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Zur Abrechnung bei teils außergerichtlicher, teils gerichtlicher Tätigkeit

Klimke VersR 1975, 290 f.: Zur Abrechnung bei teils außergerichtlicher, teils gerichtlicher Tätigkeit



Siehe auch Anwaltskosten des Unfallgeschädigten als Schadensersatz und Stichwörter zum Thema Rechtsanwaltsgebühren - Anwaltshonorar - Rechtsanwaltskosten


Ausführlich hat sich Klimke VersR 1975, 290 mit dem Urteil des LG Köln VersR 1975, 72 auseinandergesetzt und die richtige Berechnungsmethode und zeitliche Reihenfolge der Gebühren-Anrechnung aufgezeigt:
"I. 1. Der Entscheidung des LG Köln vom 22.4.1974 kann weder von der Begründung noch vom Ergebnis her zugestimmt werden, da sie mit wesentlichen Grundsätzen des unter gebührenrechtlichen Aspekten zu wertenden Schadenersatzrechts nicht übereinstimmt und zudem auf einer Reihe von gedanklichen Fehlschlüssen aufbaut. ...

2. Angesprochen ist also nicht die unstreitige Frage nach der Entstehung der Gebühren unter Berücksichtigung des Zeitpunkts -, sondern nach der Erstattungsfähigkeit. Außerdem ist aus grundsätzlicher Sicht darauf hinzuweisen, dass die Anrechnungsvorschrift des § 13 Abs. 3 BRAGebO bezüglich der vorprozessual entstandenen Anwaltskosten weder die Bildung einer Gebührendifferenz noch einer Streitwertdifferenz erfordert. Beide Gestaltungsmöglichkeiten, die das LG als vermeintliche Lösungswege aufzeigt, erweisen sich bei näher,er Betrachtung als rechtlich irrelevant. Diese Feststellung enthält bereits einen Teil des Ergebnisses (V. 3.). ...

II. 1. Nach § 13 Abs. 3 BRAGebO erhält der Rechtsanwalt, sofern für Teile des Gegenstandes verschiedene Gebührensätze anzuwenden sind, für jeden der Teile "gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr".

Das bedeutet für den vom LG Köln entschiedenen Fall, dass dem Anwalt, der mit der Geltendmachung eines Schadens in Höhe von insgesamt 12375,30 DM beauftragt war, maximal eine 10/10 Gebühr nach dem vollen Objekt, nämlich in Höhe eines Betrages von 345 DM zustand. In dieser Erkenntnis ist indes noch keine Aussage über die vom LG Köln in den Vordergrund der Betrachtung gestellte Frage enthalten, in welcher Weise die nach § 13 Abs. 3 BRAGebO zu vollziehende Anrechnung zu verwirklichen ist.

2. Nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt hat der Geschädigte seinen Anwalt zunächst mit der außergerichtlichen Regulierung des Schadens beauftragt. Nachdem der Haftpflichtversicherer des Schädigers auf den Gesamtschaden von 12375,30 DM den nach seiner Auffassung angemessenen Betrag von 5000 DM gezahlt hat, ist vom Geschädigten wegen des ungedeckten Differenzbetrags von 7375,30 DM Klage zur Hauptsache erhoben worden. Er verlangte in einem weiteren Prozess, der lediglich die außergerichtlich entstandenen Kosten betraf - über seinen Anwalt, an den er die Forderung abgetreten hat -, vom Haftpflichtversicherer des Schädigers die Abrechnung und Erstattung der vorprozessual nach einem Gegenstandswert von 5000 DM (effektiv gezahlte Summe) erwachsenen Anwaltskosten. Dazu war er nach Lage der Dinge ohne weiteres berechtigt, da nach dem Scheitern der außergerichtlichen Verhandlungen die dem Rechtsstreit gewissermaßen vorgeschaltete "Instanz" beendet und damit zugleich die Fälligkeit der Schadenersatzforderung auch insoweit eingetreten war, als sie die auf den gezahlten Betrag entfallenden Anwaltskosten betraf.

In diesem Zusammenhang kam es bei rechtlich orientierter Betrachtungsweise allerdings auf den Sachvortrag des Klägers nicht an, ihm sei zunächst nur der Auftrag erteilt worden, die Schadenersatzansprüche des Geschädigten außergerichtlich zu regulieren, Klageauftrag habe er demgegenüber erst erhalten, als die Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers gescheitert waren. Nach Lage der Dinge stand fest, dass die Anwaltskosten insoweit abrechnungsreif und erstattungsfähig waren, als sie sich auf den tatsächlich gezahlten Betrag bezogen. Diesen auf § 249 BGB gestützten Anspruch hatte der Schädiger (bzw. sein Haftpflichtversicherer) als nachwirkende Folge des haftbaren Verhaltens zu befriedigen, ohne dass es darauf ankam, in welcher Weise und mit welchem Ergebnis über den noch streitigen Teil nach Eintritt der Rechtshängigkeit im Prozess letztlich entschieden wird.

