Das Verkehrslexikon

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Landgericht Potsdam (Urteil vom 06.11.2003 - 27 Ns 143/03 - Zur Zugehörigkeit eines Parkplatzes zum öffentlichen Straßenverkehr

LG Potsdam v. 06.11.2003: Zur Zugehörigkeit eines Parkplatzes zum öffentlichen Straßenverkehr


Das Landgericht Potsdam (Urteil vom 06.11.2003 - 27 Ns 143/03) hat entschieden:
  1. Der Begriff des Straßenverkehrs im Strafrecht erfasst jede Art von Verkehr, der der Fortbewegung von Fahrzeugen, Radfahrern und Fußgängern auf allen Wegen, Plätzen, Durchgängen und Brücken dient, die jedermann oder wenigstens allgemein bestimmte Gruppen von Benutzern - wenn auch nur vorübergehend oder gegen Gebühr - zur Verfügung stehen; dieser Begriff unterscheidet sich von dem straßenrechtlichen Wortgebrauch.

  2. Ein Privatparkplatz mit 7 Stellplätzen gehört zum öffentlichen Verkehrsraum im strafrechtlichen Sinne, wenn über diesen der Fußgängerzuweg zu Wohnblocks verläuft.

Siehe auch Öffentlicher Straßenverkehr / Privatverkehr - öffentliche Verkehrsflächen - Geltung der StVO und des StVG


Zum Sachverhalt: Am Nachmittag des 30. April 2003 leerte die Angeklagte eine - möglicherweise nicht mehr volle - Flasche Rum. Gegen 19.50 Uhr ging sie zu ihrem Pkw Renault, amtliches Kennzeichen: ..., der auf einem angemieteten Stellplatz auf dem zum Wohngebäude B-straße 23 gehörenden Parkplatz stand. Der an der Zufahrt als Privatgrundstück gekennzeichnete Parkplatz enthält 7 Stellplätze und ist nicht eingezäunt. Über ihn verläuft einer von mehreren Zugängen zu den dahinter gelegenen Wohnblocks. Die Angeklagte wollte Gegenstände aus ihrem Fahrzeug holen. Sie bemerkte, dass der Pkw schräg auf dem Stellplatz stand. Dies wollte sie korrigieren. Beim Rangieren mit ihrem Pkw setzte sie diesen ca. 5 bis 6 m zurück und berührte ein anderes abgestelltes Fahrzeug. Nach dem Aussteigen schwankte sie erheblich und wurde beim Gehen von ihrer Tochter abgestützt. Die ihr am selben Tag um 20.55 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 3,08 Promille.

Das Amtsgericht B hat die Angeklagte mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässigen Vollrausches verurteilt.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Angeklagten hatte keinen Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Wie das Amtsgericht zu Recht festgestellt hat, hat die Angeklagte im Zustand der alkoholbedingten Schuldunfähigkeit den objektiven Tatbestand der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB erfüllt. Denn sie hat im öffentlichen Verkehr ein Fahrzeug geführt, obwohl sie infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Im vorliegenden Fall gehört der Parkplatz zum öffentlichen Verkehrsraum im strafrechtlichen Sinne, da er auch dem Zugang zu den dahinter gelegenen Wohnblocks dient. Der Begriff des Straßenverkehrs im Strafrecht unterscheidet sich von dem straßenrechtlichen Wortgebrauch. Während das Straßenrecht an einen Widmungsakt anknüpft, versteht das Strafrecht - ebenso wie das Straßenverkehrsrecht - unter öffentlichem Straßenverkehr jede Art von Verkehr, der der Fortbewegung von Fahrzeugen, Radfahrern und Fußgängern auf allen Wegen, Plätzen, Durchgängen und Brücken dient, die jedermann oder wenigstens allgemein bestimmte Gruppen von Benutzern - wenn auch nur vorübergehend oder gegen Gebühr - zur Verfügung stehen (ständige Rechtsprechung, BGHSt 4, 189; BGH NZV 1998, 418; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Auflage, § 315 b, Rz. 3 m.w.N.¸ vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 1 StVO, Rz. 13 m.w.N.). Es kommt nicht auf die Eignung für bestimmte Verkehrsarten oder auf die Eigentumsverhältnisse an. Ein öffentlich zugänglicher Parkplatz gehört zum öffentlichen Verkehrsraum (BayObLG, ZfS 1984, 91; BGHSt 16, 7; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 315 b, Rz. 3); hingegen spricht es gegen öffentlichen Verkehr, wenn ein Abstellplatz ausschließlich zum Abstellen weniger, im Einzelnen bestimmter Fahrzeuge dient, ohne dass auf diesem Platz anderweitiger Verkehr - auch kein Fußgängerverkehr - stattfindet (BGH NZV 1998, 418; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 315 b, Rz. 3 a.E.). Ein solcher Ausnahmefall ist im vorliegenden Zusammenhang insbesondere deshalb nicht gegeben, weil der Parkplatz, auf dem die Angeklagte die Trunkenheitsfahrt ausgeführt hat, auch Fußgängern als Zugang zu den dahinter gelegenen Wohnblocks dient. Wie auf den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich ist, ist das Gelände insgesamt offen gestaltet. Es gibt mehrere Wege, die zu den in zweiter Reihe errichteten Wohnblocks führen; einer dieser Wege führt über den hier gegenständlichen Parkplatz. Wie sich aus den vorgelegten Lichtbildern ergibt, führt mindestens ein Plattenweg von dem Parkplatz zu dem nächsten Wohnblock. Der Parkplatz wird tatsächlich auch als Zugang zu diesen Wohnblocks genutzt. ..."



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