Das Verkehrslexikon

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OLG Zweibrücken Beschluss vom 04.06.1991 - 1 Ss 105/91 - Zum Auslegen einer Parkscheibe bei defektem Parkscheinautomaten

OLG Zweibrücken v. 04.06.1991: Zum Auslegen einer Parkscheibe bei defektem Parkscheinautomaten


Das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 04.06.1991 - 1 Ss 105/91) hat bezüglich eines defekten Parkscheinautomaten entschieden:
Nimmt ein Parkscheinautomat infolge technischer Störung die für die kürzeste Parkzeit bestimmte Münzsorte nicht an, so darf bei Auslegung der ordnungsgemäß eingestellten Parkscheibe (StVO § 13 Abs 1 S 3, Abs 2) bis zum Ablauf der zulässigen kürzesten Parkzeit gehalten werden.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Halten und Parken


Zum Sachverhalt: Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 10,-- DM verurteilt, weil er seinen Personenkraftwagen auf einem öffentlichen Parkplatz mit Parkscheinautomat abgestellt hatte, ohne einen Parkschein zu lösen (§§ 13 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 Nr. 13 StVO, 24 Abs. 1 StVG). Dagegen richtet sich der Antrag des Betroffenen, seine Rechtsbeschwerde zuzulassen, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils erstrebt. Er ist der Ansicht, er habe unter Verwendung einer Parkscheibe den Parkplatz auch ohne Parkschein benutzen dürfen, weil der Parkscheinautomat nur eingeschränkt funktionsfähig gewesen sei (§ 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 StVO).

Der Betroffene hat sich eingelassen, er habe mehrmals versucht, mittels mehrerer 50-Pfennig-Stücke einen Parkschein zu lösen. Der Automat habe seine Geldmünzen nicht angenommen; daraufhin habe er die Parkscheibe auf das Armaturenbrett gelegt. Er sei nicht verpflichtet, andere Geldstücke - z. B. ein Einmarkstück - zu verwenden, wenn der Automat eine bestimmte Münzsorte nicht annehme.

Das Amtsgericht hat diese Einlassung als unerheblich angesehen. Nach seiner Ansicht ist der Verkehrsteilnehmer gehalten, eine Geldmünze mit einem anderen Wert einzuwerfen, wenn der Parkscheinautomat eine bestimmte Münzsorte nicht annehme, selbst wenn die aufgrund der eingeworfenen Münze erlaubte Parkdauer zu kurz oder zu lang sei und nicht der gewünschten Parkdauer entspreche.

Die zur Fortbildung des Rechts zugelassene Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Ein Parkscheinautomat ist nicht funktionsfähig, wenn er nicht die Münzen annimmt, die nach der Bedienungsanleitung für seinen Betrieb vorgesehen sind. In diesem Fall erlaubt § 13 Abs. 1 Satz 2 u. 3 StVO das Parken unter Verwendung einer Parkscheibe bis zur angegebenen Höchstdauer. Besteht die Störung des Automaten darin, dass er Münzen im Nennwert der Gebühr, die für die Mindestparkdauer zu entrichten ist, nicht annimmt, so darf bis zum Ablauf dieses Zeitraums geparkt werden, wenn der Verkehrsteilnehmer anstelle des Parkscheins die ordnungsgemäß eingestellte Parkscheibe an oder in seinem Fahrzeug gut lesbar anbringt. Der Verkehrsteilnehmer ist nicht verpflichtet, eine Münze mit einem höheren Wert einzuwerfen, wenn er die Parkfläche nur für die vorgesehene Mindestdauer benutzen will, für die er wegen der Funktionsstörung des Automaten keinen entsprechenden Parkschein lösen kann.

