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OLG Köln Urteil vom 25.10.2005 - 4 U 19/04 - Zum Zusammenhang von lebensgeschichtlich ableitbarer Disposition und somatoformer Schmerzverarbeitung
OLG Köln v. 25.10.2005: Zum Zusammenhang von lebensgeschichtlich ableitbarer Disposition und somatoformer Schmerzverarbeitung
Das OLG Köln (Urteil vom 25.10.2005 - 4 U 19/04) hat entschieden:
Entwickelt nach einem unterhalb der Harmlosigkeitsgrenze liegenden Auffahrunfall der Geschädigte auf Grund einer lebensgeschichtlich ableitbaren Disposition zur somatoformen Verarbeitung kritischer Lebensereignisse eine somatoforme Schmerzstörung und ist dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurück zu führen, so besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Ersatz des Haushaltsführungsschadens.
Siehe auch Psychische Unfallfolgen und Fehlverarbeitung traumatischer Erlebnisse - PTBS - posttraumatisches Belastungssyndrom und Schmerzensgeld
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Die zulässige – insbesondere frist- und formgerecht eingelegte – Berufung der Klägerin ist zum überwiegenden Teil begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung in Höhe von 6.280,00 € (5.000,00 € Schmerzensgeld und 1.280,00 € Haushaltsführungsschaden) nebst Zinsen sowie Feststellung verlangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 16.06.2001 auf der BAB A 3 in N zu erstatten, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen bzw. übergegangen sind. In diesem Umfang war unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils das Versäumnisurteil aufzuheben und die Beklagte entsprechend zu verurteilen. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, sodass es bei dem klageabweisenden Versäumnisurteil zu verbleiben hatte.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 5.000,00 € gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB a.F., 1, 3 Nr. 1 PflVG zu.
Der Senat sieht es nach Durchführung der Beweisaufnahme als erwiesen an, dass sich bei der Klägerin aufgrund des streitgegenständlichen Unfallereignisses eine somatoforme Schmerzstörung eingestellt hat, der ein eigener Krankheitswert zukommt.
Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass die Klägerin in erster Instanz nicht beweisen konnte, dass sie bei dem streitgegenständlichen Unfall ein HWS-Trauma erlitten hat. Vielmehr sprechen die vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten gegen eine solche Annahme. So hat der Sachverständige Prof. Dr. D in seinem medizinischen Gutachten vom 08.03.2004 (Bl. 205 bis 231 GA) aus orthopädischer Sicht mit zumindest sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass die Klägerin durch das Unfallgeschehen eine Verletzung der HWS erlitten hat (vgl. hierzu insbesondere S. 24, 25 des Gutachtens Prof. Dr. D, Bl. 227, 227 a GA).
Das allein rechtfertigt aber nicht, die von der Klägerin geschilderten Beschwerden nach dem Unfallereignis als nicht unfallbedingt zu qualifizieren und einen Schmerzensgeldanspruch zu verneinen.
