Das Verkehrslexikon

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OVG Münster Beschluss v. 08.01.2008 - 16 B 1367/07 - Keine MPU-Anordnung, wenn von zwei Alkoholtaten eine tilgungsreif ist

OVG Münster v. 08.01.2008: Keine MPU-Anordnung bei tilgungsreifen Taten, die sieben Jahre zurückliegen


Das OVG Münster (Beschluss vom 08.01.2008 - 16 B 1367/07) hat entschieden:
Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann nicht auf die Weigerung zur Teilnahme an einer MPU gestützt werden, wenn sich die Anordnung lediglich auf zwei Fahrten unter Alkoholeinfluss stützt, von denen eine Fahrt bereits über sieben Jahre zurückliegt und im Verkehrszentralregister zu tilgen wäre.


Siehe auch Stichwörter zum Thema medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)


Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Beschwerde des Antragstellers, über die im Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter entscheidet (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO), hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht davon abgesehen, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Die Ordnungsverfügung vom 9. Juli 2007, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, erweist sich nämlich aufgrund summarischer Überprüfung als offensichtlich rechtswidrig. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 46 Abs. 3 iVm § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV wegen der Weigerung, sich untersuchen zu lassen, auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden darf, liegen nicht vor. Die Schlussfolgerung auf das Fehlen der Fahreignung nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV setzt voraus, dass dem Fahrerlaubnisinhaber zu Recht eine Untersuchung - vorliegend eine medizinisch-psychologische Untersuchung - aufgegeben worden ist. Vorliegend sind indessen die Voraussetzungen für eine solche Anordnung nicht gegeben. Die beim Antragsteller zutage getretenen Eignungszweifel resultieren aus zwei Fahrten unter Alkoholeinfluss in den Jahren 2000 und 2007, so dass diesbezüglich auf die spezielle Bestimmung über die Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik des § 13 Nr. 2 FeV - und nicht etwa auf die allgemeine Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV - zurückzugreifen ist. Es greift indessen keine der dort genannten Fallgruppen ein. Insbesondere ist der vom Antragsgegner für einschlägig erachtete Fall des § 13 Nr. 2 Buchst. b FeV - wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss - nicht gegeben. Denn gemäß § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG darf die Fahrt des Antragstellers vom 19. Oktober 2000 mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,27 mg/l nicht mehr für die Fahreignungsbeurteilung (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 StVG) herangezogen bzw. zum Nachteil des Antragstellers verwertet werden, da sie der Tilgung gemäß § 29 StVG unterliegt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der betreffende Sachverhalt tatsächlich getilgt, d.h. im Verkehrszentralregister gelöscht bzw. unkenntlich gemacht worden ist. Vielmehr besteht das Verwertungsverbot - wie auch im Bundeszentralregisterrecht (§ 51 Abs. 1 BZRG) - schon dann, wenn die jeweilige Eintragung zu tilgen ist.
Vgl. Bode/Winkler, Fahrerlaubnis, 4. Auflage, § 6 Rn. 121.
Zumindest die Tilgungsreife ist im Hinblick auf die Zuwiderhandlung des Antragstellers im Jahr 2000 gegeben. Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 StVG beträgt die Tilgungsfrist bei Entscheidungen über Ordnungswidrigkeiten (§ 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG) zwei Jahre. Eine spezielle Bestimmung für Ordnungwidrigkeiten nach § 24a StVG besteht insoweit - anders als hinsichtlich der sog. absoluten Tilgungsreife (§ 29 Abs. 6 Satz 4 StVG) - nicht. Demnach wäre die Eintragung wegen der Rauschfahrt vom 19. Oktober 2000 zwei Jahre nach der Rechtskraft des betreffenden Bußgeldbescheides, d.h. am 23. Dezember 2002, zu tilgen gewesen. Soweit § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG bestimmt, dass im Falle der Eintragung mehrerer Entscheidungen nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 9 StVG über eine Person die Tilgung einer der Eintragungen erst zulässig ist, wenn für alle betreffenden Eintragungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen, ergibt sich vorliegend nichts Abweichendes. Denn insoweit könnte eine Ablaufhemmung lediglich mit Blick auf die Fahrerlaubnisentziehung gemäß § 2a Abs. 3 StVG vom 4. August 1997 eingetreten sein. Auch diese Eintragung unterliegt jedoch seit langem der Tilgung. § 29 Abs. 1 Satz 4 StVG bestimmt insoweit - ausgenommen sind gemäß § 29 Abs. 1 Satz 3 StVG nur die hier nicht einschlägigen Maßnahmen nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG -, dass die Tilgung ein Jahr nach dem Ablauf der Probezeit nach § 2a StVG erfolgt. Die regelmäßige Probezeit beläuft sich auf zwei Jahre vom Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung an (§ 2a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. StVG). Für den Antragsteller verlängerte sie sich um zwei weitere Jahre, weil ihm während der Probezeit die Teilnahme an einem Aufbauseminar auferlegt worden ist (§ 2a Abs. 2a Satz 1 StVG). Die nach dem Ersterwerb einer Fahrerlaubnis am 15. Februar 1996 in Lauf getretene Probezeit endete mit dem Wirksamwerden der Ordnungsverfügung vom 4. August 1997, also nach etwa 18 Monaten (vgl. § 2a Abs. 1 Satz 6 StVG). Als der Antragsteller am 6. November 1997 erneut eine Fahrerlaubnis erwarb, begann gemäß § 2a Abs. 1 Satz 7 StVG eine neue Probezeit, jedoch nur im Umfang der Restdauer der vorherigen Probezeit, d.h. für rund zweieinhalb Jahre. Demzufolge hätte seine Probezeit im Mai 2000 endgültig geendet; ein Jahr danach ist somit diese Eintragung tilgungsreif geworden, so dass sie die Tilgung der Eintragung wegen der Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG am 23. Dezember 2002 nicht mehr hemmen konnte.

