Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 13.04.1970 - III ZR 75/69 - Zum Vergleichsabschluss, wenn sich der Geschädigte mit einem geringeren Betrag als dem geforderten abgibt

BGH v. 13.04.1970: Zum Vergleichsabschluss, wenn sich der Geschädigte mit einem geringeren Betrag als dem geforderten abgibt


Dass auch dann keine Vergleichsgebühr entsteht, wenn der Schädiger den Schaden "abrechnet" und sich der Geschädigte letztlich damit zufrieden gibt (selbst wenn vorher im Zuge der Korrespondenz der Schädiger auf Gegenvorstellungen des Geschädigten hin die Höhe der Abrechnung den Vorstellungen des Geschädigten angepasst hat), hat der BGH (Urteil vom 13.04.1970 - III ZR 75/69) ausführlich begründet:
  1. Hat der Geschädigte gegen den Schadenersatzpflichtigen einen sachlich-rechtlichen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten, so sind der Berechnung dieser Kosten die begründeten, nicht etwa die von dem - einsichtigen - Geschädigten für vertretbar gehaltenen Schadenbeträge zugrunde zu legen.

  2. Als begründet sind die Schadenbeträge anzusehen, die der Schadenersatzpflichtige in einem Vergleich oder außerhalb eines solchen als berechtigt anerkannt hat und mit deren Zahlung sich der Geschädigte begnügt.

  3. Zu der Frage, ob ein Vergleich vorliegt, wenn der Schadenersatzpflichtige im Wege einer "Abrechnung" die von ihm für objektiv gerechtfertigt oder doch für vertretbar gehaltenen Schadenbeträge dem Geschädigten anbietet (und leistet) und der Geschädigte daraufhin von der Verfolgung seiner ursprünglichen Mehrforderungen absieht.

Siehe auch Anwaltskosten des Unfallgeschädigten als Schadensersatz und Stichwörter zum Thema Rechtsanwaltsgebühren - Anwaltshonorar - Rechtsanwaltskosten


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Auch insoweit das Berufungsgericht den Anfall einer Vergleichsgebühr verneint, lassen seine Ausführungen einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Wie der Senat namentlich in BGHZ 39, 60 = VersR 63, 267 (vgl. auch das Urteil vom 8.1.1962 VersR 62, 286) dargelegt hat, ist der Begriff des Vergleichs i. S. von § 779 BGB, wie er auch kostenrechtlich bedeutsam ist, an sich weit zu verstehen: Ein gegenseitiges Nachgeben, das Gegenstand einer Einigung der Vertragspartner werden kann, liege schon dann vor, wenn die Parteien, um zur Einigung zu gelangen, überhaupt Zugeständnisse machten; das Nachgeben brauche nur gering zu sein, es könne auch in dem Anerkenntnis des Schadens liegen.

Ein gegenseitiges Nachgeben in einem Entschädigungsverfahren nach dem Finanzvertrag sei mithin insbesondere dann anzunehmen, wenn der eine Beteiligte von einem nach außen hin durch eine Erklärung oder in sonstiger Weise ausdrücklich vertretenen Standpunkt abweiche, um dem anderen Teil entgegenzukommen; ein Vergleich könne vorliegen, wenn die Parteien ohne längere Auseinandersetzung alsbald im Interesse einer gütlichen Erledigung auf eine bestimmte Geldsumme eingingen.

Bei alledem ist jedoch jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art nicht zu übersehen:

Die bekl. Partei, die zu einem Vergleich nicht gezwungen werden kann und bei einer einfachen Gestaltung des Rechtsfalls, wie sie hier gegeben ist, an dem Abschluss eines Vergleichs nicht besonders interessiert sein wird, kann ihrerseits den Weg wählen, den Schadenfall im Wege einer "Abrechnung zu bereinigen, und das hat die Bekl. nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen des angefochtenen Urteils getan.

Die Bekl. hat - so lässt sich ihr Verhalten sehr wohl auffassen - dem Kl. die Beträge als Schadenausgleich angeboten (und geleistet), die sie für objektiv gerechtfertigt oder doch für vertretbar erachtete. Sie mag hierbei damit gerechnet haben, der Kl. werde ihre Abstriche an seinen Mehrforderungen anerkennen, und stellte es - zumindest ist Gegenteiliges nicht festgestellt - dem Kl. anheim, seine Mehrforderungen aufzugeben oder sie, soweit sie ihnen nicht im Verlaufe des mit den Anwälten geführten weiteren Schriftwechsels dann doch entsprach, einzuklagen. Damit machte sie nach der vom Revisionsgericht nicht zu beanstandenden Würdigung des Berufungsgerichts nicht einen vermittelnden Vergleichsvorschlag. Der objektive Gehalt ihrer Willenserklärung war nicht auf den Abschluss eines Vergleichs gerichtet. Sie rechnete vielmehr den Schadenfall mit dem Kläger ab. Wollte man in der Erfüllung der Forderungen der Kl. Partei bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden durch die bekl. Partei ein einverständliches Nachgeben sehen, so würde dies zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass der Schädiger sich zur Anerkennung eines Schadens in voller Höhe nur deswegen entschließen könnte, um nicht zusätzlich mit einer Vergleichsgebühr belastet zu werden. Die vorstehend vorgenommene Betrachtung scheitert auch entgegen Stüven in MDR 68, 816 nicht notwendig daran, dass sich die Bekl. im Verlaufe des Schriftwechsels den Vorstellungen der Anwälte des Kl. nicht völlig verschloss und größere Zahlungen als ursprünglich von ihr vorgesehen leistete. Auch der Schädiger, der einen Schadenfall abrechnen, nicht aber vergleichsweise bereinigen will, kann sich bei der von ihm einseitig vorgeschlagenen Regelung den Gründen des Geschädigten nicht verschließen und seine Ansprüche nachträglich als berechtigt oder doch als so aussichtsreich beurteilen, dass er es ihretwegen nicht auf einen Rechtsstreit ankommen lassen will, sondern die Begleichung der Forderungen vorzieht. Hinsichtlich der vom Kl. beanspruchten Anwaltsgebühren hat die Bekl. im übrigen nicht nachgegeben. Eine solche einseitige Schadenregulierung, die der andere Teil hinnimmt, ist aber nicht Teil eines Vergleichs i. S. von § 779 BGB, der, was nicht ausgeschaltet werden darf, nun einmal ein gegenseitiges Nachgeben sowie auf seinen Abschluss gerichtete inhaltlich übereinstimmende, wenn auch stillschweigend abgebbare Erklärungen der Parteien fordert. ..."







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