Zunächst ist davon auszugehen, dass die Klägerin tatsächlich unter den geschilderten Beschwerden noch heute leidet, diese Beschwerden unmittelbar nach dem Unfallgeschehen aufgetreten sind und sich in der Folgezeit weiter entwickelt haben. Entgegen der Auffassung der Beklagten sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Beschwerden lediglich simuliert. So hat der Sachverständige C in seinem vom Senat eingeholten Gutachten vom 30.06.2005 (Bl. 368 bis 381 GA) auf S. 13 (Bl. 380 GA) ausgeführt, dass die Klägerin glaubhaft geschildert habe, dass sie vor dem Unfallereignis keine nennenswerten Beschwerden im HWS-Bereich gehabt habe. Zwar erläutert der Sachverständige C nicht im Einzelnen, worauf er die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin stützt. Jedoch ergibt sich aus den Feststellungen des Sachverständigen in seinem Gutachten insgesamt, dass die Schilderungen der aufgetretenen Beschwerden in sich schlüssig erscheinen und auch anhand der gegebenen Krankenunterlagen keine Vorschäden erkennbar sind, die das plötzliche Auftreten nach dem Unfall und die Entwicklung der Schmerzsymptomatik ohne den Verkehrsunfall plausibel erscheinen lassen. So kommt der Sachverständige auf S. 9 seines Gutachtens (vgl. Bl. 376 GA) zu der Feststellung, dass die Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Unfall am 16.06.2001 eine somatoforme Schmerzstörung entwickelt habe, deren Auftreten durch das Unfallgeschehen erklärbar sei, aber auf einer lebensgeschichtlich ableitbaren Disposition zur somatoformen Verarbeitung kritischer Lebensereignisse fuße. Dieses Ergebnis begründet der Sachverständige im Folgenden im Einzelnen für den Senat überzeugend. Der Sachverständige hat insbesondere die Klägerin umfassend untersucht und ihre Lebens- und Krankheitsgeschichte im Hinblick auf die gestellte Beweisfrage kritisch durchleuchtet. So stellt er auf S. 10 seines Gutachtens (Bl. 377 GA) fest, dass das Unfallgeschehen als akute Belastungsreaktion auf Seiten der Klägerin gewertet werden könne. Es ließen sich die von der Klägerin geschilderten körperlichen Beschwerden nach dem Unfallgeschehen mit dieser Belastungsreaktion durchaus vereinbaren. Der geschilderte Verlauf sei typisch für eine akut-traumatische Reaktion auf ein Unfallgeschehen. In dieser Situation würden sowohl Affekte, körperliche Beschwerden als auch andere körperliche Reaktionen zunächst kaum oder gar nicht wahrgenommen. Erst nach Abklingen der akuten Stressreaktion zeige sich dann das Beschwerdebild deutlicher. Der Sachverständige erläutert dann im Folgenden, dass sich bei der Klägerin aufgrund ihrer Lebens- wie auch Krankengeschichte Anzeichen für eine somatoforme Verarbeitung von Extremstress erkennen ließen. Bei der Klägerin könne zumindest eine erworbene Tendenz zur somatoformen Verarbeitung kritischer Lebensereignisse angenommen werden, die sich auch in der Verarbeitung des Unfallgeschehens zeige. Zur Aufrechterhaltung der Schmerzsymptomatik trage sicherlich ihre erhebliche Zukunftsangst bei; die Klägerin befürchtet, von den Kosten für die Nachbehandlung der Schmerzsymptomatik in späteren Jahren erheblich belastet zu werden (vgl. S. 12 des Gutachtens, Bl. 379 GA). Die Klägerin selbst habe ein völlig somatisches Krankheitsverständnis. Sie erlebe die Schmerzsymptomatik als unbeeinflusst von psychischen Faktoren, gebe auf der anderen Seite aber Entspannung als schmerzlindernd an. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund ihrer beschriebenen spezifischen Verarbeitung kritischer Lebensereignisse eine somatoforme Störung als Reaktion auf den Unfall entwickelt habe.
Dies Alles bringt schließlich den Sachverständigen zu der auch für den Senat überzeugenden Feststellung, dass die Klägerin glaubhaft geschildert hat, dass sie vor dem Unfallgeschehen keine somatischen Beschwerden gehabt hat und der Unfall zweifellos der auslösende Faktor der jetzigen Schmerzsymptomatik ist. Dem liegt die beschriebene lebensgeschichtlich begründbare somatoforme Verarbeitung von Extremstress zugrunde.
