Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Die Anordnung einer MPU als Ermessensentscheidung bei Vorbelastungen in Form von Straftaten und / oder Ordnungswidrigkeiten

Bouska/Laeverenz: Die Anordnung einer MPU als Ermessensentscheidung bei Vorbelastungen in Form von Straftaten und / oder Ordnungswidrigkeiten


Siehe auch Stichwörter zum Thema medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)




Vielfach stellt sich die Frage, ob ein von der Fahrerlaubnisbehörde in Aussicht genommene MPU-Aufforderung rechtmäßig ist oder nicht, so z. B. wenn lediglich eine einzige Straftat oder nur Ordnungswidrigkeiten vorliegen.


Hierzu Auszug aus Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, 3. Aufl., 2004, Anm. 19 e) zu § 11 FeV:
"Straftaten i.S. d. Satzes 1 Nr. 4 sind in erster Linie Verkehrsstraftaten (z. B. nach § 316, 315c, § 142 StGB, § 21 StVG).

Straftaten, die „in Zusammenhang mit der Kraftfahrereignung stehen” sind neben den genannten Delikten vor allem solche (strafrechtlichen) Verstöße, die auch wenn sie nicht im Straßenverkehr begangen wurden eine Veranlagung des Bewerbers zu Rohheit oder eine geringe Hemmschwelle gegenüber der körperlichen Integrität anderer Menschen erkennen lassen und hierzu zählt auch ein hohes Aggressionspotential (sämtliche Alternativen der Nr. 4 überlappen sich also teilweise).

Im Hinblick auf den systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG und § 11 Abs. 1 Satz 3 FeV ist die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass bereits das Vorliegen einer - allerdings erheblichen - Straftat genügt (vgl. VGH Baden-Württemberg, DAR 2002, S. 92f, zu § 11 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. Nr. 5 Buchst. b FeV). Bei der Straftat kann es sich auch um eine Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss handeln, wenn diese zwar eine Straftat gemäß § 315c oder § 316 StGB darstellt, die Blutalkoholkonzentration jedoch unter der 1,6-Promille-Grenze des § 13 Nr: 2 Buchst. c FeV geblieben ist (BayVGH, NZV 2001, S. 494ff). Die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. Nr. 5 Buchst b FeV wird hier nicht durch § 13 Nr. 2, Buchst. c FeV ausgeschlossen, da es sich bei § 13 Nr. 2 Buchst. c und d um gebundene, bei § 11 Abs. 3 FeV hingegen um Ermessensentscheidungen handelt (BayVGH a.a.0.).

In Fällen einer Alkoholproblematik, in denen die Voraussetzungen des § 13 FeV nicht erfüllt sind, ist im Rahmen des Ermessens besonders eingehend zu prüfen, welche Gründe für bzw. gegen die Anordnung eines BfF-Gutachtens sprechen.

Neben besonderen Umständen der Tat können hier insbesondere auch weitere Verkehrszuwiderhandlungen (z. B. auch Ordnungswidrigkeiten) gewürdigt werden (vgl. zur Heranziehung weiterer Ordnungswidrigkeiten auch BayVGH, NZV 2001, S. 494 ff).

Ordnungswidrigkeiten allein, auch wenn sie nach Art und Zahl Eignungsbedenken begründen, berechtigen im Rahmen der Nr. 4 nicht zur Anordnung eines BfF-Gutachtens (sie können allerdings im Rahmen einer Begutachtung wegen Straftaten i. S. d. Nr. 4 verwertet werden). Die - charakterliche - Eignung des Bewerbers ist in diesen Fällen auf der Grundlage des § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 3 FeV von der FE-Behörde selbständig zu beurteilen (a.A. z. B. VG Regensburg v. 15. 3. 2000, RN 9 S 0000396; wohl auch OVG Lüneburg, DAR 2000, S. 133 ff mit insoweit abl. Anm. Kramer).

Die Zulässigkeit einer Anforderung eines Gutachtens in direkter Anwendung des § 2 Abs. 8 StVG erscheint fraglich. Zwar spricht hierfür, dass die Behörde, die bei Überzeugung von der Nichteignung die FE entziehen kann, auch in der Lage sein muss, auf fachlich fundierter Grundlage eine entsprechende Entscheidung zu treffen. Andererseits würde man damit - entgegen der amtlichen Begründung (VkBl 1998, S. 1054) - davon ausgehen, dass die Anlässe für die medizinisch-psychologische Untersuchung nicht abschließend in §§ 11, 13 und 14 FeV110 Abs. 2 Satz 2 FeV sowie § 2a Abs. 4 Satz 1 HS 2, Abs. 5 Satz 5 und § 4 Abs. 10 Satz 3 StVG festgelegt sind (vgl. auch Geiger, DAR 2003, S. 494).

Auch das Punktsystem (§ 4 StVG) ist bei Ersterwerb einer FE nicht, auch nicht sinngemäß, anwendbar (vgl. auch Erl. 20 Buchst. c und d zu § 2 StVG, insbesondere zur Bedeutung des Punktsystems bei Erweiterung einer bestehenden FE): Für Bewerber, die eine FE nach vorangegangenem Entzug neu erwerben wollen, ergibt sich allerdings aus Satz 2 i. V: m. § 4 Abs: 10 Satz 3 StVG, das letztlich auch Ordnungswidrigkeiten Anlass für eine Eignungsbegutachtung durch die BfF sein können."



Datenschutz    Impressum