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BayObLG (Beschluss vom 22.06.1998 - 1 ObOWi 134/98 - Zum Verhalten nach Fahrtunterbrechungen innerhalb eines Verkehrsleitsystems
BayObLG v. 22.06.1998: Zum Verhalten nach Fahrtunterbrechungen innerhalb eines Verkehrsleitsystems
Das BayObLG (Beschluss vom 22.06.1998 - 1 ObOWi 134/98) hat entschieden:
Ein Kraftfahrer, der sich innerhalb eines durch ein erkennbar aktiviertes Verkehrsleitsystem geregelten Autobahnabschnitts befindet und dort seine Fahrt zB auf einem Parkplatz unterbricht, muss bei einer Weiterfahrt grundsätzlich damit rechnen, dass zwischenzeitlich durch die automatische Steuerung eine andere Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet ist. Er muss daher zur Vermeidung einer möglichen Geschwindigkeitsüberschreitung zunächst seine Geschwindigkeit der des Hauptverkehrs anpassen, bis er durch die nachfolgende Anzeigenbrücke Kenntnis von der konkret erlaubten Geschwindigkeit erhält.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Geschwindigkeit
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Amtsgerichts, dass ein Kraftfahrzeugführer, der sich innerhalb eines durch ein erkennbar aktiviertes Verkehrsleitsystem geregelten Autobahnabschnitts befindet, bei einer Weiterfahrt nach einer Unterbrechung innerhalb des geregelten Bereichs grundsätzlich damit rechnen muss, dass zwischenzeitlich eine andere Geschwindigkeitsbegrenzung durch die automatische Steuerung erfolgt ist. Die für eine Geschwindigkeitsbeschränkung maßgebenden Umstände, insbesondere - wie hier - eine hohe Verkehrsbelastung (aber auch eine nasse Fahrbahn, Sichtbehinderung durch Nebel, Stauanzeichen, Anzeichen für Unruhe im Verkehrsfluss) sind für einen aufmerksamen Kraftfahrer erkennbar. Auch wenn er nicht weiß und wissen kann, zu welcher konkreten Geschwindigkeitsbeschränkung die erkennbaren Verkehrsumstände geführt haben, so muss er zur Vermeidung einer möglichen Geschwindigkeitsüberschreitung seine Geschwindigkeit zunächst nach der Geschwindigkeit der Mehrzahl der Pkw (die im Regelfall auf der mittleren von drei Fahrspuren fahren) ausrichten, bis er durch die nachfolgende Anzeigenbrücke Kenntnis von der konkret erlaubten Geschwindigkeit erhält. Da die Anzeigebrücken in Bayern in einem Abstand von maximal 3.500 m stehen und spätestens 200 m vorher deren Anzeigen sichtbar werden, ist dem Kraftfahrer ein solches an den Hauptverkehr angepasstes Verhalten über ein bis zwei Minuten auch ohne weiteres zumutbar. Im vorliegenden Fall wird die Messbrücke (bei Km 515.332) bereits rund 1 500 m nach dem Parkplatz (bei Km 517), also nach einer Fahrtzeit von etwa einer Minute sichtbar.
Aufgabe des Verkehrsleitsystems ist es, anhand der fortlaufend gemessenen, sich ständig verändernden Parameter, z.B. der Verkehrsbelastung, den Verkehr so zu beeinflussen, dass er konfliktarm, insbesondere unfallfrei, und dennoch flüssig abläuft. Der Erfolg hängt von dem Konsens der Verkehrsteilnehmer ab, sich an die automatische Regelung zu halten, was auch die Erwartung einschließt, dass die Kraftfahrer ihr Eigeninteresse an einem schnelleren Vorwärtskommen dem gewünschten gemeinsamen Erfolg unterordnen.
Seit die sog. Verkehrsbeeinflussungsanlage A 9 im April 1992 eingesetzt wurde, haben die Unfälle in Richtung Nürnberg um mehr als die Hälfte abgenommen trotz eines um über 20 % höheren Verkehrsaufkommens. Dennoch sind 1997 nach der veröffentlichten Polizeistatistik auf der A 9 zwischen Kilometer 482 und 523 immer noch insgesamt 483 Unfälle mit 247 Schwerverletzten und 9 Toten geschehen, wobei rund die Hälfte der Unfälle auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen ist.
Dies macht deutlich, dass innerhalb der automatisch geregelten Autobahnstrecken, die durch eine besonders hohe Verkehrsfrequenz oder durch Häufung von Unfällen gekennzeichnet sind, entsprechend hohe Anforderungen an die Sorgfalt der Verkehrsteilnehmer hinsichtlich ihres Verkehrsverhaltens gestellt werden müssen. ..."