Aufgrund dieser Feststellungen kann entgegen der Auffassung der Beklagten gerade nicht davon ausgegangen werden, dass keinerlei objektivierbare Befunde vorliegen, die die Beschwerdeschilderungen der Klägerin stützen könnten. Das mag für unfallbedingte medizinisch feststellbare Schäden an der HWS der Klägerin gelten. Hierum geht es allerdings vorliegend nicht. Vielmehr hat – wie oben dargelegt – die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme ergeben, dass die von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden tatsächlich existent sind und sich erst nach dem Unfallereignis bei ihr eingestellt haben. Aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen geht der Senat davon aus, dass das Auftreten der medizinisch nicht nachweisbaren Beschwerden dadurch begründet ist, dass sich aufgrund der familiären Geschichte und gerade auch der psychischen Verarbeitung ihrer Krebserkrankung bei der Klägerin Anzeichen für eine somatoforme Verarbeitung von Extremstress herausgebildet haben. Sie nimmt aufgrund ihrer Entwicklungsgeschichte existenzielle Ängste ausschließlich in ihren vegetativen (= unbewusst ablaufend) Anteilen wahr und diese werden somatisch (=körperlich) attribuiert. Die erworbene Tendenz zur somatoformen Verarbeitung kritischer Lebensereignisse zeigt sich dabei auch in der Verarbeitung des Unfallgeschehens. Dabei trägt zur Aufrechterhaltung der Schmerzsymptomatik auch eine erhebliche Zukunftsangst auf Seiten der Klägerin bei, die darin besteht, die von ihr befürchteten Kosten der Behandlung in der Zukunft nicht zahlen zu können. Hieran gekoppelt ist die Erwartung der Verschlimmerung der Schmerzen. Dabei sind weiter deutliche prädisponierende Faktoren für eine somatoforme Erkrankung sowohl in der Verarbeitung des Geschehens wie auch in der Aufrechterhaltung der Schmerzsymptomatik festzustellen. Gerade aufgrund der beschriebenen spezifischen Verarbeitung kritischer Lebenssituationen hat sich bei der Klägerin eine somatoforme Störung als Reaktion auf den Unfall entwickelt.
Bei diesem eindeutigen Ergebnis der Beweisaufnahme sieht der Senat keine Veranlassung, auf Antrag der Beklagten ein Obergutachten zum Krankheitsbild der Klägerin einzuholen. Konkrete Angriffe gegen die Richtigkeit des Gutachtens werden nicht vorgebracht. Es wird lediglich pauschal dargelegt, dass aufgrund der wenig greifbaren Befunde die Feststellungen des Sachverständigen nicht haltbar sind. Dieser Vorwurf trifft indes – wie oben bereits näher erläutert – nicht zu. Dass die Beklagte keine konkreten Kritikpunkte an dem Gutachten C hat, zeigt sich auch daran, dass seitens der Beklagten keine Anhörung des Sachverständigen beantragt worden ist. Aufgrund der eindeutigen, überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen sah der Senat auch keine Veranlassung, eine solche von Amts wegen durchzuführen.
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten vermag der Senat auch keine Widersprüchlichkeiten im Klägervortrag zu erkennen, die die Glaubhaftigkeit der Schilderungen der Klägerin zum Entstehen und zur Entwicklung der Schmerzsymptomatik in Frage stellen. Soweit kleinere Differenzen bei der Schilderung der Beschwerden gegenüber dem Sachverständigen C und dem zunächst behandelnden Arzt Dr. E aufgetreten sind, vermögen diese keine durchgreifende Zweifel zu begründen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Ausführungen gegenüber dem behandelnden Arzt Dr. E zwei Tage nach dem Unfallgeschehen gemacht wurden, während die Ausführungen gegenüber dem Sachverständigen knapp vier Jahre nach dem Unfallgeschehen erfolgt sind. Ob die nach dem Unfallereignis aufgetretenen Kopfschmerzen mit Übelkeit und Kopfdrehschmerzen zunächst zurückgegangen sind und erst später wieder aufgetreten sind, kann insoweit nicht von entscheidender Bedeutung sein. Entscheidend ist vielmehr, dass die Schmerzsymptomatik direkt nach dem Unfallgeschehen (etwa zwei Stunden danach) aufgetreten ist und in der Folgezeit – wenn auch evtl. mit vorübergehender Abschwächung – fortbestanden hat, was deren durchgehende Behandlung belegt.
Nach Auffassung des Senates kann entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Schmerzsymptomatik auf unfallunabhängige Vorschäden zurückzuführen ist. Hiergegen spricht bereits das eindeutige Ergebnis der Beweisaufnahme. Dem in erster Instanz eingeholten Gutachten von Prof. Dr. D kann gerade nicht entnommen werden, dass von der Klägerin allenfalls eine Beschwerdesymptomatik empfunden werde, welche ausschließlich auf die degenerativen, unfallunabhängigen Veränderungen der Wirbelsäule zurückzuführen sei. Der Sachverständige hat alternativ zur Diskussion gestellt, dass die Beschwerden der Klägerin entweder auf unfallunabhängige Veränderungen an der HWS oder aber auf psychosomatische Reaktionen nach dem Verkehrsunfall (vgl. S. 27 des Gutachtens, Bl. 230 GA) zurückgeführt werden könnten. Da gerade diese Frage nicht geklärt worden ist, bedurfte es in der Berufungsinstanz der weiteren Beweisaufnahme. Durch das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten ist nunmehr diese Frage zu Gunsten des Klägervortrages geklärt.
