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Verwaltungsgericht Aachen Urteil vom 10.04.2006 - 6 K 3548/04 - Das Abschleppen eines verbotswidrig innerhalb der 5-Meter-Zone des Einmündungsbereichs einer Straße geparkten Fahrzeug ist rechtmäßig

VG Aachen v. 10.04.2006: Das Abschleppen eines verbotswidrig innerhalb der 5-Meter-Zone des Einmündungsbereichs einer Straße geparkten Fahrzeug ist rechtmäßig


Das Verwaltungsgericht Aachen (Urteil vom 10.04.2006 - 6 K 3548/04) hat entschieden:
Das Abschleppen eines verbotswidrig innerhalb der 5-Meter-Zone des Einmündungsbereichs einer Straße geparkten Fahrzeug ist rechtmäßig.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Abschleppkosten


Zum Sachverhalt: Der Kläger ist Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen L. - L1.. Dieses Fahrzeug war am 17. Juni 2004 mindestens in der Zeit zwischen 11.00 Uhr und 11.08 Uhr im unmittelbaren Einmündungsbereich S.-straße /U.-straße in B. - innerhalb des 5-m-Bereichs - abgestellt. Eine Überwachungskraft der Beklagten ließ das Fahrzeug abschleppen und auf das Betriebsgelände des Abschleppunternehmers verbringen. Dort wurde dem Kläger das Fahrzeug am gleichen Tag gegen eine Zahlung von 126,29 € ausgehändigt.

Die Beklagte lehnte die vom Kläger verlangte Rückzahlung der Abschleppgebühren ab. Die Leistungsklage des Klägers war erfolgslos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Kläger kann von der Beklagten zu 1. keine Zahlung verlangen. Ein allein in Betracht kommender öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch steht ihm nicht zu. Die vom Kläger vorgenommene Zahlung an den Abschleppunternehmer erfolgte nicht rechtsgrundlos.

Der Beklagten zu 1., die in rechtlicher Hinsicht Empfängerin der Zahlung gewesen ist, stand gegen den Kläger aus § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 der Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz (KostO NRW) i.V.m. §§ 77 Abs. 1, 59, 57 Abs. 1 Nr. 1, 55 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) i.V.m. § 14 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG NRW) ein Anspruch auf Erstattung der entstandenen Abschleppkosten in Höhe von 126,29 € zu.

Nach den vorgenannten Vorschriften kann die Ordnungsbehörde die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Die Ordnungsbehörde kann insbesondere einen Dritten auf Kosten des Betroffenen mit der Vornahme einer zur Gefahrenabwehr erforderlichen Handlung beauftragen oder auf Kosten des Betroffenen die Handlung selbst ausführen, wenn dieser seine Verpflichtung zu der entsprechenden Handlung nicht erfüllt. Bei der angeordneten Abschleppmaßnahme handelt es sich um eine Ersatzvornahme im Sinne der vorgenannten Vorschriften.

Die in § 14 Abs. 1 OBG NRW i.V.m. § 55 Abs. 2 VwVG NRW als Voraussetzung für das ordnungsbehördliche Eingreifen vorgesehene gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestand vorliegend. Die öffentliche Sicherheit umfasst neben dem Schutz von Leib und Leben die öffentliche Rechtsordnung schlechthin. Eine Gefahr bzw. Störung der öffentlichen Sicherheit liegt daher stets bereits dann vor, wenn gegen öffentlichrechtliche - hier straßenverkehrsrechtliche - Vorschriften verstoßen wird. Insofern irrt der Kläger, wenn er annimmt, dass allein der objektive Verstoß gegen ein Haltverbot noch keine Gefahr bzw. Störung der öffentlichen Sicherheit bedeute,
vgl. hierzu, stellvertretend für die gesamte polizei- und ordnungsrechtliche Literatur und Rechtsprechung: Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl. 2001, Abschnitt E I., 2. aa), Rdnr. 7.
Im Zeitpunkt des Einschreitens der Beklagten lag, vom Kläger nicht bestritten, ein Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) vor, weil das Fahrzeug des Klägers im unmittelbaren Einmündungsbereich S.-straße /U.-straße und damit im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO "vor einer Einmündung bis zu 5 m vom Schnittpunkt der Fahrbahnkanten" geparkt war.

