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BayObLG Beschluss vom 07.06.1999 - 2 ObOWi 247/99 - Zur zulässigen LKW-Geschwindigkeit außerorts
BayObLG v. 07.06.1999: Zur zulässigen LKW-Geschwindigkeit außerorts
Das Bayerische Oberste Landesgericht (Beschluss vom 07.06.1999 - 2 ObOWi 247/99) hat entschieden:
- Die Ausnahmeregelung in StVO § 3 Abs 3 Nr 2 Buchst c S 2 und 3 gilt nur für Personenkraftwagen und andere Kraftfahrzeuge bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t.
- § 18 Abs 5 S 2 Nr 1 StVO ist einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich und lässt daher entsprechend seinem Wortlaut für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t eine höhere Geschwindigkeit als 60 km/h nur auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind, zu.
Siehe auch Die außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeiten von LKW und Mercedes Sprinter - Abgrenzung Pkw-Lkw
Zum Sachverhalt: Der Betroffene befuhr am 16.4.1998 mit seinem Lastkraftwagen, einem Heizöltransporter mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 t, die Bundesstraße ... in Richtung N. mit einer Geschwindigkeit von 72 km/h. In Höhe der Messstelle weist die Bundesstraße ..., die nicht als Kraftfahrstraße ausgestaltet ist, zwei Richtungsfahrbahnen auf, wobei die Fahrtrichtungen durch Leitplanken und Bäume sowie Büsche voneinander getrennt sind.
Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 60 DM.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wurde nicht zugelassen.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Der Senat teilt im Ergebnis und in der Begründung die vom Amtsgericht vertretene Auffassung, dass die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 3 Nr. 2 c Sätze 2 und 3 StVO nur für Personenkraftwagen bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t gilt (vgl. Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht 35. Aufl. § 3 StVO Nr. 54 a; Mühlhaus/Janiszewski StVO 15. Aufl. § 3 Rn. 62; Cramer Straßenverkehrsrecht Bd. I 2. Aufl. § 3 StVO Rn. 117 a; Lütkes/Meier/Wagner Straßenverkehr StVO 2. Aufl. § 3 Rn. 34). Dies folgt aus der Stellung der Ausnahmeregelung innerhalb von Abs. 3 Nr. 2 c und aus § 18 Abs. 5 StVO sowie der hierzu veröffentlichten amtlichen Begründung (VkBl 1988, 222).
In der amtlichen Begründung wird die Ausnahmeregelung eindeutig nur der Nr. 2 c zugeordnet und die Neuregelung des § 18 Abs. 5 StVO damit begründet, dass die Höchstgeschwindigkeit von 6O km/h für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 7,5 t auch für Kraftfahrstraßen mit Richtungsfahrbahnen und Mittelstreifen auf 80 km/h angehoben werden solle. Die vom Amtsgericht Weilburg (NStZ-RR 1996, 346) für "gleichermaßen plausibel" gehaltene Auslegung, dass die Geschwindigkeit auf Autobahnen und autobahnähnlichen Straßen im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 2 c Sätze 2 und 3 StVO auch für den Schwerlastverkehr "prinzipiell unbegrenzt" sei und deshalb der Einschränkung des § 18 Abs. 5 StVO bedürfe, stellt die Regelung auf den Kopf. § 18 Abs. 5 StVO schränkt nicht eine grundsätzlich unbegrenzte Geschwindigkeit auch für den Schwerlastverkehr, die ganz lebensfremd wäre, ein, sondern lässt im Gegenteil für bestimmte Straßen eine höhere Geschwindigkeit auch der in § 3 Abs. 3 Nr. 2 b StVO genannten Kraftfahrzeuge zu.
Deshalb ist es auch nicht erforderlich, § 18 Abs. 5 StVO über den Wortlaut hinaus auch auf autobahnähnliche Straßen, die nicht als Autobahn oder Kraftfahrstraße gekennzeichnet sind, zu erweitern, um eine in der Tat sonst völlig sinnwidrige Zulassung einer unbegrenzten Geschwindigkeit auch für den Schwerlastverkehr auf diesen Straßen zu vermeiden.
Die amtliche Begründung zur Neuregelung des § 18 Abs. 5 StVO lässt aber auch erkennen, dass nicht "eindeutig" ein "Redaktionsversehen" vorliegt, wie das Amtsgericht Weilburg (aaO) meint. Der Verordnungsgeber wollte die bisher nur für Autobahnen geltende Regelung ausdrücklich auf Kraftfahrstraßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind, erweitern. Wenn er dabei auf die Einstufung als Kraftfahrstraße (Zeichen 331) abgestellt und nicht auch sonstige Straßen mit Fahrbahntrennung einbezogen hat, zwingt dies nicht zu einer "verfassungskonformen" und "teleologischen" Auslegung.
Die Auffassung des Amtsgerichts Weilburg hat in Rechtsprechung und Literatur - soweit ersichtlich - keine Zustimmung gefunden. Die vereinzelt gebliebene Entscheidung gibt keinen Anlass, die Sache gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zur rechtsfortbildenden Entscheidung vorzulegen. ..."