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OLG Jena Beschluss vom 06.09.2004 -1 Ss 138/04 - Keine Erhöhung der Geldbuße für vorsätzliches Handeln, da die unbefugte Benutzung des Mobiltelefons regelmäßig nur vorsätzlich geschehen kann

OLG Jena v.06.09.2004: Keine Erhöhung der Geldbuße für vorsätzliches Handeln, da die unbefugte Benutzung des Mobiltelefons regelmäßig nur vorsätzlich geschehen kann


Das OLG Jena (Beschluss vom 06.09.2004 -1 Ss 138/04) hat entschieden, daß die unbefugte Benutzung eines Mobiltelefons regelmäßig nur vorsätzlich geschehen kann, so daß aus diesem Grunde eine Erhöhung der Geldbuße wegen vorsätzlicher Tatbegehung nicht in Betracht kommt:
Da ein verbotswidriges Benutzen eines Mobiltelefons während der Fahrt regelmäßig nur vorsätzlich begangen werden kann, kommt eine Erhöhung des Regelbußgeldes wegen vorsätzlicher Begehungsweise nicht in Betracht.


Siehe auch Funktelefon - Handy-Benutzung - Gebrauch des Mobiltelefons


Zum Sachverhalt: Mit dem Bußgeldbescheid wurde gegen den Betr. wegen verbotswidrigen Benutzens eines Mobiltelefons eine Geldbuße in Höhe von 30 € festgesetzt. Auf den rechtzeitigen Einspruch verurteilte das AG den Betr. zu einer Geldbuße von 60 €, weil er vorsätzlich das Mobiltelefon benutzt habe.

Seine auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.


Aus den Gründen: Das Rechtsmittel führt zum Ausspruch einer geringeren Geldbuße.

Die Erhöhung der in Nr. 109.1 BKat bezeichneten Regelfolge auf das Doppelte kann keinen Bestand haben.

Das AG hat sich bei der Bemessung der Geldbuße von der in Nr. 109.1 BKat vorgesehenen Regelgeldbuße leiten lassen und hat diese wegen der - zutreffend angenommenen und vom Betr. mit der Rechtsbeschwerde auch nicht bestrittenen - vorsätzlichen Begehung der Ordnungswidrigkeit erhöht. Eine solche Herangehensweise ist zwar grundsätzlich richtig. § 1 II BKatV regelt, dass die im Bußgeldkatalog bestimmten Beträge Regelsätze sind, die von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen ausgehen. §§ 23 I a, 49 I Nr. 22 StVO i. V. mit § 24 StVG sehen sowohl eine vorsätzliche als auch eine fahrlässige Begehungsweise vor. Damit wäre eine Erhöhung der Regelgeldbuße bei vorsätzlichem Handeln grundsätzlich nicht zu beanstanden, § 17 III OWiG.

Die verbotswidrige Benutzung eines Auto- bzw. Mobiltelefons i. S. von § 23 I a StVO verlangt jedoch eine andere Beurteilung. Das verbotswidrige Benutzen eines Mobiltelefons während der Fahrt — darauf weisen der Betr. in seinem Zulassungsantrag und die GenStA in ihrer Stellungnahme an den Senat zutreffend hin — wird regelmäßig nur vorsätzlich begangen werden können. Es erscheint nahezu unmöglich, fahrlässig ein Telefon in der Hand zu halten und damit zu telefonieren bzw. es anderweitig zu nutzen (vgl. zur Pflichtwidrigkeit insoweit OLG Hamm NZV 2003, 98). Selbst wenn mögliche Konstellationen denkbar sind, in denen Fahrlässigkeit vorliegt (bei dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall wurde fahrlässiges Handeln angenommen, was aber möglicherweise auf der Anwendung von § 11 OWiG beruht hat), wird ein Verstoß gegen § 23 I a StVO praktisch nahezu ausnahmslos vorsätzlich erfolgen. Die Vorschrift des § 1 II BKatV erfasst einen solchen Fall - (vorrangig) nur vorsätzlich begehbare Ordnungswidrigkeiten - ersichtlich nicht, sondern geht von einer fahrlässigen Tat und gewöhnlichen Tatumständen aus.

Der Verordnungsgeber hat einen Fall wie den Vorliegenden dabei ersichtlich nicht bedacht. In den Gesetzesmaterialien - amtliche Begründung in BR-Dr. 11/140 bzw. im VkBl. 1989, 517 - heißt es zu § 1 II BKatV:
„Die Vorschrift stellt klar, dass es sich bei den im Bußgeldkatalog bestimmten Beträgen um. Regelsätze handelt. Diese Regelsätze sollen die Rechtsprechung erleichtern und weitestgehend vereinheitlichen. An sie sind die zuständigen Verwaltungsbehörden und Gerichte im Regelfall gebunden. Dieser Bindung steht § 17 III 1 OWiG nicht entgegen, weil die Bemessung für den Regelfall bereits die Bedeutung der Tat und den Tatvorwurf berücksichtigt. Ein Regelfall liegt vor, wenn die Tatausführung allgemein üblicher Begehungsweise entspricht und weder subjektiv noch objektiv Besonderheiten aufweist.”
Dies verdeutlicht, dass mit dem Bußgeldkatalog gerade beabsichtigt war, den Normalfall der Tatbegehung mit der Regelgeldbuße zu belegen. § 1 II BKatV geht dabei von einem praktischen Anwendungsbereich für Fälle fahrlässiger Verkehrsverstöße aus. Vorrangiges Ziel des Verordnungsgebers war es nämlich, die Tatausführung in der allgemein üblichen Begehungsweise mit einer dem Regelsatz entsprechenden Geldbuße zu belegen.

Wenn jedoch die übliche Begehungsweise vorsätzliches Handeln ist, ist die Folge, dass ein solcher Verstoß, obwohl vorsätzlich begangen, als Regelfall einzuordnen: ist. Eine Erhöhung der Regelgeldbuße ist damit in einem Fall wie dem Vorliegenden nicht angezeigt. In diesem Sinne hat auch bereits das AG Hannover - hinsichtlich eines Parkverstoßes in dem in DAR 1995, 458 veröffentlichten Urteil entschieden. Allerdings wird bei einem Parkverstoß in weitaus größerem Umfang fahrlässiges Handeln in Betracht kommen, da ein solcher auch auf Grund einfachen Übersehens eines Verbotsschildes geschehen kann.

Im vorliegenden Fall ist keinerlei Abweichen vom Normalfall des - verbotswidrigen - vorsätzlichen Benutzen eines Mobiltelefons erkennbar. Damit war, obwohl vorsätzliches Handeln gegeben ist, die Festsetzung der Regelfolge nach Nr. 109.1 BKat angezeigt.

Das Urteil des AG Jena vom 31. 3. 2004 kann damit im Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben.

Dieser Mangel führt allerdings nicht zur Zurückverweisung der Sache an das AG. Vielmehr kann der Senat, da für ein Abweichen von der Regelfolge nach Nr. 109.1 BKat aus anderen Gründen nichts ersichtlich ist und insoweit auch keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind, in der Sache selbst entscheiden, § 79 VI OWiG."


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