Allein diese Ansicht entspricht dem Willen des Gesetzgebers, den er mit den Bestimmungen über Einrichtungen, die die Dauer der Parkzeit reglementieren, zum Ausdruck gebracht hat. Für den Fall der defekten Parkuhr hat dies der Bundesgerichtshof bereits höchstrichterlich entschieden (BGHSt 31, 220, 223). Für den Fall des defekten Parkscheinautomaten kann nichts anderes gelten; denn Parkuhr und Parkscheinautomat dienen dem selben Zweck, der Rationierung knappen und deshalb kostbaren Parkraums. Das suchende und verkehrsbelastende Hin- und Herfahren mit Kraftfahrzeugen soll durch die Beschränkung von Parkzeiten und die damit verbundene tatsächliche Erweiterung des Parkraumangebotes begrenzt werden (BGH aaO; OLG Hamm NJW 1958, 1312; OLG Koblenz VRS. 45, 68). Von untergeordneter Bedeutung sind die Erleichterung der Kontrolle durch die Polizei und das Leistungsentgelt für Aufwand bei Errichtung und Betrieb der Uhren oder der Automaten (BGH aaO). Die angestrebte verkehrsregelnde Verteilung des vorhandenen Parkraums kann nur erreicht werden, wenn bei störungsbedingter Nichtannahme der für die kürzeste Parkzeit vorgesehenen Münzen das Parken auch ohne Parkschein zulässig ist. Andernfalls würden gerade diejenigen, die den Parkplatz nur kurzzeitig beanspruchen wollen, gezwungen, mehr Geld auszugeben als beabsichtigt, mit der Folge, dass sie die "bezahlte" Parkzeit dann auch voll ausnutzen und den Parkplatz länger als zunächst gewollt belegen; denkbar ist auch, dass Verkehrsteilnehmer in einem solchen Fall eine andere Parkzone mit voll funktionsfähigem Automaten aufsuchen und damit den Verkehr zusätzlich belasten. Im übrigen kann die Auffassung des Amtsgerichts zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung zum Nachteil der Betroffenen gegenüber solchen Verkehrsteilnehmern führen, die auf dem von ihnen angefahrenen Parkplatz voll funktionsfähige Automaten vorfinden.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Rationierung knappen Parkraums nur dann ihren Zweck erfüllen kann, wenn die Einhaltung der Parkzeiten effektiv überwacht wird. Hierzu bedarf es aber nicht in jedem Falle eines Parkscheins. Der Kontrollmöglichkeit wird durch die Verpflichtung ausreichend Rechnung getragen, eine Parkscheibe im Auto gut lesbar auszulegen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 StVO). Gegenüber dem mit der Vorschrift verfolgten Hauptanliegen muss das Interesse der für Errichtung und Betrieb der Anlagen zuständigen Körperschaft an der Einnahme von "Gebühren" zurücktreten (BGH aaO), zumal da die Gegenleistung nicht mangelfrei erbracht wird, wenn die Geräte nicht voll funktionsfähig sind.

Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben. Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob weitere Rechtsfehler vorliegen; es ist zweifelhaft, ob die überaus knappen Feststellungen den Schuldvorwurf der Fahrlässigkeit tragen. Die im Urteil wiedergegebene Einlassung des Betroffenen legt vielmehr eine vorsätzliche Begehungsweise, möglicherweise infolge eines Verbotsirrtums (§ 11 Abs. 2 OWiG) nahe. Der Parkplatz M-straße P-11 war zur Tatzeit nur mit einem Parkscheinautomaten ausgestattet, wie eine Rückfrage des Senats bei der Straßenverkehrsbehörde der Stadt S ergeben hat. Es kann daher offen bleiben, ob es einem Verkehrsteilnehmer im Einzelfalle zugemutet werden kann, einen weiter entfernt aufgestellten Parkscheinautomaten zu bedienen, falls der nächstgelegene Automat defekt ist.

Der Betroffene ist demnach gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 354 Abs. 1 StPO mit der Kostenfolge aus §§ 79 Abs. 3 OWiG, 467 Abs. 1 StPO freizusprechen; ..."



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