21 Die Ersatzvornahme diente dem Zweck, den durch das verbotswidrige Parken begründeten rechtswidrigen Zustand zu beenden und an Stelle des ortsabwesenden Fahrzeugführers dessen Verpflichtung, das Fahrzeug unverzüglich zu entfernen, zu erfüllen. Weil die Beklagte wegen des Vorliegens einer gegenwärtigen Gefahr zulässigerweise im Sofortvollzug tätig geworden ist (§ 55 Abs. 2 VwVG NRW), bedurfte es weder einer Androhung (§ 63 Abs. 1 Satz 3 VwVG NRW) noch einer Festsetzung der Ersatzvornahme (§ 64 Satz 2 VwVG NRW).

Die Abschleppanordnung erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig. Die angeordnete Abschleppmaßnahme war geeignet, den Verstoß gegen die angegebene Verkehrsvorschrift und damit die bereits eingetretene und noch andauernde Störung zu beseitigen. Die Maßnahme war auch erforderlich, da andere, den Kläger weniger beeinträchtigende, gleichermaßen effektive Mittel zur Gefahrenabwehr nicht zur Verfügung standen. Als milderes Mittel kommt regelmäßig auch die Benachrichtigung des Fahrzeugführers, um diesem Gelegenheit zu geben, das Fahrzeug freiwillig zu versetzen, jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Fahrzeugführer - wie hier - nicht sofort greifbar und eine sofortige Entfernung des Fahrzeuges damit ungewiss ist,
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschlüsse vom 18. Februar 2002 -3 B 149.01-, NJW 2002, 2122, und vom 6. Juli 1983 -7 B 182.82-, DVBl. 1983, 1066, 1067; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 24. März 1998 -5 A 183/96-, NJW 1998, 2465, und vom 16. Februar 1982 -4 A 78/81-, NJW 1982, 2277, 2278; OVG Hamburg, Urteil vom 14. August 2001 -3 Bf 429/00-, NJW 2001, 3647; Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Urteil vom 22. Mai 1990 -11 UE 2056/89-, NVwZ-RR 1991, 28; sowie VG B., u.a. Urteil vom 24. März 2006 -6 K 562/04-.
Nur dann, wenn der Störer selbst den Ermittlungsaufwand reduziert und gleichzeitig die Erfolgsaussichten dadurch vergrößert, dass er einen konkreten Hinweis auf seine Erreichbarkeit und seine Bereitschaft zum umgehenden Entfernen des verbotswidrig geparkten Fahrzeuges gibt, kann eine Benachrichtigung vor dem Einleiten des Abschleppvorgangs ausnahmsweise geboten sein,
vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Februar 2002 -3 B 149.01-, a.a.O., und vom 27. Mai 2002 -3 B 67.02-, VRS 103, 309 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Februar 2003 -1 S 1248/02-, NVwZ-RR 2003, 558; OVG Schleswig, Urteil vom 19. März 2002 -4 L 118/01-, NVwZ-RR 2003, 647; OVG Hamburg, Urteile vom 22. Februar 2005 -3 Bf 25/02-, NJW 2005, 2247, und vom 14. August 2001 -3 Bf 429/00-, a.a.O.
Der Kläger beruft sich vorliegend zu Unrecht darauf, die Beklagten hätten in zu beanstandender Weise einen Ermittlungsversuch nicht unternommen und ein zur Verfügung stehendes milderes Mittel nicht genutzt. Unstreitig waren weder der Kläger noch ein anderer Verfügungsberechtigter im Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens am Fahrzeug. Auch vermochte allein die geöffnete Kellertür eines auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegenen Mehrfamilienhauses bei vernünftiger Betrachtung erkennbar keinerlei Hinweis auf den Aufenthaltsort des Fahrzeugführers zu geben. Der Kläger macht insoweit in erster Linie geltend, dass ein Anwohner, der die streitgegenständliche Abschleppmaßnahme durch eine entsprechende Anzeige bei den Beklagten veranlasst und den Abschleppvorgang bei geöffnetem Fenster beobachtet haben soll, den Aufenthaltsort des Klägers gekannt haben müsste und diesen auf ein hierauf gerichtetes Befragen auch mitgeteilt hätte. Der Kläger behauptet jedoch nicht, dass dieser Anwohner den Mitarbeitern der Beklagten tatsächlich einen ausdrücklichen Hinweis auf den Aufenthaltsort des Klägers gegeben hat, den diese aber nicht weiter verfolgt hätten. Er beruft sich vielmehr darauf, dass eine entsprechende Nachfrage nicht erfolgt sei. Wie zuvor aber bereits ausgeführt, sind weitere Nachforschungen nach dem Fahrzeugführer erst und nur dann ausnahmsweise veranlasst, wenn es konkrete Hinweise auf den aktuellen Aufenthaltsort des Fahrzeugführers und auf seine ernsthafte Bereitschaft, das Fahrzeug unverzüglich wegzusetzen, bestehen. Solche Hinweise lagen hier aber auch nach dem Vortrag des Klägers nicht vor. Soweit der Kläger - sinngemäß - die Auffassung vertritt, den Mitarbeitern der Beklagten hätte sich eine Rückfrage bei dem Anwohner, der die Abschleppmaßnahme durch seine Anzeige veranlasst haben soll, geradezu aufdrängen müssen, so vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die vor Ort eingesetzte Überwachungskraft der Beklagten oder der Fahrer des Abschleppfahrzeuges - die streitige Behauptung des Klägers hinsichtlich der Anzeigenerstattung insoweit als wahr unterstellt - überhaupt Kenntnis davon hatten, wer der Anzeigenerstatter war. Dies hält die Kammer keineswegs für zwingend. Überdies ist ebenfalls weder vorgetragen noch ergibt sich aus sonstigen Umständen, dass sich der fragliche Anwohner den Einsatzkräften gegenüber als Anzeigenerstatter zu erkennen gegeben hat. Vor diesem Hintergrund waren aber die Mitarbeiter der Beklagten zu weiteren Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort des Fahrzeugführers nicht verpflichtet. Ein milderes Mittel stand somit nicht zur Verfügung.

