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OLG Oldenburg Urteil vom 03.12.1992 - 8 U 160/92 - Zur Verursachungsbeitrag eines Fußgängers beim Überqueren einer innerörtlichen Straße

OLG Oldenburg v. 03.12.1992: Zur Bemessung des Verursachungsbeitrags eines Fußgängers, der beim Überqueren einer innerörtlichen Straße von einem Pkw erfasst und dabei verletzt worden ist


Das OLG Oldenburg (Urteil vom 03.12.1992 - 8 U 160/92) hat entschieden:

   Wer der abknickenden Vorfahrt folgen will, ist er nach § 42 II StVO verpflichtet, die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen, während sich beim Überqueren der Kreuzung in gerader Fahrtrichtung ein Setzen der Fahrtrichtungsanzeiger verbietet.

Siehe auch
Verhalten von Fahrzeugführern gegenüber Fußgängern
und
Fußgänger - Verkehrsunfälle mit Fußgängerbeteiligung

Zum Sachverhalt:


Der Kl, der von Beruf Kraftfahrer ist, nimmt die Bekl. auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und auf Feststellung ihrer Ersatzpflicht für sämtliche materiellen und immateriellen Folgen in Anspruch. Er war als Fußgänger am 4. 4. 1989 gegen 21.10 Uhr innerhalb geschlossener Ortschaft vom Pkw des Bekl. zu 1) im Bereich der Kreuzung U.-Straße/B.-Straße/O.-Straße erfasst und schwer verletzt worden. Der Bekl. zu 1), der von Beruf Polizeibeamter ist, hatte sich von außerorts kommend auf der U.-Straße mit seinem bei der Bekl. zu 2) haftpflichtversicherten Pkw der Kreuzung genähert. Die U.-Straße ist - in Richtung R.-Ortsmitte gesehen - bis zur Kreuzung Vorfahrtstraße und ab der Kreuzung untergeordnet. Die Vorfahrtstraße setzt sich im Wege einer abknickenden Vorfahrt nach links in die B.-Straße fort. Im Kreuzungsbereich ist die Fahrbahn der V.-Straße mindestens 25 m breit. Erst nach mehr als 17 m verengt sie sich auf ihre ortseinwärts verlaufende Breite von 5,6 m.

Das LG hat den Anspruch des Kl. auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes unter Berücksichtigung seines 60%igen Mitverschuldens dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, dass die Bekl. als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihm sämtliche unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden zu 40% zu ersetzen.

Die Berufung des Kl. blieb ohne Erfolg.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Bekl. haften dem KI. gegenüber nach den §§ 823 I. 847 1. 254 BGB. §§ 7 I, 9 StVG, § 3 Nrn. 1 und 2 PflVG dem Grunde nach lediglich zu 40% für den diesem entstandenen materiellen und immateriellen Schaden.

Der Bekl. zu 1) hat den Unfall durch Verschulden und nicht nur durch die von seinem Fahrzeug ausgegangene Betriebsgefahr mitverursacht. Ihm ist anzulasten, dass er den Kl. nicht gem. § 161 Nr. 2 StVO durch ein Hupsignal gewarnt hat. Sollte er die Gefährdung des aus seiner Sicht die Fahrbahn von links nach rechts überquerenden KI. nicht bemerkt haben, so gereicht ihm auch dies zum Verschulden, da er die Kreuzung frühzeitig überblicken konnte. Dass er darüber hinaus die zulässige Ortsgeschwindigkeit von 50 km/h mit mehr als 7 km/h überschritten hat und darauf die Kollision beruht, lässt sich nach den Berechnungen des vom LG bestellten Sachverständigen nicht feststellen.

Der Kl. hat die Kollision mit dem Pkw des Bekl. zu 1) mitverschuldet. Gegenüber dem herannahenden Pkw des Bekl. zu 1) war er als Fußgänger wartepflichtig (vgl. BGH, NJW 1984, 50; Jagusch /Hentschel, StraßenverkehrsR. 31. Aufl.. § 25 StVO Rdnr. 33). Gem. § 25 III 1 StVO wäre er überdies verpflichtet gewesen, die Fahrbahn auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten. Stattdessen hat er nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des LG die U.-Straße an der breitesten Stelle überqueren wollen. Da unstreitig die Scheinwerfer am Fahrzeug des Bekl. zu 1) eingeschaltet waren, war der Kl. auch in der Lage, den Pkw des Bekl. zu 1) rechtzeitig wahrzunehmen - ebenso, wie der Bekl. zu 1) ihn hätte wahrnehmen können und müssen.

Der Kl. hatte keinerlei Grund zur Annahme, der Bekl. zu 1) werde der abknickenden Vorfahrt folgen und nicht geradeaus in den untergeordneten Teil der U.-Straße fahren. Unstreitig hatte dieser vor der abknickenden Vorfahrt keinen Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet. Damit hatte der Bekl zu 1) signalisiert, dass er die Fahrt geradeaus auf dem untergeordneten Teil der U.-Straße fortzusetzen gedachte. Hätte der Bekl. zu 1) der abknickenden Vorfahrt folgen wollen, wäre er nach § 42 II StVO verpflichtet gewesen, die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen, während sich beim Überqueren der Kreuzung in gerader Fahrtrichtung ein Setzen der Fahrtrichtungsanzeiger verbot (s. auch BayObLG, DAR 1986, 126). Sollten dem Kl. insoweit die Pflichten eines Kfz-Führers nach §§ 9 1, 42 II StVO nicht bekannt gewesen sein, entlastet ihn die Unkenntnis der Straßenverkehrsvorschriften nicht. zumal er selbst von Beruf Kraftfahrer ist. Er durfte auch nicht darauf vertrauen, der Bekl. zu 1) werde die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h exakt einhalten, wobei vorliegend das Ortseingangsschild nur ca. 70 m von der Kreuzung entfernt stand (vgl. Jagusch/Hentschel, § 3 StVO Rdnrn. 51f.).

Eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile ergibt, dass das festgestellte Verschulden des Kl. schwerer wiegt als die Betriebsgefahr und das Verschulden des Bekl. zu 1). Der Kl. hat durch seine grobe Unachtsamkeit die überwiegende Unfallursache gesetzt. Obwohl er wartepflichtig war, hat er vor dem herannahenden Pkw des Bekl. zu 1) noch die Kreuzung an ihrer breitesten Stelle zu überqueren versucht. Die dem Bekl. zu 1) demgegenüber anzulastende Versäumung eines Warnzeichens wiegt auch unter Berücksichtigung der von seinem Pkw ausgegangenen Betriebsgefahr nicht so schwer wie die Verletzung der Wartepflicht (s. auch BGH, VersR 1966, 685 [6861). Es ist daher angemessen, die Bekl. mit lediglich 40% haften zu lassen. ..."

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