Das Beweisergebnis wird auch nicht dadurch entkräftet, dass die Klägerin sich bis zum Gutachten von Prof. Dr. D in erster Instanz nicht auf eine psychosomatische Beeinträchtigung berufen hat. Die Klägerin ist medizinische Laiin. Sie empfand nach dem Unfall nur die geschilderten Beeinträchtigungen. Wie diese medizinisch zuzuordnen waren, konnte sie nicht wissen. Sie war insofern auf das Untersuchungsergebnis des sie behandelnden Arztes Dr. E angewiesen. Es kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht substantiiert zu ihrem Krankheitsbild vorgetragen habe. Sie hat im Einzelnen ihre Beschwerden beschrieben. Ob diese auf eine Schädigung ihrer HWS zurückzuführen sind oder auf einer somatoformen Verarbeitung einer Stresssituation beruhen, war für sie nicht ohne Weiteres erkennbar. Daher kann ihr auch nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht von Anfang an eine psychosomatische Störung ihrerseits behauptet hat. Wie sie gegenüber dem Sachverständigen C glaubhaft bekundet hat, waren ihr solche psychosomatischen Fehlentwicklungen nicht bekannt. Diese sind gerade durch das Gutachten des Sachverständigen C diagnostiziert worden. Bei dieser Sachlage kann auch keine Rede davon sein, dass die zweitinstanzliche Beweisaufnahme die Erhebung eines Ausforschungsbeweises darstellt.
Gegen das Ergebnis der Beweisaufnahme spricht auch nicht, dass die Klägerin nicht von Anfang an von einer Schockreaktion gesprochen hat. Eine solche hat sie tatsächlich so nicht erlebt. Dass das Unfallgeschehen für sie eine extreme Stresssituation war, hat erst der Sachverständige durch die Begutachtung der Klägerin herausgearbeitet. Die Klägerin hat dies nur unterbewusst so empfunden.
Entgegen der Darstellung der Beklagten hat die Klägerin auch nicht verspätet – etwa aus Zukunftsangst begründet – Unfallbeschwerden gegenüber ihr geltend gemacht. Vielmehr hat sich die Klägerin direkt nach dem Unfallgeschehen an die Beklagte gewendet. Allerdings haben sich die vorgerichtlichen Verhandlungen über längere Zeit hingezogen. Von einer zeitlich verzögerten Geltendmachung kann daher keine Rede sein. Ein nachträgliches "Erfinden" der Beschwerden kann gerade nicht festgestellt werden.
Nach Auffassung des Senats stellt sich die durch das Unfallereignis eingetretene psychosomatisch bedingte Schmerzsymptomatik als die zum Schadensersatz verpflichtende Gesundheitsbeeinträchtigung dar. Sie ist als die unfallbedingte Primärverletzung anzusehen, die die Geltendmachung der von der Klägerin eingeklagten Ansprüche dem Grunde nach rechtfertigt.
Hat jemand schuldhaft die Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung eines anderen verursacht, für die er haftungsrechtlich einzustehen hat, so erstreckt sich die Haftung grundsätzlich auch auf die daraus resultierenden Folgeschäden. Dies gilt gleichviel, ob es sich dabei um organisch oder psychisch bedingte Folgewirkungen handelt. Die Schadensersatzpflicht für psychische Auswirkungen einer Verletzungshandlung setzt nicht voraus, dass sie eine organische Ursache haben. Es genügt vielmehr die hinreichende Gewissheit, dass die psychisch bedingten Ausfälle ohne den Unfall nicht aufgetreten wären. Nicht erforderlich ist, dass die aus der Verletzungshandlung resultierenden (haftungsausfüllenden) Folgeschäden für den Schädiger vorhersehbar waren (vgl. BGHZ 132, 341 bis 353 m. w. N.). Handelt es sich bei den psychisch vermittelten Beeinträchtigungen nicht um schadensausfüllende Folgewirkungen einer Verletzung, sondern treten sie haftungsbegründend erst durch die psychische Reaktion auf das Unfallgeschehen ein, etwa bei Schockschadensfällen oder Unfallneurosen, so kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigung selbst Krankheitswert besitzt, also eine Gesundheitsbeschädigung i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB darstellt und für den Schädiger vorhersehbar war (vgl. BGHZ a. a. O. m. w. N.).
