Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Urteil vom 16.07.1993 - 18 U 1276/92 - Zur Nutzungsausfallentschädigung für ein unfallbeschädigtes Fahrrad

KG Berlin v. 16.07.1993: Zur Nutzungsausfallentschädigung für ein unfallbeschädigtes Fahrrad und zur Berücksichtigung von Unfallverletzungen für die Nutzbarkeit


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 16.07.1993 - 18 U 1276/92) hat entschieden:
Für die vereitelte Nutzbarkeit eines Fahrrads kann Entschädigung beansprucht werden, soweit das Fahrrad im Ausfallszeitraum tatsächlich genutzt worden wäre, was bei Unfallverletzungen fraglich ist.


Siehe auch Nutzungsausfall


Zum Sachverhalt: Der Kl. beanspruchte u. a. eine Entschädigung dafür, dass der Bekl. ihm den Gebrauch seines Fahrrads vorenthielt. Klage und Berufung hatten insoweit keinen Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Verlust von Gebrauchsvorteilen einer Sache als ersatzfähiger Vermögensschaden in Betracht kommen. Diese Rechtsprechung ist zunächst im Zusammenhang mit der entgangenen Nutzungsmöglichkeit von Kfz entwickelt (BGH, NJW 1964, 542), dann aber auch auf andere Gebrauchsgegenstände ausgedehnt worden. Im Hinblick darauf, dass es zu Abgrenzungsschwierigkeiten gekommen war, hat sich der Große Zivilsenat des BGH in seinem Beschluss vom 9.7. 1986 (BGHZ 98, 222 = NJW 1987, 50 = StVE § 249 BGB Nr. 61) mit diesem Problem befasst. Danach ist ein Nutzungsausfall dann als ein zu ersetzender Vermögensschaden anzusehen, wenn es sich um einen Gegenstand handelt, auf dessen ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist. Obwohl dieser Begriff eng auszulegen ist (BGH, NJW 1992, 1500), hält der Senat die Zuerkennung eines Nutzungsausfalls bei einem Fahrrad für geboten (ebenso AG Frankfurt, NZV 1990, 236 = NJW 1990, 1918; Palandt/Heinrichs, BGB, 52. Aufl., Vorb. § 249 Rdnr. 26; Kuckuk, in: Erman, BGB, 9. Aufl., § 249 Rdnr. 59). Die gegenteilige, vom LG vertretene Auffassung, nach der ein Fahrrad im allgemeinen nicht regelmäßig, sondern nur in mehr oder weniger großen Abständen und dann meist zur Freizeitgestaltung benutzt werde, steht nicht in Einklang mit der Wirklichkeit des täglichen Lebens, wie sie sich in letzter Zeit entwickelt hat. Fahrräder werden heute verbreitet typischerweise regelmäßig als alternatives Verkehrsmittel genutzt, um damit zur Arbeitsstätte, Schule und dergleichen zu' gelangen. Nicht zuletzt hat der von der Allgemeinheit immer wichtiger genommene Gedanke des Umweltschutzes dazu geführt, verbreitet das Fahrrad als das umweltfreundlichste Verkehrsmittel einzusetzen. Dies tun häufig auch solche Verkehrsteilnehmer, die - wie der Kl. - außerdem ein Kfz besitzen. Es wäre unbillig, einem Geschädigten, der anstelle eines Kfz ein Fahrrad benutzt, eine Nutzungsentschädigung zu versagen. Unwidersprochen hat der Kl. vorgetragen, dass er häufiger Fahrrad fahre, unter anderem auch deshalb, weil es im Straßenverkehr einfacher sei, auf diese Weise an das gewünschte Ziel zu gelangen. Auch dies ist - vor allem in Großstädten - ein Gesichtspunkt, der die Benutzung eines Fahrrades als empfehlenswert erscheinen lässt. Der Verlust eines Fahrrades hat deshalb zur Folge, dass der hierfür Verantwortliche für die Zeit bis zur Wiederbeschaffung eines Ersatzrades eine Nutzungsausfallentschädigung zahlen muss.

Dennoch hat die Klage in diesem Punkt keinen Erfolg. Denn der Kl. konnte das Fahrrad in der Zeit bis zum 24. 1. 1991 ohnehin nicht nutzen. Die Zeugin Dr. W. hat bekundet, dass sie den Kl. in der Zeit, in der er bei ihr in Behandlung war, krankgeschrieben hätte, wenn er körperliche Arbeiten zu verrichten gehabt hätte. Insbesondere die Benutzung eines Fahrrades wäre nur für kürzere Strecken, also in stark eingeschränktem Maße, möglich gewesen. In der Rechtsprechung des BGH ist es anerkannt, dass für den vorübergehenden Verlust der Gebrauchsfähigkeit eines Kfz der Ersatzpflichtige keine Entschädigung zu leisten braucht, wenn der Geschädigte den Wagen in der Reparaturzeit nicht hätte nutzen können (BGH, NJW 1968, 1778). Der vorübergehende Verlust der Gebrauchsmöglichkeit wird in einem solchen Fall nicht fühlbar, und damit fehlt es am Eintritt eines Vermögensschadens. Dieser Gesichtspunkt schließt einen Anspruch auf Nutzungsausfall auch in einem Fall aus, in dem der Geschädigte aus unfallbedingten Gründen - z.B. Bettlägerigkeit infolge der Unfallverletzungen - an der Nutzung gehindert war (BGH, aaO.; vgl. auch BGH, VersR 1968, 803; NJW 1985, 2471 = StVE § 249 BGB Nr. 49). Diese Rechtsprechung ist auf den Fall der entgangenen Nutzungsmöglichkeit eines Fahrrades uneingeschränkt zu übertragen. Der Kl. kann sich im vorliegenden Fall insbesondere nicht darauf berufen, dass der Bekl. durch die vorsätzliche Körperverletzung und die Nichtherausgabe des Fahrrades die Ursachen für die entgangene Nutzungsmöglichkeit gesetzt hat. Denn diese Überlegung spielt für die Frage, ob ein Vermögensschaden entstanden ist, gerade keine Rolle. ..."



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