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Amtsgericht Brandenburg Urteil vom 07.07.2005 - 31 C 203/04 - Zusicherung der Erstattung von Mietwagenkosten ist Geschäftsgrundlage des Mietvertrages

AG Brandenburg v. 07.07.2005: Zusicherung der Erstattung von Mietwagenkosten ist Geschäftsgrundlage des Mietvertrages


Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel (Urteil vom 07.07.2005 - 31 C 203/04) hat entschieden:
Wenn der Vertreter einer Mietwagenfirma dem Geschädigten zusichert, dass die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners des Geschädigten die Mietwagenkosten übernehmen wird; so ist diese Zusicherung Geschäftsgrundlage des Kfz-Mietvertrages geworden und der Geschädigte haftet nur in Höhe der von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners anerkannten Mietwagenkosten.


Siehe auch Mietwagen und Ersatz der Mietwagenkosten


Zum Sachverhalt: Die Bekl. unterzeichnete am 20. 5. 2003 in einem Büro der Kl. (einem in Deutschland tätigen gewerblichen Selbstfahrervermietungsunternehmen für Fahrzeuge) nach einem Haftpflichtschaden an ihrem PKW - welcher durch eine dritte Person verursacht wurde - auf einem Unterschriftspad / Schrifttablett einen Kfz-Mietvertrag, welcher nur im Computer des Vertreters der Kl. gespeichert war, wobei zwischen den Prozessparteien streitig blieb, ob die Bekl. sich zuvor über die konkrete Höhe des Mietpreises mit dem Vertreter der Kl. vertraglich vereinbart hatte oder ob der Vertreter der Kl. gegenüber der Bekl. ausdrücklich mündliche zugesichert hatte, dass die Kfz-Miete nur den Betrag ausmachen würde, den die Bekl. von der Haftpflichtversicherung ihres Unfallgegners ersetzt bekommt. Zudem war zwischen den Parteien streitig, ob die Bekl. überhaupt den vollständigen Mietvertrag vor ihrer elektronischen Unterschriftsleistung einsehen konnte. Die auf Zahlung von Miete gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Kl. steht gegenüber der Bekl. ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 516, 84 Euro nicht zu.

Nach dem Vorbringen der Prozessparteien und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nach Überzeugung des erkennenden Gerichts zwischen den Prozessparteien ein Mietvertrag über einen Pkw vom Typ Ford Focus am 20. 5. 2003 zustande gekommen. Das Gericht hat jedoch auch die Überzeugung gewonnen, dass - entgegen der Auffassung der Kl. - die Prozessparteien hier. keine verbindliche Vereinbarung über die Höhe der durch die Kl. zu entrichtenden Miete getroffen haben.

Der Zeuge B hat nämlich glaubwürdig ausgesagt, dass zu keinem Zeitpunkt ein Mietpreis genannt wurde während des Gesprächs zwischen dem Vertreter der Kl. - dem Zeugen M. - und der Bekl. bei Abschluss dieses Mietvertrages und die Bekl. mit dem Vertreter der Kl. insgesamt nicht über Preise gesprochen hatte. Vielmehr habe der Mitarbeiter der Kl. - der Zeuge M. die Bekl. lediglich darauf hingewiesen, dass dies kein Problem sei und die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners der Bekl. schon bezahlen würde. Der Mitarbeiter der Kl. - der Zeuge ... - konnte sich im Übrigen bei seiner Vernehmung jetzt nicht mehr daran erinnern, wie hier die Vertragsunterzeichnung am 20. 5. 2003 erfolgte, ob die Bekl. überhaupt ihre Unterschrift auf einen schriftlichen Mietvertrag gesetzt habe oder auf eine elektronisches Unterschriftspad / Schrifttablett und ob der Bekl. der ausgefüllte Mietvertrag mit dem Mietpreis bereits vor der Unterschriftsleistung unter dem elektronisches Unterschriftspad / Schrifttablett vorgelegt wurde oder erst danach bzw. überhaupt nicht.