Die Anordnung der Ersatzvornahme war auch angemessen. Sie hat keine Nachteile zur Folge, die zu dem angestrebten Erfolg außer Verhältnis stehen. Sie belastet den Kläger lediglich mit Kosten in Höhe von 126,29 € und mit einem Zeitaufwand zur Wiedererlangung seines Fahrzeuges. Die Größenordnung des zu zahlenden Geldbetrages bleibt im Rahmen der üblichen Unterhaltungskosten eines Kraftwagens, die sonstigen Ungelegenheiten sind geringfügig. Schon deshalb stehen die Nachteile zu dem mit der Maßnahme erstrebten Zweck in keinem offensichtlichen Missverhältnis.

Allerdings rechtfertigt das Vorliegen eines bloßen Verkehrsverstoßes ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht ohne weiteres das Vorgehen im Verwaltungszwang. Mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist das Abschleppen eines verkehrswidrig geparkten Fahrzeuges aber (jedenfalls) dann, wenn mit dem verkehrswidrigen Parken eine Funktionsbeeinträchtigung der Verkehrsfläche verbunden ist. Auf das Vorliegen einer konkreten Verkehrsbehinderung kommt es dabei nicht an,
vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 1992 -3 C 3.90-, NJW 1993, 870, und Beschluss vom 18. Februar 2002 -3 B 149.01-, a.a.O.; OVG NRW, Urteile vom 26. September 1996 -5 A 1746/94-, VRS 94 (1998), 159 und vom 24. März 1998 -5 A 183/96-, a.a.O., sowie Beschlüsse vom 24. September 1998 -5 A 6183/96-, NJW 1999, 1275 und vom 21. März 2000 -5 A 2339/99-, NZV 2000, 310.
Im vorliegenden Fall durfte das Fahrzeug des Klägers zwangsweise entfernt werden, um die mit der Vorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO verfolgte Regelungsabsicht durchzusetzen. Zweck der Vorschrift ist, Verkehrsbehinderungen und Sichtbehinderungen im Einmündungs- und Kreuzungsbereich zu vermeiden,
vgl. Berr/Hauser , Das Recht des ruhenden Verkehrs, 1993, S. 38 Rdnr. 154; OVG NRW, Beschluss vom 9. Juni 2000 -5 A 5135/99-, NJW 2001, 172, m.w.N.
Vorschriftswidriges Parken im Einmündungs- und Kreuzungsbereich erschwert die Übersicht in diesem Bereich, verkürzt die Reaktionszeiten der Verkehrsteilnehmer bei einbiegendem oder sich kreuzendem Verkehr und erhöht damit die Gefahr von Unfällen. Fußgänger, die die Fahrbahn überqueren, sind in ihrer Sicht auf fahrende Fahrzeuge behindert und können ihrerseits vom fahrenden Verkehr infolge eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeuges nur verspätet wahrgenommen werden. Dies gilt - aufgrund ihrer Körpergröße und ihrer relativen Unerfahrenheit im Straßenverkehr - in besonderem Maße für Kinder. Die mit der Vorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO bezweckte Funktion, Gefahren und Behinderungen durch parkende Fahrzeuge im Einmündungs- und Kreuzungsbereich zu vermeiden, wird daher regelmäßig durch verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge beeinträchtigt, so dass deren zwangsweises Entfernen grundsätzlich gerechtfertigt ist,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juni 2000 -5 A 5135/99-, a.a.O.
