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BayObLG Urteil vom 21.05.1993 - 1St RR 19/93 - Wer im Verkehr ein vorläufig stillgelegtes Fahrzeug gebraucht, für welches eine Ruheversicherung besteht, macht sich nicht strafbar
BayObLG v. 21.05.1993: Wer im Verkehr ein vorläufig stillgelegtes Fahrzeug gebraucht, für welches eine Ruheversicherung besteht, macht sich nicht strafbar
Das BayObLG (Urteil vom 21.05.1993 - 1St RR 19/93) hat entschieden:
Wer auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ein vorläufig stillgelegtes Fahrzeug gebraucht, für welches ein Haftpflichtversicherungsschutz auf Grund einer Ruheversicherung nach AKB § 5 Abs 1 S 2, Abs 2 bis 6 besteht, macht sich nicht nach PflVG § 6 strafbar.
Siehe auch Verstöße gegen die gesetzliche Pflichtversicherung
Zum Sachverhalt: Das Amtsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
"Am 18.5.1992 zwischen 10.00 Uhr und 10.30 Uhr fuhr der Mitangeklagte Sch. mit dem PKW VW Passat, an dem kein amtliches Kennzeichen angebracht war, von P. nach F.. Halterin dieses PKWs (früheres amtl. Kennzeichen: PA - C 289) ist die Angeklagte K.. Als Beifahrer fuhr bei dieser Fahrt der Angeklagte S. (Sohn von Frau K.) mit. Der PKW war bereits seit 5.5.1992 vorläufig stillgelegt. Er wurde dann repariert, um später verkauft zu werden. Anschließend wurde er bei der Lackiererei Scha. in P. neu lackiert. Mit der Überführung von P. nach F. sollte der lackierte PKW zur Kraftfahrzeugwerkstätte G. gebracht werden, damit das Fahrzeug dort fertig repariert werden sollte."
Gegen den Freispruch der Beteiligten legte die StA Sprungrevisionen ein, die erfolglos blieben.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich - insoweit stimmt der Senat mit der Revisionsführerin überein -, dass für das Fahrzeug jedenfalls bis zu dessen vorläufigen Stillegung eine vertragliche Haftpflichtversicherung nach § 1 ff. PflVG bestand. Den Urteilsfeststellungen ist allerdings nicht zu entnehmen, ob diese Haftpflichtversicherung nach der vorläufigen Stillegung des Fahrzeugs auf Verlangen des Versicherungsnehmers nach § 5 Abs.1 Satz 2, Abs.7 AKB in einen Ruhevertrag gem. § 5 Abs.2 bis 6 AKB umgewandelt worden ist oder ob der ursprüngliche Vertrag unverändert weiter bestanden hat. Aus dem Urteil ergibt sich nur, dass das Amtsgericht von einer solchen Vertragsänderung ausgegangen ist. Auf dieser lückenhaften Darstellung kann jedoch das Urteil nicht beruhen; denn auch ein etwa bestehender Ruhevertrag ist ein Vertrag i.S. des § 6 PflVG, der die Haftpflichtrisiken nach § 1 PflVG voll abdeckt.
Der Tatbestand des § 6 Abs.1 PflVG setzt den Gebrauch eines Fahrzeugs - oder dessen Gestattung - auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ohne zivilrechtlich wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrag voraus (BGHSt 32, 152/156 f.; 33, 172/174 f.; KG VRS 67, 154; Müller-Rüth Straßenverkehrsrecht 22.Aufl. § 6 PflVG Rn.2 und 4).
Entgegen früherem Recht kommt es nicht allein auf das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes an, sondern darauf, ob dieser Schutz auf Grund eines während des Gebrauchs des Fahrzeugs wirksam bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages gewährt ist. Die durch das 2. Verkehrssicherungsgesetz vom 26.11.1964 eingeführte Änderung der Strafvorschrift des § 6 (früher § 5) PflVG bezweckte lediglich, die Nachhaftung zum Schutz des geschädigten Dritten nach § 3 Nr.5 PflVG (früher § 158 c Abs.2 VVG) nicht auch dem zugute kommen zu lassen, der ohne Haftpflichtversicherungsvertrag auf öffentlichem Verkehrsgrund fährt (BGHSt 32, 152/156 f.; Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht 32.Aufl. vor § 29 a StVZO Rn.17; Müller- Rüth aaO Rn.2). Bei der Neuregelung wurde also nur darauf abgestellt, ob für das Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt seines Gebrauchs formell ein Versicherungsvertrag besteht (BayObLG vom 6.4.1984 -RReg. 1 St 69/84; KG VRS 67, 154).
Maßgebend ist demnach, ob zum Zeitpunkt des Fahrzeuggebrauchs ein Versicherungsvertrag besteht, der seinem Inhalt nach gegenüber einem geschädigten Dritten die in § 1 PflVG genannten Risiken in dem in § 4 PflVG aufgezeigtem Umfang deckt. Das ist hier der Fall.
Selbst wenn der Haftpflichtversicherungsvertrag anlässlich der vorläufigen Stillegung des Fahrzeugs am 5.5.1992 in einen sogenannten Ruhevertrag geändert worden wäre, hätten die Angeklagten bei der Fahrt vom 18.5.1992 nicht den objektiven Tatbestand des § 6 Abs.1 PflVG erfüllt. Eine solche inhaltliche Veränderung des Vertragsverhältnisses führt nicht zu einer Risikobegrenzung hinsichtlich der nach den §§ 1 und 4 PflVG erforderlichen Haftpflichtversicherung. Nach § 5 Abs.2 Satz 1 AKB wird während der vorübergehenden Stillegung des Fahrzeugs in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Schutz nach den §§ 10 und 11 AKB gewährt. Demnach umfasst das vertraglich übernommene Risiko auch den Gebrauch des Fahrzeugs außerhalb des Einstellraums oder des umfriedeten Einstellplatzes (Stiefel/Hofmann Kraftfahrzeugversicherung 15.Aufl. § 5 AKB Rn.14; Pienitz/Flöter AKB 4.Aufl. 80 § 5 Anm.C Abs.2 und 5; Bauer Kraftfahrzeugversicherung 2.Aufl. Rn.52; Prölss/Martin VVG 25.Aufl. § 5 AKB Anm.2).
Die nach § 5 Abs.2 Satz 2 AKB bestehende Verpflichtung, das versicherte Fahrzeug nicht außerhalb des Einstellraums zu gebrauchen, stellt eine vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheit dar, die sich nur auf das vertragliche Innenverhältnis des Versicherers zu dem Versicherungsnehmer und den Mitversicherten bezieht. Die bei einer solchen Obliegenheitsverletzung bestehende Leistungsfreiheit wirkt demnach nur im Innenverhältnis; gegenüber geschädigten Dritten bleibt in jedem Fall die Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers auf Grund des Ruhevertrages nach § 5 Abs.2 Satz 1 AKB, § 3 Nr.1 und 4 PflVG bestehen.
Der Umstand, dass der Versicherer nach § 3 Nr.9 PflVG eine Rückgriffsmöglichkeit hat, berührt den auf Grund eines bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages abgesicherten Schutz eines geschädigten Dritten nicht.
Die Verletzung einer Obliegenheitspflicht im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses kann daher nicht die Strafbarkeit nach § 6 Abs.1 PflVG begründen (Meyer in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze Anm.3 c zu § 6 PflVG). ..."