Zur Bestimmtheit der Miethöhe können insoweit aber auch die entsprechenden mietrechtlichen Grundsätze herangezogen werden. Zum Abschluss eines Mietvertrages gehört nämlich nicht unbedingt die Einigung der Vertragsparteien über eine konkrete Miete in einer bestimmten Höhe. Selbst ohne jegliche Vereinbarung über die Miethöhe kann somit ein Mietvertrag zustande kommen, sofern sich die Parteien - wie hier - bindend über eine entgeltliche Überlassung des Gebrauchs einer Sache einigen (BGH, NJW 1997, 2671; BGH, NJW 2003, 1317;_ BGH, NJW-RR 1992, 517). Als dann gilt eine angemessene oder ortsübliche Miete als vereinbart, sei es im Wege ergänzender Vertragsauslegung oder entsprechend § 612 II bzw. § 632 II BGB (BGH, NJW-RR 1992, 517; BGH, NJW 1997, 2671; OLG Hamm, NJW 1976, 1212; BGH, NJW 1974, 364). Haben somit die Parteien bei Vertragsschluss die genaue Entgelthöhe offen gelassen, gleichwohl aber eine Bindung gewollte, dann muss diese Lücke dementsprechend entweder über eine ergänzende Vertragsauslegung oder über die analoge Anwendung einer gesetzlichen Regelung (§ 612 II BGB und § 632 II BGB) geschlossen werden (BGH, NJW 1997, 2671; BGH, NJW-RR 1992, 517; BGH, NJW 2003, 1317). Die insofern heranzuziehende übliche Miethöhe ergibt sich indessen, wozu das erkennende Gericht angesichts der abgeschlossenen Tatsachenfeststellungen in der Lage ist, bei sachgerechter Auslegung (§§ 133 und 157 BGB) schlüssig aus dem Erklärten der Prozessparteien bzw ihrer Vertreter und dessen Hintergrund (BGH, NJW 2003, 1317).

Auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme hat das Gericht insoweit hier die Überzeugung gewonnen, dass zwischen dem Vertreter der Kl. - dem Zeugen M. - und der Bekl., diesbezüglich vereinbart wurde, dass die Miethöhe für den von der Bekl. angemieteten Pkw der Kl, für den streitbefangenen Zeitraum in gleicher Höhe vereinbart wurde, wie die Bekl. von der Haftpflichtversicherung ihres Unfallgegners den entsprechenden Mietzins ersetzt bekommt. Der Zeuge B hat nämlich glaubhaft ausgesagt, dass der Mitarbeiter der Kl. gegenüber der Bekl. bei Abschluss des Mietvertrages ausdrücklich verbindlich gesagt habe, dass es kein Problem sei und die Versicherung das schon bezahlen würde. Auch hat der Mitarbeiter der Kl. gegenüber der Bekl. ebenso ausdrücklich zugesichert, dass die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners „dies alles” übernehmen würde, so dass wohl nur aus diesem Grunde der Bekl. die Mietpreishöhe hier gleichgültig war und sie auf dem elektronischen Unterschriftspad / Schrifttablett unterzeichnete.

Vorliegend hat die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners der Bekl. jedoch unstreitig lediglich Mietwagenkosten in Höhe von 408,78 Euro als berechtigte Kosten angesehen und der Kl. gegenüber erstattet. Unter Berücksichtigung der oben näher dargelegten Rechtsgrundsätze geht das erkennende Gericht somit hier aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme dementsprechend davon aus, dass diese insoweit bestimmbare Mietpreis in Höhe der Zahlung der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners der Bekl. (408,78 Euro) von Anfang an zwischen den Prozessparteien vereinbart wurde und dementsprechend die Kl. gegenüber der Bekl. auch nur einen Anspruch auf Zahlung einer Kfz-Miete in Höhe selbigen Betrages hatte, dieser Geldbetrag aber unstreitig bereits vorprozessual an die Kl. bezahlt wurde.

