Das Verkehrslexikon
Landgericht Kiel Urteil vom 02.12.2004 - 7 S 100/04 - Zum unzulässigen Telefonieren mit einem Mobiltelefon ohne Benutzung einer Freisprecheinrichtung
LG Kiel v. 02.12.2004: Zum unzulässigen Telefonieren mit einem Mobiltelefon ohne Benutzung einer Freisprecheinrichtung
Das Landgericht Kiel (Urteil vom 02.12.2004 - 7 S 100/04) hat entschieden, dass den Handybenutzer ohne Freisprechanlage im Falle eines Unfalls eine Mitverschuldenshaftung von mindestens 20 % trifft:
- Das unzulässige Telefonieren eines Fahrzeugführers mit einem Mobiltelefon ohne Benutzung einer Freisprecheinrichtung begründet eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass der Fahrzeugführer hierdurch in seiner Reaktionsfähigkeit eingeschränkt ist, womit an die Darlegung und den Beweis der Unabwendbarkeit eines Unfalls erhöhte Anforderungen gestellt werden müssen.
- Kommt es im Begegnungsverkehr an einer Kreuzung zu einem Unfall, ist davon auszugehen, dass der telefonierende Fahrzeugführer durch die Benutzung des Mobiltelefons abgelenkt und in seiner Reaktionsfähigkeit eingeschränkt war, wenn der Unfallgegner sich mit geringer Geschwindigkeit in die Kreuzung "hereingetastet" hat, so dass dem Telefonierenden ein Ausweichen unschwer möglich gewesen wäre. Bei dieser Sachlage ist eine Mithaftung des Telefonierenden von 80% anzunehmen.
Siehe auch Funktelefon - Handy-Benutzung - Gebrauch des Mobiltelefons
Zum Sachverhalt: Der Kläger fuhr bei Grün über eine Kreuzung, wo es zum Zusammenstoß mit dem als Linksabbieger entgegenkommenden Führer des Beklagten-Fahrzeugs kam. Der Kläger hatte vor dem Unfall mit seinem Handy ohne Freisprecheinrichtung telefoniert und verlangte nun vollen Schadensersatz von den Beklagten. Das AG sprach ihm lediglich 80 % zu. Seine Berufung blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Dem Kl. ist es nicht gelungen, hinreichend darzulegen und zu beweisen, dass der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis bzw. sein Verhalten nicht ursächlich für den Unfall gewesen ist. Dies gilt insbesondere für die Behauptung, dass das Telefonieren mit einem Mobiltelefon ohne Freisprecheinrichtung vor und während des Unfalls nicht ursächlich gewesen sei.
Gemäß § 23 Abs. 1 a StVO ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Gegen diese Ordnungsvorschrift hat der Kl. verstoßen. § 23 StVO regelt umfassend die sonstigen Pflichten eines Fahrzeugführers hinsichtlich seiner Fähigkeit, ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug in jeder Verkehrslage sicher beherrschen zu können. Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit einer Benutzung von Mobiltelefonen ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrt hat der Gesetzgeber ein solches Verbot ausdrücklich in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen. Dabei begründet das unzulässige Telefonieren mit einem Mobiltelefon ohne Benutzung einer Freisprecheinrichtung eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass der Fahrzeugführer hierdurch in seiner Reaktionsfähigkeit eingeschränkt ist, womit an die Darlegung und den Beweis die Unabhängigkeit eines Unfalls erhöhte Anforderungen gestellt werden müssen. Diese hat der Kl. mit seinem Vortrag nicht erfüllt.
Im vorliegenden Fall geht die Kammer davon aus, dass der Kl. durch die Benutzung des Mobiltelefons abgelenkt und in seiner Reaktionsfähigkeit eingeschränkt gewesen ist. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass er das Fahrzeug des Bekl. zu 1) zu spät erkannt hat, obwohl der Bekl. zu 1) - welchem die Kammer folgt - plausibel und nachvollziehbar geschildert hat, dass er sich in die Kreuzung hineingetastet und den Kl. auf sich zukommen gesehen habe. Andererseits spricht für eine eingeschränkte Reaktionsfähigkeit der Umstand, dass der Kl. sein Fahrzeug auf dem Kreuzungsbereich nicht weiter nach rechts gelenkt hatte, um einen Anstoß mit dem Beklagtenfahrzeug zu vermeiden. Dies wäre ihm möglich gewesen, da er nach eigener Schilderung rechts von sich keinen Verkehrsteilnehmer hätte gefährden können und dieser Verkehrsraum auch frei gewesen ist. Die Möglichkeit einer Abwendbarkeit des Unfalls durch Ausweichen ergibt sich insbesondere daraus, dass die Anstoßstellen der Fahrzeuge nur eine geringe Überdeckung ergeben haben. Insofern hätte der Kl. nur ca. 20 bis 30 cm nach rechts ausweichen müssen, um den Unfall zu vermeiden. Da andere Gründe für das Unterlassen dieses Fahrmanövers nicht ersichtlich sind, kommt hierfür das Telefonieren als einzige Ursache in Betracht, da der Kl. sowohl durch das Führen des Lenkrades mit nur einer Hand als auch durch die Ablenkung beim Halten des Mobiltelefons daran gehindert war, entsprechend auf die Verkehrssituation zu reagieren.
Die Kammer sah daher keinen Anlass, die Haftungsquote zu Gunsten des Kl. abzuändern, zumal es auch vertretbar gewesen wäre, ein Mitverschulden auf Seiten des Kl. wegen seines gefahrbegründenden Verhaltens durch Telefonieren ohne Freisprechanlage anzunehmen, da die Vorschrift des § 23 I a StVO eine ebenso wichtige Pflicht beim Führen eines Fahrzeuges aufstellt wie andere Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, welche ebenfalls die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer verhindern sollen. ..."