Liegt demnach nur noch eine verwertbare alkoholbedingte Auffälligkeit des Antragstellers im Straßenverkehr vor, nämlich die Zuwiderhandlung vom 14. Januar 2007, kann mangels "wiederholter" Zuwiderhandlungen iSv § 13 Nr. 2 Buchst. b FeV allein daran keine Pflicht zur medizinisch-psychologischen Untersuchung des Antragstellers geknüpft werden. Es greift auch keiner der anderen Tatbestände des § 13 Nr. 2 FeV ein. § 13 Nr. 2 Buchst. a ist schon deshalb nicht einschlägig, weil nicht im Rahmen eines gestuften Vorgehens zunächst eine ärztliche Begutachtung angeordnet und durchgeführt worden ist. Auch die Tatbestände des § 13 Nr. 2 Buchst. c und d FeV sind ersichtlich nicht gegeben. Schließlich ist es auch nicht gerechtfertigt, auf die Auffangregelung des § 13 Nr. 2 Buchst. e FeV zurückzugreifen. Denn es liefe auf eine Umgehung insbesondere der spezielleren Regelungen des § 13 Nr. 2 Buchst. b und c FeV hinaus, wenn bereits eine einmalige alkoholbedingte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr, die wie vorliegend nicht den Schweregrad des § 13 Nr. 2 Buchst. c FeV (Führen eines Kraftfahrzeuges mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr) erreicht, gleichfalls zu einer Pflicht zur medizinisch-psychologischen Untersuchung führen würde.

Erweist sich damit, dass im Fall des Antragstellers schon gar nicht der Verdacht eines fahrerlaubnisrechtlich relevanten Eignungsmangels, der Anlass für die Auferlegung einer Pflicht zur medizinisch-psychologischen Begutachtung sein kann, gerechtfertigt war, lässt sich die angegriffene Ordnungsverfügung des Antragsgegners erst recht nicht mit der Erwägung halten, die Ungeeignetheit zum Führen stünde bereits ohne eine entsprechende (negative) Begutachtung fest. ..."



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