Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 07.10.1986 - VI ZR 3/86 - Zum Schutzzweck des Parkverbots auf Vorfahrtstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften in beiden Richtungen

BGH v. 07.10.1987: Zum Schutzzweck des Parkverbots auf Vorfahrtstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften in beiden Richtungen


Der BGH (Urteil vom 07.10.1986 - VI ZR 3/86) hat entschieden:
Der Schutzzweck des Parkverbots des § 12 Abs 3 Nr 8 a StVO (Parkverbot auf Vorfahrtstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften) umfasst den fließenden Verkehr in beiden Richtungen.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Halten und Parken


Zum Sachverhalt: Die Klägerin (Berufsgenossenschaft machte Ansprüche aus übergegangenem Recht geltend. Der Versicherungsnehmer W. (VN) wollte in einem Industriegebiet außerhalb einer geschlossenen Ortschaft auf einer 9,50 m breiten Straße einen Pkw überholen; dabei prallte er gegen einen auf der Gegenseite abgestellten Hänger und verletzte sich schwer. Die Klägerin begehrte den Ersatz von 25 % ihrer Aufwendungen.

Das Landgericht gab der Klage statt. Die Berufung und die Revision der Beklagten blieben erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass der Erstbeklagte gegen das Parkverbot des § 12 Abs. 3 Nr. 8 a StVO verstoßen und dadurch den Unfall mitverursacht hat. Nach dieser Vorschrift ist auf Vorfahrtstraßen, die durch das Zeichen 306 zu § 42 Abs. 2 StVO gekennzeichnet sind, außerhalb geschlossener Ortschaften das Parken verboten; nach § 12 Abs. 2 StVO parkt, wer sein Fahrzeug verlässt oder länger als drei Minuten hält. Der Erstbeklagte hatte den Anhänger verlassen. Er war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in einem Hof mit dem Beladen des Motorwagens beschäftigt und deshalb in bezug auf den Anhänger nicht jederzeit abfahrtbereit, wie es § 12 Abs. 2 StVO verlangt (vgl. die amtliche Begründung zur Straßenverkehrsordnung, Vk Bl. 1970 S. 797, 808). Schon aus diesem Grund stellt sich nicht die Frage des "rechtmäßigen Alternativverhaltens", die die Beklagten im Hinblick darauf aufgeworfen haben, dass § 12 Abs. 2 StVO ein Halten bis zu drei Minuten für den Fall gestattet, dass der Fahrer sein Fahrzeug nicht verlässt. Im übrigen würde sich, da der Anhänger im Unfallzeitpunkt länger als drei Minuten abgestellt war, auch aus der Sicht dieser Alternative eine nach dem Gesetz nicht zulässige Gefahrerhöhung im Unfall aktualisiert haben.

Die D.-Straße, auf der der Erstbeklagte den Anhänger abgestellt hatte, war eine Vorfahrtstraße im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 8 a StVO. Dies bedeutet, dass der Erstbeklagte das Parkverbot verletzt hat, wenn sich die Stelle, an der er den Anhänger geparkt hat, außerhalb einer geschlossenen Ortschaft befunden hat. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall. Danach befand sich die Abstellstelle nicht in einem Bereich, der durch die Zeichen 310 und 311 zu § 42 Abs. 3 StVO als "geschlossene Ortschaft" ausgewiesen war.

Demgegenüber greift der Hinweis der Revision auf Entscheidungen einzelner Oberlandesgerichte (z.B. OLG Stuttgart, DAR 1957, 53, 54; OLG Hamm, VRS 36, 228, 229 und 38, 313 = MDR 1969, 1033; OLG Düsseldorf, VRS 64, 460 f.), die ausnahmsweise in Fällen, in denen das Zeichen 310 "versehentlich" trotz offensichtlich und eindeutig geschlossener Ortschaften nicht aufgestellt worden ist, eine Geschwindigkeitsbegrenzung für geschlossene Ortschaften angenommen haben, nicht durch. Diese Rechtsprechung, die innerorts geltende Verkehrsbeschränkungen betrifft, kann - selbst wenn ihr zu folgen wäre - nicht dahin weiterentwickelt werden, dass außerorts geltende Verkehrsverbote wie das Parkverbot des § 12 Abs. 3 Nr. 8 a StVO entgegen dem Gesetz aufgehoben sind, wenn die Bebauung den Eindruck einer geschlossenen Ortschaft hervorruft. Das würde zum Nachteil der Verkehrssicherheit die Schutzfunktion des Parkverbots infrage stellen und wäre mit § 42 Abs. 3 StVO nicht vereinbar.

3. Ohne Erfolg bleibt die Revision auch mit ihrer Überlegung, eine Haftung der Beklagten zu 1) und 3) aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB sowie § 18 Abs. 1 StVG scheitere daran, dass § 12 Abs. 3 Nr. 8 a StVO nicht den unsorgfältig überholenden Kraftfahrer vor dem Auffahren auf ein entgegen dieser Vorschrift auf der Gegenfahrbahn geparktes Fahrzeug schütze, was zu einer entsprechenden Begrenzung der Haftung aus § 823 BGB und § 18 Abs. 1 StVG führe.

Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, dass § 12 Abs. 3 Nr. 8 a StVO dem Sicherheitsbedürfnis des fließenden Verkehrs in beiden Richtungen dient (vgl. auch Senatsurteil vom 25. Januar 1983 - VI ZR 212/80 - VersR 1983, 438, 439 zum umfassenden Schutzzweck des absoluten Halteverbots nach § 12 Abs. 1 Nr. 6a StVO). Die Vorschrift erfasst nach ihrem Schutzzweck die gesamte Straßenbreite und damit den Verkehrsfluss in beiden Richtungen, soweit - wie hier - die Benutzung der jeweiligen Gegenfahrbahn zulässig ist. Sie dient nicht nur der Übersichtlichkeit auf der Straße, sondern auch der Leichtigkeit des Fahrverkehrs, die - wie der Streitfall zeigt - durch derartige Hindernisse auch für den Verkehr der Gegenrichtung, sei es durch entgegenkommende Fahrzeuge, die an dem parkenden Fahrzeug vorbeifahren müssen, sei es durch Erschweren des Überholens beeinträchtigt werden kann. Ein einschränkendes Verständnis des Schutzzwecks der Vorschrift im Sinne der Erwägungen der Revision ließe sich weder mit ihrem Wortlaut noch mit dem offenkundigen Bestreben des Verordnungsgebers, die Verkehrssicherheit auf den Vorfahrtstraßen so gut wie möglich zu gewährleisten, vereinbaren. ..."



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