Der vom Kläger betonte Umstand, dass es sich bei der fraglichen Einmündung in die S.-straße lediglich um eine als reine Anwohnerstraße genutzte und als Sackgasse ausgestaltete Straße mit geringer Verkehrsbedeutung handelt, führt nicht zu einer anderen Betrachtung. Es mag zwar sein, dass aufgrund der geringeren Verkehrsfrequenz die Zahl der möglichen Gefahrensituationen vermindert ist. Gleichwohl ist die Kammer bei Auswertung der in den Akten befindlichen Lichtbilder davon überzeugt, dass das Fahrzeug des Klägers im fraglichen Einmündungsbereich eine wesentliche Sichtbeeinträchtigung sowohl für den die S.-straße an dieser Stelle querenden Fußgängerverkehr, als auch für den in die S.-straße aus beiden Richtungen der U.-straße einbiegenden Fahrverkehr verursachte. Insbesondere wurde für Kraftfahrer, die die U.-straße in Richtung K. Straße befuhren und nach links in die S.-straße einbiegen wollten, die Sicht auf querende Fußgänger beeinträchtigt, die wegen des verbotswidrig abgestellten Fahrzeuges des Klägers dieses Fahrzeug nicht an der Fahrerseite, sondern an der Beifahrerseite und damit zwischen den abgestellten Fahrzeugen passierten. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass es sich bei diesem Fahrzeug, einem Pkw vom Typ Renault Kangoo, um ein überdurchschnittlich hohes Fahrzeug handelte, durch das ein Kind nahezu vollständig verdeckt worden wäre. Die Sicht auf querende Fußgänger, die das vom Kläger geführte Fahrzeug hingegen an der Fahrerseite passierten, wäre demgegenüber für Kraftfahrer, die aus der Sackgasse der S.-straße nach rechts in die U.-straße einbogen, erheblich verschlechtert gewesen. Auch hier gilt, dass Kinder in besonderem Maße gefährdet gewesen wären und sich die Sichtbeeinträchtigung für den Fahrverkehr in gleichem Maße auch als Sichtbeeinträchtigung für den Fußgängerverkehr dargestellt hätte. Die Mitarbeiter der Beklagten mussten ein Entstehen derartiger Gefahrensituationen, die durch die Normierung eines Haltverbotes im Einmündungs- und Kreuzungsbereich gerade vermieden werden sollen, auch nicht erst abwarten. Eine andere Betrachtung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn trotz des verbotswidrig abgestellten Fahrzeuges Gefahrensituationen nahezu ausgeschlossen wären. Hiervon kann aber entgegen der Auffassung des Klägers angesichts dessen, dass der fragliche Bereich sich in der B1. Innenstadt befindet und gerade nicht als verkehrsfrei darstellt, nach dem zuvor Gesagten ersichtlich nicht ausgegangen werden. Der Schutzzweck des § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO wurde durch das verbotswidrig im Einmündungsbereich S.-straße /U.-straße abgestellte Fahrzeug des Klägers daher mehr als nur unerheblich beeinträchtigt, weshalb ein sofortiges Abschleppen des Fahrzeuges gerechtfertigt war,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juni 2000 -5 A 5135/99-, a.a.O.
Weitere Gesichtspunkte, die ausnahmsweise vorliegend die angeordnete Abschleppmaßnahme dennoch als unverhältnismäßig erscheinen lassen könnten, sind nicht aufgezeigt. Fehler bei der Ermessensausübung sind nicht ersichtlich. Dafür, dass den Mitarbeitern der Beklagten etwa ein Abbrechen des Abschleppvorganges und damit eine Reduzierung der entstandenen Kosten möglich gewesen wäre, weil die Tochter des Klägers und deren Freundin versucht haben, das bereits abfahrende Abschleppfahrzeug durch "Winken" noch aufzuhalten, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Insoweit haben