Wie oben dargestellt, liegt nach Auffassung des Senates bereits in der unfallbedingt aufgetretenen Schmerzsymptomatik der Klägerin die Gesundheitsverletzung. Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigungen ist den Beschwerden der Klägerin durchaus ein Krankheitswert zuzumessen. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Senat keine Zweifel daran, dass der jetzige Krankheitszustand der Klägerin auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Es kommt nicht darauf an, dass auch die besondere Schadensanfälligkeit der Klägerin hierfür mitursächlich geworden ist. Der Schädiger, der einen gesundheitlich geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre. Dies gilt auch im Falle eines psychischen Schadens (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2001, 1676 f. m. w. N.).
Nach Auffassung des Senates bestehen auch keine Gründe, die ausnahmsweise dazu führen, dass trotz psychisch vermittelter Kausalität der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang ausnahmsweise verneint werden müsste.
Bei der Schadensentwicklung handelt es sich nicht um ein für den Schädiger unvorhersehbares Ereignis. Vielmehr stellt es durchaus noch eine einzukalkulierende Schadensentwicklung dar, wenn auch bei einem nur leichten Verkehrsunfall aufgrund eines schadensanfälligen Geschädigten größere Gesundheitsschäden eintreten, als dies nach dem Normalfall zu erwarten wäre. Dabei ist vorliegend insbesondere zu berücksichtigen, dass bei Unfällen der vorliegenden Art gesundheitliche Beeinträchtigungen an der HWS nicht generell ausgeschlossen werden können ( vgl. insoweit auch BGH MDR 2003, 566 f.). Für die Verarbeitung eines solchen Unfallgeschehens spielen insbesondere auch psychische Gesichtspunkte eine Rolle. Insoweit hatte sich auf Seiten des Unfallverursachers eine besonders risikobehaftete Situation ergeben, die aber nicht außerhalb des Vorhersehbaren lag.
Ein Schmerzensgeldanspruch der Klägerin kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sogenannten "Bagatellfalles" verneint werden. Danach kann bei geringfügigen Verletzungen des Körpers oder der Gesundheit ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lebensführung und ohne Dauerfolgen eine Entschädigung versagt werden, wenn es sich nur um vorübergehende, im Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigungen des Körpers oder des seelischen Wohlbefindens handelt. Damit sind also Beeinträchtigungen gemeint, die sowohl von der Intensität als auch der Art der Primärverletzung her nur ganz geringfügig sind und üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindrucken, weil er schon aufgrund des Zusammenlebens mit anderen Menschen daran gewöhnt ist, vergleichbaren Störungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt zu sein (vgl. BGH NJW 1998, 810 ff, m. w. N.). Eine solche geringfügige Primärverletzung liegt gerade nicht vor. Das vom Sachverständigen C festgestellte Krankheitsbild ist von einiger Intensität und war nicht unvorhersehbar.
Auch von einer sogenannten Renten- oder Begehrensneurose kann nicht ausgegangen werden. Diese liegt dann vor, wenn der Geschädigte den Unfall im neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nimmt, um den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen (vgl. BGH a.a.0., 812). Vorliegend geht es der Klägerin gerade nicht darum, aus dem Erwerbsleben zu "fliehen". Ihre Ängste liegen vielmehr allein darin begründet, mögliche Behandlungskosten nicht mehr tragen zu können. Die Klägerin ist nach wie vor erwerbstätig und macht gerade keine durch den Unfall eingetretene Erwerbsunfähigkeit geltend.
Allenfalls könnte das Krankheitsbild der Klägerin unter eine sogenannte Konversionsneurose subsumiert werden. Bei dieser wird ein seelischer Konflikt in körperliche (somatoforme) Störungen umgewandelt. Ein solches Krankheitsbild führt aber gerade nicht zur Versagung eines Schmerzensgeld- bzw. Schadensersatzanspruchs.
