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OLG Celle Urteil vom 28.04.2005 - 14 U 200/04 - Zum Umfang der Haushaltsbeeinträchtigung bei nur geringer Erwerbsunfähigkeit

OLG Celle v. 28.04.2005: Zum Umfang der Haushaltsbeeinträchtigung bei nur geringer Erwerbsunfähigkeit vor dem Unfall


Das OLG Celle (Urteil vom 28.04.2005 - 14 U 200/04) hat zum Umfang der Haushaltsbeeinträchtigung bei nur geringer Erwerbsunfähigkeit entschieden:
  1. Auf einen Erfahrungsgrundsatz, dass eine Erwerbsminderung von 20 % oder weniger für die Haushaltsführungstätigkeit keine praktische Auswirkung hätten, kann nicht abgestellt werden, wenn aufgrund eines Sachverständigengutachtens feststeht, dass sich die unfallbedingte Beeinträchtigung auf die Haushaltsführungstätigkeit tatsächlich auswirkt.

  2. Hat die Geschädigte vor dem Unfall den Haushalt allein geführt, muss sie grundsätzlich nicht durch anderweitige innerfamiliäre Verteilung der Haushaltstätigkeit die Schadensersatzverpflichtung des Schädigers niedrig halten.

Siehe auch Ansprüche wegen des Entgangs der Fähigkeit, den Haushalt zu führen - Haushaltsführungsschaden


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Nach dem in erster Instanz eingeholten (und von den Parteien inhaltlich nicht angegriffenen) Gutachten des orthopädischen Sachverständigen Dr. H. vom 15. September 2003 (Bl. 61 ff.) ist die Klägerin aufgrund der Verletzungsfolgen zwar nur zu 15 % erwerbsunfähig, jedoch seit dem Unfallzeitpunkt und auch weiterhin bei bestimmten Haushaltstätigkeiten beeinträchtigt (beispielsweise Bettenbeziehen, schweres Heben und Tragen, Arbeiten in Zwangshaltung). Der Auffassung der Einzelrichterin, gleichwohl sei der Klägerin hinsichtlich der Haushaltsführungstätigkeiten ein Schaden deswegen nicht entstanden, weil dieser im Rahmen der Schadensminderungspflicht ohne weiteres zu kompensieren sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Soweit sich das Landgericht dabei (unter Zitat diverser obergerichtlicher Entscheidungen) auf den Erfahrungssatz beruft, dass Erwerbsminderungen von 20 % und weniger für die Haushaltsführungstätigkeit keine praktische Auswirkung hätten, greift dies im vorliegenden Fall gerade nicht durch. Zum einen steht durch das eingeholte Sachverständigengutachten fest, dass sich die unfallbedingten Beeinträchtigungen der Klägerin auf die Haushaltsführungstätigkeit in dem beschriebenen Umfang im vorliegenden Fall gerade doch auswirken. Zum anderen muss sich die Klägerin nicht entgegenhalten lassen, durch anderweitige innerfamiliäre Verteilung der Haushaltsführungstätigkeit die Verpflichtung ihres Schädigers (bzw. seiner Versicherung) möglichst gering zu halten: Dabei kommt es schon nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der Ehemann der Klägerin dieser bei ihrer Haushaltsführungstätigkeit zur Mithilfe verpflichtet sein könnte, sondern vielmehr darauf, was die Klägerin und ihr Ehemann vor dem Unfall hinsichtlich der Verteilung der Haushaltstätigkeiten vereinbart haben (zumindest, solange eine solche Vereinbarung nicht gegen die guten Sitten verstößt). Entscheidend ist nicht die unterhaltsrechtliche Verpflichtung, sondern der tatsächliche Umfang der ohne den Unfall durchgeführten Haushaltstätigkeit (vgl. Geigel, Haftpflichtprozess, 24. Aufl. 2004, 4. Kap., Rn. 140 m. w. N.). Dass im vorliegenden Fall die Klägerin für die Führung des Haushalts allein verantwortlich war, ist bei einer Familie mit drei schulpflichtigen Kindern und einem außer Haus arbeitenden Ehemann sicherlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen hat die Klägerin nachvollziehbar erläutert, dass und warum ihr beruflich stark eingespannter Ehemann bzw. ihre allergiebelasteten Kinder im Haushalt allenfalls zu sehr eingeschränkter Mithilfe befähigt sind. Soweit sich hinsichtlich dieser Verhältnisse in jüngster Zeit wegen einer die Arbeitsfähigkeit des Ehemannes einschränkenden (und damit seine Mithilfemöglichkeiten im Haushalt möglicherweise erhöhenden) Erkrankung etwas geändert haben könnte, hat die Klägerin dem in der mündlichen Verhandlung durch entsprechende weiterfassende Abänderung ihres Feststellungsantrages ab diesem Zeitpunkt Rechnung getragen.

Hinsichtlich des notwendigen Zeitaufwandes folgt der Senat den Darstellungen der Klägerin in ihrer (den ursprünglichen Klagantrag nur noch teilweise weiterverfolgenden) Berufungsbegründung, wobei darauf hinzuweisen ist, dass der von der Klägerin angesetzte Zeitaufwand von nur 49 Stunden Hausarbeit die Woche angesichts der Haushaltsgröße mit Blick auf die einschlägigen Tabellen (vgl. Schulz-Borck/Hofmann, Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt), die auf empirischen Auswertungen beruhen, zugunsten der Beklagten eher niedrig angesetzt sind. Allerdings ist der von der Klägerin in der Berufungsbegründung errechnete Stundenaufwand von "7,35 Stunden" nur scheinbar genau und vom Senat auf 7 Stunden pro Woche gerundet worden (§ 287 ZPO).

Die Höhe des Stundensatzes bemisst der Senat, ebenfalls geringfügig von den Vorstellungen der Klägerin nach unten abweichend, mit 8 EUR pro Stunde, was seiner ständigen Rechtsprechung bei fiktiv abgerechneten Haushaltsführungsschäden entspricht (vgl. Senatsurteil vom 9. September 2004, 14 U 32/04, NJW-RR 2004, 1674). Daraus errechnet sich für den Zeitraum von 16,5 Wochen, für welchen die Klägerin Zahlung beansprucht, der zuerkannte Betrag von 924 EUR. ..."



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