die Beklagten mitgeteilt, dass weder der Fahrer des Abschleppfahrzeuges noch der städtische Mitarbeiter dieses Winken registriert hätten. Es erscheint der Kammer auch entgegen der Annahme des Klägers keineswegs zwingend, dass ein derartiges Winken tatsächlich bemerkt worden ist. Der im Abschleppfahrzeug mitfahrende städtische Bedienstete hat regelmäßig kaum eine Möglichkeit, den rückwärtigen Verkehr zu beobachten oder ein Geschehen, das sich hinter dem Abschleppfahrzeug abspielt, wahrzunehmen. Der Fahrer des Abschleppfahrzeuges wird sich ebenso regelmäßig, jedenfalls sobald der Vorgang des Abfahrens abgeschlossen ist, in erster Linie auf die Verkehrssituation, die sich vor ihm entwickelt, konzentrieren müssen. Es fehlt vorliegend daher an hinreichend konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der Abschleppvorgang fortgesetzt worden ist, obwohl das vom Kläger erwähnte Winken bemerkt worden ist. Ermessensfehler ergeben sich schließlich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, andere verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge seien nicht abgeschleppt worden. Denn hieraus kann, worauf die Beklagten bereits richtig hingewiesen haben, nichts für die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Abschleppmaßnahme hergeleitet werden ("keine Gleichheit im Unrecht"). Im Übrigen ist dem Gericht aus einer Reihe anderer Klageverfahren bekannt, dass die Beklagten regelmäßig den ruhenden Verkehr in der B1. Innenstadt auch im Hinblick auf Verstöße gegen § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO überwachen und im Bedarfsfall Abschleppmaßnahmen durchführen. Dafür, dass im vorliegenden Fall ein anderer, letztlich dem Willkürbereich zuzuordnender Maßstab das ordnungsbehördliche Einschreiten bestimmt haben könnte, ist nichts ersichtlich. Der Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme steht schließlich auch nicht entgegen, dass sich der Kläger beim Abstellen des Fahrzeuges in Ermangelung freier Parkplätze nach eigener Einschätzung möglicherweise in einer „Notsituation“ befunden und sein Verhalten als "entschuldbar" gewertet hat. Abgesehen davon, dass eine in großstädtischen Bereichen regelmäßig vorzufindende Parkraumnot grundsätzlich keine im vorliegenden Zusammenhang relevante Notlage zu begründen vermag, könnten derartige Umstände ohnehin allenfalls im Rahmen eines Bußgeldverfahrens als Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe Berücksichtigung finden. Für die - verschuldensunabhängige - Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abschleppmaßnahme ist allein entscheidend, ob objektiv eine Gefahr im Sinne des § 14 Abs. 1 OBG NRW vorgelegen hat, die zum Einschreiten der Ordnungsbehörde berechtigte. Dies ist, wie zuvor dargelegt, hier zu bejahen.

Ist demnach die Ersatzvornahme rechtmäßig durchgeführt worden, so war der Kläger auf der Grundlage des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 KostO NRW i.V.m. §§ 77 Abs. 1, 59, 57 Abs. 1 Nr. 1, 55 Abs. 2 VwVG NRW zur Zahlung der Abschleppkosten verpflichtet. Ein Erstattungsanspruch kann ihm deshalb nicht zustehen. Die Klage unterliegt daher in vollem Umfang der Abweisung. ..."



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