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OLG Hamm Urteil vom 29.01.1999 - 20 U 159/98 - Die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Zahlung der Erstprämie beginnt erst mit Ablauf der in VVG § 5a genannten Widerspruchsfrist
OLG Hamm v. 29.01.1999: Die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Zahlung der Erstprämie beginnt erst mit Ablauf der in VVG § 5a genannten Widerspruchsfrist
Das OLG Hamm (Urteil vom 29.01.1999 - 20 U 159/98) hat entschieden:
Die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Zahlung der Erstprämie beginnt erst mit Ablauf der in VVG § 5a genannten Widerspruchsfrist. Setzt der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Zahlungsfrist, dann beginnt diese erst mit Ablauf der Widerspruchsfrist.
Siehe auch Verstöße gegen die gesetzliche Pflichtversicherung
Zum Sachverhalt: Die Klägerin erteilte der Beklagte am 15.12.1995 eine vorläufige Deckungszusage für die Kfz-Haftpflichtversicherung eines Lkw Kippers. Am 13.06.1996 verursachte ein Mitarbeiter der Beklagten mit dem versicherten Fahrzeug einen Unfall. Die Klägerin regulierte den Schaden des Unfallgegners in Höhe von 18.249,38 DM.
Mit ihrer Klage verlangt sie die Erstattung dieses Regulierungsbetrages, weil die Beklagte die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt habe und deshalb die vorläufig gewährte Deckung rückwirkend außer Kraft getreten sei.
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete zulässige Berufung der Beklagten hatte Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Das Rückzahlungsbegehren der Klägerin ist unbegründet. Sie war der Beklagten gegenüber zur Regulierung des Verkehrsunfalls vom 13.06.1996 verpflichtet.
Unstreitig bestand für den Lkw der Beklagten zum Zeitpunkt des Unfalls Versicherungsschutz aufgrund vorläufiger Deckungszusage seit dem 15.12.1995. Diese vorläufige Deckung hatte auch zum Zeitpunkt des Unfalls Bestand. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie nicht nach § 1 Nr. 2 S. 4 AKB rückwirkend entfallen."
(Das Gericht führt zunächst aus, dass die Belehrung ohne Hinweis auf das Verschulden bei der Nichtzahlung der Erstprämie unvollständig und daher unwirksam war und fährt dann fort:)
"Abgesehen davon ist die der Beklagten erteilten Belehrung auch noch aus einem anderen Gesichtspunkt unrichtig. Sie berücksichtigt nicht die Besonderheiten des von der Klägerin gewählten sog. Policenverfahrens (§ 5 a VVG). Im Versicherungsschein hat die Klägerin der Beklagten gemäß § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG eine Widerspruchsbelehrung dahingehend erteilt, daß der Vertrag als abgeschlossen gilt, wenn die Beklagte nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der vorgenannten Unterlagen schriftlich widerspricht.
Wann bei Anwendung des Policenmodells der vom Versicherer im Versicherungsschein zutreffend ausgewiesene und angeforderte Erstbeitrag fällig wird, ist streitig.
Das Landgericht Essen (VersR 1997, 993 mit zust. Anmerkung Hofmann VersR 1997, 1257, und abl. Anmerkung E. Lorenz VersR 1997, 994) hat entschieden, die Fälligkeit sei bereits mit Übersendung des Versicherungsscheins anzunehmen. Deshalb laufe die Zweiwochenfrist zur Zahlung der Erstprämie unabhängig von der Widerspruchsfrist ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Versicherungsscheins. An dieser Rechtsauffassung ist die Belehrung der Klägerin orientiert.
Zurecht ist indes E. Lorenz (aaO) dieser Entscheidung entgegengetreten. Sie verkennt, dass nach dem Wortlaut des § 5 a VVG sowie dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung der Versicherungsvertrag erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist zustande kommt, wenn auch rückwirkend auf den Zeitpunkt des Zugangs des Versicherungsscheins. § 5 a Abs. 1 S. 1 VVG ("gilt der Vertrag als abgeschlossen") enthält eine gesetzliche Fiktion des Vertragsschlusses (erst) mit Ablauf der Widerspruchsfrist. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift (vgl. BT-Drucksache 12/7595 S. 111) soll der Versicherungsnehmer nicht an seinen Antrag gebunden sein, so lange er nicht vollständig über Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes und die sonstigen das Vertragsverhältnis bestimmenden Umstände unterrichtet worden ist. Die Frist zur Kenntnisnahme und Prüfung der erst nach Antragstellung mit dem Versicherungsschein übersandten Verbraucherinformation und Versicherungsbedingungen beträgt 14 Tage; vor Fristablauf kann ein den Versicherungsnehmer bindender Vertrag nicht zustande kommen (vgl. Römer in Römer/Langheid, VVG, § 5 a Rn. 20 ff; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 5 a VVG Rn. 9 ff; jeweils m.w.N.).
Deshalb entsteht die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Zahlung der Erstprämie auch erst mit Ablauf der Widerspruchsfrist. Auch insoweit gilt zwar eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Zugangs des Versicherungsscheins. Fällig wird die Prämienschuld aber erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist; bis dahin bleibt sie gestundet. Setzt - wie hier - der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Zahlungsfrist, dann beginnt diese erst mit Ablauf der Widerspruchsfrist (Römer in Römer/Langheid § 35 Rn. 4; Prölss in Prölss/Martin § 5 a VVG Rn. 67; E. Lorenz VersR 1995, 616, 621 und 1997, 994, 996; Schirmer VersR 1996, 1045, 1054; BAV VerBAV 1995, 313).
Dieser Rechtslage entspricht die Belehrung der Klägerin nicht, weil sie unzutreffend als Beginn der Zahlungsfrist den Erhalt des Versicherungsscheins nennt. Richtig müsste dahingehend belehrt werden, dass die angeforderte Erstprämie binnen zwei Wochen nach Ablauf der Widerspruchsfrist zu bewirken ist. Ein von Hofmann (VersR 1997, 1257, 1258) gesehener Widerspruch zum Wortlaut des § 9 S. 2 KfZPflVV besteht insoweit nicht.
Ob im Hinblick auf die in § 5 Abs. 3 PflVG geregelte Annahmefiktion (wenn der Versicherer nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen vom Antragseingang den Antrag schriftlich ablehnt) das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers auch gilt (so Schirmer VersR 1996, 1045, 1055) oder ob § 5 Abs. 2 und 3 PflVG eine den Widerspruch des § 5 a VVG ausschließende Sonderregelung darstellen (so Feyock in Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, § 5 PflVG Rn. 79; ebenso wohl Römer in Römer/Langheid, § 5 a Rn. 27) bedarf keiner Entscheidung. Die gesetzliche Annahmefiktion bezieht sich nämlich auf den hier versicherten Lkw-Kipper nicht (vgl. § 5 Abs. 3 S. 1 PflVG). ..."