Die Bekl. schuldet somit die von der Kl. hier im Übrigen noch geltend gemachte Miete in Höhe von weiteren 516,84 Euro nicht mehr, weil die Miete aufgrund der Vereinbarungen der Prozessparteien bei Vertragsschluss anzupassen ist. Geschäftsgrundlage zwischen den Parteien war nämlich, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den Schaden und damit auch die Mietwagenkosten ersetzt. Dies ergibt sich hinreichend aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. In dieser Vereinbarung kommt dementsprechend die gemeinsame Erwartung der Parteien zum Ausdruck, die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners _der Bekl. werde die Mietwagenkosten schon übernehmen (OLG München, NZV 2003, 141). Hierin liegt eine wesentliche Grundlage des vereinbarten Geschäfts. Die Bekl., die nämlich nur aufgrund der Aussagen des Vertreters der Kl. davon ausging, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung ihres Unfallgegners den Schaden und insoweit auch die Kosten für den Ersatzmietwagen in voller Höhe tragen werde, konnte diese Zusicherung berechtigter weise als Geschäftsgrundlage des Mietwagenvertrages ansehen. Sie hat sich daher hier auch wohl nur aus diesem Grunde nicht um andere, kostengünstigere Angebote bemüht. Dieses Risiko, das in der gemeinsamen Erwartung, die gegnerische Haftpflichtversicherung werde die Mietwagenkosten schon ersetzen, liegt, hat aber nicht allein die Bekl. als Mieterin des Fahrzeugs zu tragen. Dies würde dem Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung widersprechen (OLG München, NZV 2003, 141).

Der von der Kl. nunmehr als Computer-Ausdruck vorgelegte Vertrag war somit an die hier gegebenen Umstände anzupassen. Diese Anpassung tritt kraft Gesetzes ein, das Gericht hat insoweit nur eine rechtsfeststellende Aufgabe, keine rechtsgestaltende. Das maßgebliche Kriterium für die Anpassung ist die Zumutbarkeit, die damit sowohl auf der Tatbestands als auch auf der Rechtsfolgenseite von Bedeutung ist. Daraus ergibt sich hier, dass die Kl. lediglich einen Anspruch auf Zahlung einer Miete in Höhe von 408,78 Euro aus dem streitbefangenen Vertragsverhältnis hat. Genau dieser Zahlungsanspruch wurde jedoch bereits vorprozessual durch die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners der Bekl. gegenüber der Kl. ausgeglichen.

Das erkennende Gericht vertritt im Übrigen ebenso wie das Landgericht München 1 die Rechtsauffassung, dass einem darüber hinaus gehenden klägerischen Anspruch auch § 242 BGB entgegen steht (LG München 1, NZV 2003, 140). Die Kl. hat hier nämlich noch nicht einmal vorgetragen, dass sie die Bekl. darauf hingewiesen hätte, dass es unterschiedliche Preise bei Mietfahrzeugen gibt. Sie hat auch ebenso unstreitig hier nicht vorgetragen, dass sie die Bekl. auf die unterschiedlichen Selbstbeteiligungen hingewiesen hat. Damit hat die Kl. der Beklagten aber überhaupt keine Möglichkeit gegeben, sich in irgend einer Form zu erkundigen oder eine günstigere Preisvariante zu wählen. Das erkennende Gericht sieht darin - ebenso wie das Landgericht München 1 (NZV 2003, 140) - ein Verstoß gegen Treu und Glauben, so das der Kl. ein weitergehender Anspruch somit auch entsprechend den Grundsätzen des § 242 BGB hier nicht gegenüber der Bekl. zur Seite steht.

Die Kl. steht daher gegenüber der Bekl. der hier geltend gemachte Anspruch in Höhe von 516,84 Euro nicht zu. ..."



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