Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Urteil vom 17.05.1993 - 12 U 2485/92 - Schadensverteilung bei Kollision zwischen Linksabbieger und Geradeausfahrer bei Fehlen von Abbiegepfeilen und sonst ungeklärter Ampelschaltung

KG Berlin v. 17.05.1993: Schadensverteilung bei Kollision zwischen Linksabbieger und Geradeausfahrer bei Fehlen von Abbiegepfeilen und sonst ungeklärter Ampelschaltung


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 17.05.1993 - 12 U 2485/92) führt hinsichtlich der Haftungsverteilung bei einem Kreuzungszusammenstoß eines Linksabbiegers mit einem Fahrzeug des ursprünglichen Gegenverkehrs auf einer Kreuzung ohne Abbiegepfeile und bei ungeklärter Ampelschaltung für den Geradeausfahrer folgendes aus:
Ist die Ampelschaltung auf einer Kreuzung (ohne Abbiegepfeil) unaufklärbar, erfolgt die Schadensverteilung zwischen dem Linksabbieger und dem Geradeausverkehr im Verhältnis von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Linksabbiegers.


Siehe auch Grüner Abbiegepfeil - Räumungspfeil - strittige Ampelschaltung


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Bei der Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG sind nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, daß wegen der besonderen, sich aus § 9 Abs. 1 und Abs. 3 StVO ergebenden Sorgfaltspflichten der Linksabbieger die Beweislast dafür trägt, daß und in welchem Umfang er den ihm auferlegten besonderen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist (KG VerkMitt 1987, 37; KG, Urteil vom 27.06.1991 - 12 U 3457/90 -). Grundsätzlich hat der Linksabbieger den gesamten durch den Unfall entstandenen Schaden zu tragen, auch wenn der Zusammenstoß sich für den Gegenverkehr nicht als unabwendbares Ereignis im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG darstellt. Eine andere Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn ein schuldhaftes Verhalten des bevorrechtigten Geradeausverkehrs nachweisbar ist (KG VerkMitt 1982 Nr. 69; KG, Urteil vom 20.01.1986 - 12 U 931/85 -). Vorliegend kommt nicht die Rechtsprechung des Senats zur Anwendung, wenn die Kreuzung für den Linksabbieger mit einem Abbiegepfeil ausgestattet ist. Denn ausweislich des vom LG beigezogenen Lageplans und Signalzeitenplans der Lichtzeichenanlage auf der Unfallkreuzung konnte sich der Bekl. nicht nach einem Abbiegepfeil richten. Wenn in einem so gelagerten Fall die Ampelschaltung ungeklärt bleibt, hat der Linksabbieger wegen der ihm obliegenden erhöhten Sorgfaltspflichten und der durch das Abbiegen bedingten erhöhten Betriebsgefahr 2/3 des Schadens zu tragen (vgl. KG, Urteile vom 21.11.1983 - 12 U 1235/83 -; 10.02.1986 - 12 U 5688/84 -).

Zwar kann auch bei Nichtvorhandensein eines grünen Linksabbiegerpfeils die volle Haftung des Gegenverkehrs ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn für den abbiegenden Verkehr ein Vertrauenstatbestand geschaffen war, der demjenigen aufgrund des Aufleuchtens des Linksabbiegerpfeils vergleichbar ist. Leuchtet dieser Pfeil auf, kann der Linksabbieger zunächst darauf vertrauen, daß dann die für den Gegenverkehr maßgebliche Ampel schon einige Zeit Rotlicht abgestrahlt hat. Weiterhin kann er darauf vertrauen, daß unter dieser Voraussetzung der Gegenverkehr das Rotlicht beachten werde. Für die Herstellung einer vergleichbaren Vertrauenslage reicht noch nicht aus, daß ein entgegenkommendes Fahrzeug auf einem Fahrstreifen bereits angehalten hat, zumal es sich bei ihm um ein solches handeln kann, dessen Fahrer bereits in erster Gelbphase angehalten hat, also noch die Kreuzung hätte passieren können. Der Vertrauenstatbestand setzt konkret hierfür sprechende Umstände voraus, beispielsweise denjenigen, daß der Linksabbieger nach dem Halten einiger Fahrzeuge des Gegenverkehrs längere Zeit abgewartet hat, sich also in der Nähe der Kreuzung zunächst keine weiteren Fahrzeuge des Gegenverkehrs befunden und bereits Fußgänger mit dem Überqueren der Fahrbahn begonnen haben. Zur Schaffung eines entsprechenden Vertrauenstatbestandes ist jedenfalls das Betätigen der Lichthupe durch eines der haltenden Fahrzeuge des Gegenverkehrs nicht geeignet. Derartige Zeichen sind, selbst wenn sie ein Verhalten des Signalisierenden ankündigen sollen, zweideutig und lassen keine sicheren Schlüsse- zu (vgl. Senat in DAR 1981, 55 = VersR 1981, 485 Ls). Sie sind gänzlich ungeeignet, ein bestimmtes Fahrverhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten (KG, Urteil vom 21.11.1983 - 12 U 1235/83 -). Ein dahingehender Vertrauenstatbestand ist dann anzunehmen, wenn neben dem Anhalten von Fahr-zeugen des Gegenverkehrs zusätzliche Indizien hinzutreten, etwa wenn sich der Querverkehr in Bewegung zu setzen beginnt (KG DAR 1982, 235 = VerkMitt 1982, 29).

Sonst muß es bei dem Grundsatz sein Bewenden haben, daß der Linksabbieger stets damit rechnen muß, daß entgegenkommende Verkehrsteilnehmer während der späten Gelbphase oder des Beginns der Rotphase der für sie geltenden Ampel in den Kreuzungsbereich einfahren (vgl. OLG Hamm VersR 1980, 722). Wenn auch der Gegenverkehr in einem solchen Fall nicht berechtigt in den Kreuzungsbereich einfährt, ist doch sein Vorrecht gegen-über Linksabbiegern aus § 9 Abs. 3 StVO nicht aufgehoben (vgl. OLG Hamburg VerkMitt 1967, 54 Nr. 76). Fährt der Gegenverkehr in der letzten Gelb oder in der ersten Rotphase der für ihn maßgebenden Ampel in die Kreuzung ein, tritt die Betriebsgefahr des Linksabbiegers gegenüber dem sich so verhaltenden Gegenverkehr zwar nicht so weit zurück, daß sie außer Betracht zu bleiben hat (vgl. Senat bei Darkow, DAR 1972, 146 zu 117 a). In einem derartigen Fall kommt es zur Schadensteilung nach Maßgabe des § 17 StVG, wobei die Umstände des Einzelfalles über die Haftungsquote entscheiden (KG, Urteile vom 21.11.1983 - 12 U 1235/83 -; 10.02.1986 - 12 U 5.688/84 -; 27.06.1991-12 U 3457/90 -; OLG Hamm VersR 1990, 99, 100).



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