3. Diese Auffassung wird insbesondere dann deutlich und einleuchtend, wenn man berücksichtigt, dass der Kläger ohne weiteres bereits vor Eintritt der Rechtshängigkeit die Abrechnung und Erstattung der Anwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 5000 DM hätte verlangen können. In diesem Fall hätten dem Beklagten selbst bei Anwendung der vom LG Köln vorgegebenen Intentionen die ihm erst später bekanntgewordenen Einwendungen gegen diesen Abrechnungsmodus nicht zur Seite gestanden. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass der Gläubiger durch diese Form der Kostenabrechnung nicht gehindert gewesen wäre, später nach Ausgleich der vorprozessualen Kosten seinen Restanspruch gerichtlich geltend zu machen. Es stellt sich bei näherer Betrachtung als reiner Zufall dar, dass die Rechtshängigkeit im vorliegenden Fall bereits eingetreten war, als der Kläger die Erstattung der außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten begehrte.

III. 1. Die Auffassung des LG Köln verstößt zunächst einmal gegen den fundamentalen Grundsatz des Gebührenrechts, dass die einmal entstandenen Anwaltsgebühren durch spätere einseitige Dispositionen der Ersatzpflichtigen weder wegfallen noch sich verringern können. Dieses Prinzip wird auch nicht durch die Vorschrift des § 118 Abs. 2 BRAGebO angetastet, nach der eine Anrechnung der jeweils außergerichtlich entstandenen Gebühren auf die entsprechenden. Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren zu erfolgen hat. Im Gegenteil: Diese Bestimmung stellt bereits nach dem Sprachgebrauch vom Begriff her klar, dass eine Anrechnung - unter Berücksichtigung ihres Wesens in der Weise zu erfolgen hat, dass der zuerst (ohne Einschränkung) abgerechnete Teil in dem zu letzt abzurechnenden vollen Betrag aufgeht. Damit ist nach dem Willen des Gesetzgebers zugleich auch die Reihenfolge bestimmt: Die Anrechnung erfolgt in der Weise, dass vom endgültig zu erstattenden Betrag als eine Art Anzahlung die bereits gezahlte Gebühr abzusetzen ist.

2. Wenn man einmal der Einfachheit halber unterstellt, dass dem Gläubiger auch der gerichtlich geltend gemachte Teil seines Anspruchs in voller Höhe zugesprochen wird, so ergibt sich dabei folgende Abwicklung:

a) Dem Gläubiger steht gem. § 13 Abs. 3 BRAGebO die Prozessgebühr aus einem Gesamtstreitwert von 12375,30 DM nach dem höchsten Gebührensatz, also in Höhe von 10/10, zu = 345,- DM Darauf anzurechnen ist die bereits außergerichtlich entstandene und erstattete Geschäftsgebühr in Höhe von 7, 5/10 aus einem Gegenstandswert von 5000. DM mit 172,50 DM, so dass bezüglich der hier der besseren Übersicht wegen allein behandelten Prozessgebühr eine Festsetzung nur noch in Höhe von 172,50 DM erfolgen kann.

b) Dies gilt selbstverständlich auch für andere Gebühren, beispielsweise für die Besprechungsgebühr, die auf eine im Prozess entstandene Verhandlungsgebühr anzurechnen ist.

c) Um einen denkbaren Einwand vorwegzunehmen, sei ergänzend vorsorglich noch angemerkt, dass der auf § 13 Abs. 3 BRAGebO gestützte Hinweis, im Rahmen von § 118 Abs. 2 BRAGebO habe eine Anrechnung der vorprozessual entstandenen und erstatteten Gebühren zu erfolgen, auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu beachten ist, da es sich insoweit um eine Einwendung handelt, die im Gebührenrecht ihren Grund findet.

Einwendungen, die sich lediglich gegen die Höhe der Kostenforderung richten und sich unter gebührenrechtlichen Aspekten beurteilen lassen, sind auch im Kostenfestsetzungsverfahren zulässig.

IV. Unzutreffend war allerdings darin ist dem LG Köln zuzustimmen - die vom Kläger vertretene Auffassung, "die Gebühren entstünden nach den jeweiligen Streitwerten unabhängig voneinander, so dass die in dem späteren Prozess anfallenden Gebühren für die bereits außergerichtlich entstandenen keine Bedeutung mehr haben könnten". Dieser Standpunkt berücksichtigt nicht die nach § 13 Abs. 3 BRAGebO gebotene Anrechnung, die übrigens nicht nur bei verschiedenen Gebührenansätzen wirksam wird, sondern auch dann zum Zuge kommt, wenn innerhalb "derselben Angelegenheit" im Sinne von § 6 BRAGebO bei an sich einheitlichem Gebührenansatz ein Ausgleich im Hinblick auf den Degressionseffekt der Gebührentabelle des § 11 BRAGebO geboten ist. Die vom LG Köln zu Unrecht befürchtete "Erweiterung" wird dadurch vermieden, dass die Anrechnung im Rahmen des vom Gesetzgeber dafür vorgesehenen Verfahrens später, d.h. nach Beendigung des Rechtsstreits erfolgt und im Kostenfestsetzungsverfahren realisiert wird.

