelfahrverbot sanktionierten Tatbestände, sondern lediglich BKatNr. 11.3.5, die als Regelfolge 50 EUR Geldbuße vorsieht.
Das AG geht zwar zutreffend davon aus, dass der Tatrichter an die Indizwirkung eines Regelbeispiels bzw. - wie hier - der Nichtaufnahme einer Fallkonstellation als Regelbeispiel in die BKatV nicht gebunden ist. Weicht er aber von der Vorbewertung durch den Gesetzgeber nach Maßgabe der BKatV zu Lasten des Betr. ab, dann hat er im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Abwägung aller für die Rechtsfolgenentscheidung relevanten Umstände des Einzelfalls darzutun, weshalb das Gesamtbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle dieser Art in solchem Maße abweicht, dass ein Fahrverbot entgegen der gesetzgeberischen Vorbewertung nach Maßgabe der BKatV angemessen ist.
Diesen Begründungsanforderungen genügt das angegriffene Urteil nicht.
Dass der Betr. bereits zweimal, aber in Abständen von immerhin 14 bzw. 21 Monaten vor der Anlasstat durch Geschwindigkeitsüberschreitungen jeweils unterhalb der Regelfahrverbotsgrenze aufgefallen ist, rechtfertigt allein die Verhängung eines Fahrverbots nicht, denn auch derartige Konstellationen wiederholter, einschlägiger Verkehrsordnungswidrigkeiten hat der Gesetzgeber ausweislich § 4 Abs 2 Satz 2 BKatV bei der Erstellung dieses Sanktionskataloges durchaus gesehen und die Verhängung eines Regelfahrverbots bei Geschwindigkeitsüberschreitungen im Wiederholungsfall dennoch auf gravierendere als die hier festgestellten beschränkt, nämlich auf wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitungen um jeweils mindestens 26 km/h, bei Eintritt des Wiederholungsfalles binnen eines Jahres nach Rechtskraft der die vorausgegangene OWi sanktionierenden Bußgeldentscheidung. Damit schließt der Senat nicht generell aus, dass - auch bei unter 26 km/h liegenden wiederholten Geschwindigkeitsüberschreitungen die Anordnung eines Fahrverbots nach § 26 Abs. 1 StVG angemessen sein kann, jedoch erst bei größerer Anzahl und/oder höherer zeitlicher Dichte als in vorliegender Sache bzw. bei hinzutreten besonderer Umstände, wie etwa besonders gefahrträchtigem, rücksichtslosem oder in sonstiger Hinsicht überdurchschnittlich verantwortungslosem Verhalten. Solche besonderen hinzutretenden Umstände hat der Tatrichter im vorliegenden Fall jedoch nicht festgestellt. Nach Sachlage sind von einer erneuten tatrichterlichen Hauptverhandlung nach etwaiger Zurückverweisung keine zusätzlichen entscheidungserheblichen Erkenntnisse zu erwarten. Der Senat befindet deshalb gem. § 79 Abs. 6 OWiG selbst in der Sache abschließend.
Nach den Feststellungen des AG zum Schuldumfang hält auch der Senat im Hinblick auf die beiden rechtskräftigen und einschlägigen Vorahndungen eine Geldbuße von 100 EUR, das Doppelte der Regelgeldbuße, für angemessen, die Anordnung eines Fahrverbots hingegen für unverhältnismäßig. Die Anordnung des Fahrverbots (Abs. 3 des Urteilstenors) war deshalb aufzuheben. ..."