Das Verkehrslexikon
Der Tatumstandsirrtum
Der Tatumstandsirrtum
Siehe auch Tatumstandsirrtum und Verbotsirrtum im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht
Nach der Definition der §§ 16 StGB, 11 OWiG handelt nicht vorsätzlich, wer auch nur einen einzigen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Das trifft auch zu, wenn der Irrtum darauf zurückzuführen ist, dass er in Gedankenlosigkeit handelte (Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 13. Aufl.. 2002, Rdnr. 1 zu § 11).
Zu den Tatbestandsmerkmalen zählen alle Umstände, die in der gesetzlichen Tatbestandsbeschreibung ausdrücklich genannt werden. Wenn ein Gesetz seinerseits zur Ausfüllung auf ein anderes Gesetz verweist (sog. Blankettnorm), dann ist auch ein erheblicher Irrtum über dessen Tatbestandsmerkmale möglich; gleiches gilt, wenn bestimmte Tatumstände von der Rechtsprechung zur Ausfüllung von gesetzlichen Tatbeständen herausgebildet wurden.
Oftmals gehören zum gesetzlichen Tatbestand, der vom Täter umfasst sein muss, neben rein beschreibenden Merkmalen auch wertende (normative) Merkmale. Bei diesen ist die Grenze zum Verbotsirrtum besonders schwierig zu ziehen. Überhaupt muss geprüft werden, ob der Täter, dem Vorsatz vorgeworfen werden soll, nach Vornahme einer sog. Parallelwertung in der Laiensphäre (vgl. BGHSt 3, 248 ff.) zu einem bestimmten die Kenntnis indizierenden oder ausschließenden Ergebnis gelangt ist.
Beispiel:
Der Kfz-Führer eines Mercedes-Sprinter fährt auf der Autobahn schneller als 80 km/h, weil er das Fahrzeug als Pkw betrachtet. Hier liegt an sich ein Tatbestandsirrtum vor, weil der Fahrer den Begriff "Lkw" falsch bewertet. Gleichwohl wurde in der Rechtsprechung in einem solchen Fall von einem vermeidbaren Verbotsirttum ausgegangen. Aber auch bei der Annahme eines Tatbesandsirrtums wäre eine Verurteilung wegen eines fahrlässigen Geschwindigkeitsverstoßes möglich gewesen.
Ein sozusagen klassischer Tatbestandsirrtum liegt vor, wenn der Kfz-Führer ein Verkehrsschild gar nicht gesehen hat, oder wenn er bei einer langen Ampelphase irrig annimmt, es liege rotes Dauerlicht auf Grund eines Defektes vor (vgl. OLG Hamm NStZ 1999, 518).
Für die Praxis - besonders in Bußgeldsachen - wird man es oft dahingestellt sein lassen können, ob ein Tatbestands- oder ein vermeidbarer Verbotsirrtum vorliegt, weil in der Regel eine Ahndung als fahrlässiger Verstoß möglich ist.