V. 1. Die vom LG Köln praktizierte Methode erweist sich nicht nur als rechtlich und denkgesetzlich (V. 3.) irrelevant, sondern sie führt überdies auch zu dem außerordentlich inpraktikablen Ergebnis, dass im Regelfall jeweils drei Rechengänge erforderlich sind, um den Anspruch auf Ersatz der erstattungsfähigen Anwaltskosten ordnungsgemäß abzuwickeln. Zunächst muss bezüglich der vorprozessual erwachsenen Anwaltskosten eine Differenzrechnung durchgeführt werden, die sich mit Sicherheit später in jedem 10 Fall als unzulänglich erweist 11. Alsdann erfolgt eine Abrechnung ggf. Festsetzung - der im Prozess entstandenen weiteren Kosten. Erst danach soll nach den Vorstellungen des LG Köln abschließend geprüft werden, inwieweit die erste Abrechnung unzutreffend war und der damals erstattete Betrag um eine weitere Differenz aufzustocken ist, die jedoch von vornherein feststeht (V. 3.) und vom Ausgang des Prozesses in keiner Weise beeinflusst wird.

Wenn man bedenkt, dass u. U. mehrere Jahre vergehen können, bis eine rechtskräftige Kostenentscheidung vorliegt, dann wird deutlich, dass das vom LG Köln praktizierte Verfahren nicht nur umständlich ist, sondern auch zu groben Unbilligkeiten führt, weil der Gläubiger auf den ihm vorenthaltenen Betrag, der nach den Vorstellungen des LG Köln offensichtlich noch nicht einmal fällig sein soll, keine Zinsen verlangen darf, obwohl er seinem Anwalt gegenüber aus dem vertraglichen Innenverhältnis bereits in Vorlage treten musste.

2. Die Unbilligkeit steigert sich mit der Höhe des Streitwerts überproportional unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen dem außergerichtlich ausgeglichenen und dem rechtshängig gewordenen Teil des Anspruchs. Beträgt der Schaden beispielsweise insgesamt 150000 DM, dann beläuft sich die nach dem Gesamtobjekt berechnete volle Prozessgebühr (10/10) auf 1250 DM. Werden davon außergerichtlich 20000 DM gezahlt und verbleiben demgemäß noch 130000 DM im Streit, so wäre nach der vom LG Köln praktizierten Methode der Ersatzpflichtige berechtigt, zunächst, d. h. bis zur rechtskräftigen Entscheidung letzter Instanz, einen Betrag in Höhe von 1150 DM (10/10 Gebühr nach einem Objekt von 130000 DM) zurückzubehalten. Das bedeutet, dass nach den Vorstellungen des LG Köln "vorerst" nur 100 DM zu zahlen sind, obwohl eine 7, 5/10 Gebühr nach dem außergerichtlich regulierten Betrag sich auf 315 DM, eine 10/10 Gebühr sogar auf 420 DM, beläuft. Der Gläubiger würde damit zunächst nur etwa ein Drittel bis ein Viertel der ihm zustehenden Summe erstattet erhalten.

3. Das Unbehagen wächst noch mehr, wenn man berücksichtigt, dass auch nach den vom LG Köln vorgegebenen Intentionen die zunächst nach einer Gebührendifferenz ermittelte (reduzierte) Gebühr in jedem Fall nach Abschluss des Rechtsstreits auf den vollen Betrag aufzustocken ist, der von vornherein feststeht. Das umständliche und zu unbilligen Ergebnissen führende Verfahren dient bei Licht betrachtet dem alleinigen Zweck, die Anrechnung dort zu vermeiden, wo sie nach den Vorstellungen des Gesetzgebers an sich zu vollziehen ist, nämlich bezüglich der im Prozess entstandenen Gebühren. Diese Form des Procedere ist nicht nur zeitraubend und umständlich, sondern zudem von der Sache her auch überflüssig, weil das Verfahren per Saldo nichts bewirkt. Wenn man sich erst einmal darüber klargeworden ist, dass das Ergebnis des Prozesses, dessen Ausgang das LG Köln abwarten möchte, auf die Höhe der für die außergerichtlichen Verhandlungen zu erstattenden Anwaltskosten auch nicht den geringsten Einfluss hat, sondern lediglich die Prozesskosten selbst betrifft, dann drängt sich die Frage auf, warum der Ersatzpflichtige den Betrag, den er letztlich doch schuldet und dessen Höhe von vornherein feststeht, nicht der Einfachheit halber sofort bezahlen sollte. Mit diesem Gedankengang lässt sich der vom LG Köln eingeschlagene Weg wohl am eindrucksvollsten ad absurdum führen."