Allerdings kann bei der Bemessung der nach § 287 BGB zu ermittelnden Schadenshöhe zu beachten sein, wie sich die vorhandenen besonderen psychischen Gegebenheiten und hier gegebenenfalls auch mitwirkenden Begehrensvorstellungen auf die Höhe des Schmerzensgeldes wie auch eines eventuellen Erwerbsschadens auswirken. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes kann eine besondere Schadensanfälligkeit des Verletzten Berücksichtigung finden. Dies gilt auch für seine psychische Veranlagung und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken. Hier geht es um die Schadensermittlung als solche auf der Basis des Sachverhaltes, wie er sich voraussichtlich in Zukunft dargestellt hätte (vgl. BGH a.a.0., 813). Vorliegend erscheint eine Prognose derzeit noch ungewiss. Konkret geht es zur Zeit um einen überschaubaren Schadenskomplex, wobei ein nach billigem Ermessen festzusetzendes Schmerzensgeld in Anbetracht der doch recht langen Behandlungsdauer einerseits, der andererseits aber doch – wie der Sachverständige selbst von der Klägerin erfahren hat - relativ geringfügigen Beeinträchtigung und des darüber hinaus nicht allzu großen Fehlverhaltens des Schädigers mit 5.000,00 € ausreichend bemessen ist. Entscheidend ist auch, dass – wie der Sachverständige C festgestellt hat – das Krankheitsbild behandelbar und heilbar ist. Es ist also davon auszugehen, dass bei entsprechender Behandlung die Klägerin in absehbarer Zeit beschwerdefrei sein wird.
2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB a. F. einen Schadensersatzanspruch auf Ausgleich des Haushaltsführungsschadens in Höhe von 1.280,00 €. Ein darüber hinausgehender Schaden ist nicht schlüssig dargelegt. Grundsätzlich kann auch die berufstätige Hausfrau einen Haushaltsführungsschaden geltend machen, selbst wenn sie keine Aushilfskraft zur Hilfe nimmt. Denn auch die geschädigte Hausfrau, die keine eigentliche Haushaltshilfe einstellt, kann, wenn sie überobligationsmäßig selbst im Haushalt tätig wird oder freiwillige Dritte unentgeltlich tätig werden lässt, ihren Schaden abstrakt berechnen. Hierzu hat die Rechtsprechung eine ganze Reihe von Berechnungsmethoden entwickelt. Der Senat folgt der vom OLG Hamm und vom OLG Celle angewandten Methode, bei einer einfachen Haushaltshilfe, die vorliegend nur erforderlich war, von einem Stundensatz von 8,00 € auszugehen (vgl. OLG Celle NJW-Spezial 2004, 355; OLG Hamm NJOZ 2001, 514, 517). Entsprechend dem zeitlichen Umfang, für den die Klägerin eine solche Kraft benötigt, ergibt sich ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 1.280,00 €. Die Klägerin ist vollerwerbstätig. Selbst wenn sie 100 % erwerbsunfähig für 12 ½ Wochen war, kann nach Auffassung des Senates nicht davon ausgegangen werden, dass sie in dieser Zeit überhaupt keine Haushaltstätigkeit hatte ausführen können. Insbesondere die anspruchsvolleren planerischen Tätigkeiten oblagen ihr weiter. Deutlich eingeschränkt war sie in ihrer körperlichen Tätigkeit. Daher erscheint es dem Senat angemessen, für diese 12 ½ Wochen für 8 Stunden/Woche die Tätigkeit einer Haushaltshilfe für erforderlich zu halten. Dies ergibt einen zu ersetzenden Schaden von 800,00 €. Danach war die Klägerin für 5 Wochen noch zu 50 % und für weitere 15 Wochen noch zu 30 % arbeitsunfähig. Nimmt man hier eine Gesamtbetrachtung vor, erscheint es dem Senat angemessen, für diese insgesamt 20 Wochen eine Haushaltshilfe für 3 Stunden wöchentlich für erforderlich zu halten, so dass weitere 480,00 € zu ersetzen sind. Der gesamte Haushaltsführungsschaden beläuft sich damit auf 1.280,00 €. ..."