Das Verkehrslexikon
OLG Jena Beschluss vom 23.05.2006 - 1 Ss 54/06 - Zur Anwendung des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs durch das Gericht und zum Fahrverbot wegen beharrlicher Pflichtverletzung nach Verurteilung wegen eines Handyverstoßes
OLG Jena v. 23.05.2006: Zur Anwendung des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs durch das Gericht und zum Fahrverbot wegen beharrlicher Pflichtverletzung nach Verurteilung wegen eines Handyverstoßes
Das OLG Jena (Beschluss vom 23.05.2006 - 1 Ss 54/06) hat entschieden:
- Der bundeseinheitliche Tatbestandskatalog für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten - hier unter § 23 Abs. 1a StVO , TBNr. 123500 - entfaltet als nur verwaltungsinterne Richtlinie keine Bindungswirkung für das Gericht.
- Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO kann die Anordnung eines Fahrverbots gem. § 25 Abs. 1 StVG wegen beharrlicher Pflichtverletzung rechtfertigen.
Siehe auch Funktelefon - Handy-Benutzung - Gebrauch des Mobiltelefons und Das Fahrverbot wegen beharrlicher Pflichtverletzung
Zum Sachverhalt:
Gegen den Betroffenen wurde - nach rechtzeitigem, auf die Rechtsfolge beschränktem Einspruch gegen den gleichlautenden Bußgeldbescheid des Thüringer Polizeiverwaltungsamtes/Zentrale Bußgeldstelle vom 19.05.2005 - mit Urteil des Amtsgerichts Gera vom 12.12. 2005 wegen Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons als Führer eines Kraftfahrzeuges, begangen am 08.04.2005, eine Geldbuße von 80,- € festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt.
Hiergegen richtete sich die erfolglose Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
1. Gegenstand der Anfechtung ist der amtsgerichtliche Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit; die allein gegen die Verhängung des Fahrverbotes vorgebrachten Beanstandungen führen wegen der Wechselbeziehung von Bußgeldhöhe und Nebenfolge nicht zur wirksamen Beschränkung der Rechtsbeschwerde.
2. Die angegriffene Rechtsfolgenentscheidung obliegt grundsätzlich dem Tatgericht und ist vom Rechtsbeschwerdegericht hinzunehmen, soweit sie sich nicht als rechtsfehlerhaft erweist, insbesondere auf lückenhaften oder anerkannten Sanktionszwecken widersprechenden Zumessungserwägungen beruht oder wegen ihres Umfangs vom Zweck der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung nicht mehr gedeckt ist.
Derartige Rechtsfehler weist das angefochtene Urteil nicht auf.
a. Der Einwand, das Amtsgericht habe zu Unrecht die Teilnahme des Betroffenen an einem Aufbaukurs und einer verkehrspsychologischen Beratung bei der Rechtsfolgenbemessung außer Acht gelassen, betrifft einen vermeintlichen Verstoß des Gerichts gegen § 261 StPO , der - da die fraglichen Tatsachen aus dem Urteil selbst nicht hervorgehen - nicht mit der Sachrüge, sondern der Verfahrensrüge geltend zu machen und entsprechend den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO auszuführen ist. Daran fehlt es hier; zur gem. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO notwendigen Bezeichnung der den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen gehört jedenfalls der Vortrag, dass die betreffenden Umstände Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen seien, während sich das Beschwerdevorbringen auf die bloße Bezugnahme auf sonstigen Akteninhalt beschränkt.
b. Die ausdrücklich erhobene Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.
Die Höhe der Geldbuße, die der Beschwerdeführer selbst nicht angreift, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.
Der bei ihrer Bemessung herangezogene Ausgangsbetrag von 40,- € wurde - trotz der Bezugnahme auf einen Bußgeldkatalog - ersichtlich dem bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten entnommen, der den entsprechenden Wert unter § 23 Abs. 1a StVO , TBNr. 123500 aufführt, während die vormals gültige, auf lediglich 30,- € lautende Nr. 109.01 der Anl. 1 zur BKatV mit Wirkung zum 01.04.2004 gestrichen worden ist.
Dass das Amtsgericht die mangelnde Bindungswirkung des Tatbestandskataloges als nur verwaltungsinterner Richtlinie verkannt hat (vgl. OLG Düsseldorf, DAR 2004, 712 ; Schäpe, Anm. zu OLG Hamm, DAR 2005, 695 ), geht aus den Urteilsgründen, die die konkrete Bemessung wesentlich auf die erheblichen verkehrsrechtlichen Vorbelastungen des Betroffenen stützen, nicht hervor. Im Übrigen könnte selbst eine insoweit irrige Vorstellung des Amtsgericht der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, da die vom Beschwerdegericht dann gem. § 79 Abs. 6 Satz 1, 1. Alt OWiG zu treffende eigene Entscheidung zu keinem anderen Ergebnis und damit ebenfalls zur Verwerfung der Rechtsbeschwerde - ohne vorherige Aufhebung des Urteils (vgl. Göhler/Seitz, OWiG, 14. Aufl., § 79, Rn. 45c) - führen würde.
Die Verhängung eines Fahrverbotes ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Gem. § 25 Abs. 1 StVO kommt die Verhängung eines Fahrverbotes bei einer dem Kraftfahrzeugführer anzulastenden groben oder beharrlichen Pflichtverletzung in Betracht.
Das Amtsgericht hat ausweislich der auf die Vorbelastungen des Beschwerdeführers abstellenden Begründung ersichtlich eine beharrliche Pflichtverletzung angenommen, die das Fehlen der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht belegt (vgl. BGHSt 38, 231 , 234).
Die dahingehende Bewertung des Amtsgerichts wie auch der Schluss auf eine nur durch ein Fahrverbot zu erreichende Einwirkung auf den Betroffenen werden durch die Darlegung der von ihm bislang begangenen 10 Verkehrsdelikte getragen, von denen zwei durch ein jeweils einen Monat vor der hiesigen Tatbegehung rechtskräftig gewordenes Fahrverbot geahndet wurden und ein weiteres auf der verbotswidrigen Nutzung eines Mobiltelefons beruhte. Auch den vom Betroffenen vermissten inneren Zusammenhang zwischen vorangegangenem und nunmehrigem Delikt stellt das Urteil mit der Bezugnahme auf die letztgenannte Ahndung hinreichend her.
Die Rechtsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zu verwerfen. ..."