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OLG Hamm Beschluss vom 02.10.1973 - 5 Ss OWi 856173 - Verwertung von Geschwindigkeitsschätzungen

OLG Hamm v. 02.10.1973: Zur Verwertung von Geschwindigkeitsschätzungen


Das OLG Hamm (Beschluss vom 02.10.1973 - 5 Ss OWi 856173) hat entschieden:
Die Verwertbarkeit einer Geschwindigkeitsschätzung ist ausgeschlossen, wenn der Beobachtende wenig verkehrsgeschult ist oder er die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges ohne jeden Vergleich mit der Geschwindigkeit anderer Fahrzeuge der gleichen Fahrtrichtung und losgelöst von anderen nachprüfbaren Bezugstatsachen (hier einer gleichzeitigen Radarmessung) geschätzt hat.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Geschwindigkeit


Zum Sachverhalt: Das AG hat gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften - Zuwiderhandlung gegen §§ 3, 49 StVO, 24 StVG - eine Geldbuße von 400,- DM festgesetzt. Nach den Feststellungen fuhr der Betroffene am 5.7.1973 zunächst über die N.-Straße in P. in Richtung Schloss mit seinem Pkw mit einer Geschwindigkeit von 61 km/h. Wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung wurde er von den Polizeibeamten M. und H., die eine Radarkontrolle vornahmen, gebührenpflichtig verwarnt. Kurze Zeit darauf, gegen 9.09 Uhr, befuhr der Betroffene mit seinem Pkw die Straße in umgekehrter Richtung. Dabei hielt er, als er die Stelle passierte, an der die Polizeibeamten mit ihrem Radarwagen standen, eine Geschwindigkeit von mindestens 100 km/h ein.

Die Feststellung der Geschwindigkeit hat das Gericht aufgrund der Angaben der Polizeibeamten getroffen, die die Geschwindigkeit auf über 100 km/h geschätzt hatten und aufgrund der Radarmessung, die eine Geschwindigkeit von 105 km/h ergeben hatte.

Die Rechtsbeschwerde rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie ist nicht begründet.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Auch in materiellrechtlicher Hinsicht lässt das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen. Ins-besondere ist der Grundsatz „in dubio pro reo” nicht verletzt. Zwar ist bei einer Geschwindigkeitsermittlung durch Schätzen grundsätzlich Zurückhaltung geboten (vgl. OLG Hamm in VRS 40, 442 = DAR 1971, 218). Der Schätzung im Einzelfall zu folgen, ist aber nicht unmöglich (vgl. BGH in VerkMitt. 1963, 25). Die Verwertbarkeit der Schätzung ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Beobachtende wenig verkehrsgeschult ist oder er die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges ohne jeden Vergleich mit der Geschwindigkeit anderer Fahrzeuge der gleichen Fahrtrichtung und losgelöst von anderen nachprüfbaren Bezugstatsachen geschätzt hat (Nachweise bei OLG Hamm in VRS 40, 442). Das war hier nach. den Feststellungen des Urteils nicht der Fall. Das Gericht hat genügend Tatsachen angeführt, die die Beurteilung durch den Senat ermöglichen, dass es bei seiner Feststellung die Schätzung durch die beiden Polizeibeamten als Zeugen zugrunde legen durfte. Hinzu kommt, dass die Schätzung der Geschwindigkeit durch die in zulässiger Weise und unter Beachtung aller Sicherheitsmaßnahmen vorgenommene Radarmessung noch bestätigt wurde. Die Zuverlässigkeit dieser Messung wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Pkw des Betroffenen nicht gleichzeitig fotografiert werden konnte (vgl. OLG Hamm in VRS 40, 295). Da die Schätzung eine Geschwindigkeit von „über 100 km/h” und die Messung eine solche von 105 km/h ergeben hat, von der wegen der allgemeinen Fehlergrenzen bei Radarmessungen von ± 3 km/h ein Sicherheitsabzug von 3 km/h vorzunehmen ist, ist gegen die Feststellung, dass die Geschwindigkeit des Betroffenen jedenfalls über 100 km/h betragen habe, aus revisionsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden. ..."